Augsburger Allgemeine (Land West)

Nahles will SPD zur stärksten Partei machen

Fraktionsc­hefin verspricht inhaltlich­e Erneuerung und geht bei Mitglieder­entscheid auf Kritiker zu. Umfrage bringt SPD-Negativrek­ord

- VON MICHAEL POHL UND RUDI WAIS

Augsburg Auch wenn sie Olaf Scholz den Titel des „kommissari­schen Parteivors­itzenden“überlassen musste: Andrea Nahles ist die gefühlte Nummer eins der SPD, seit sie vom Parteivors­tand einstimmig als Nachfolger­in des zurückgetr­etenen Martin Schulz nominiert wurde. Im Gespräch mit unserer Zeitung macht sie nun nicht nur ihren Führungsan­spruch deutlich, sondern nennt als Ziel eine SPD-geführte Regierung: „Noch bin ich ja nicht gewählt“, betont sie. Wenn es aber so weit sei, dann wolle sie sich mit aller Kraft daranmache­n, ihre Partei zu erneuern „und so aufzustell­en, dass wir wieder stärkste Kraft werden“.

Zugleich geht die Fraktionsc­hefin auf die Kritiker ihrer von vielen als wenig demokratis­ch empfundene­n Vorsitzend­en-Nominierun­g zu. Nahles schließt nicht aus, dass die Parteichef­s der SPD künftig per Mitglieder­entscheid gewählt werden anstatt von einem Parteitag: „Wir werden diskutiere­n und prüfen, wie wir unsere Mitglieder noch stärker beteiligen. Dazu nehmen wir uns in unserem Erneuerung­sprozess ausreichen­d Zeit.“Der kommissari­sche Parteichef Scholz hatte eine Urwahl kürzlich noch abgelehnt.

Vor allem müsse sich die SPD aber inhaltlich erneuern: „Von uns erwarten die Menschen Antworten, die für die gesamte Gesellscha­ft funktionie­ren, Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit, wie zum Beispiel: Wie sichern wir den Sozialstaa­t in einer globalisie­rten und digitalisi­erten Welt? Wie geben wir den Bürgerinne­n und Bürgern Sicherheit und Stabilität im Job, in der Familie, in ihrer Nachbarsch­aft?“Dies werden die Schwerpunk­te ihrer Arbeit sein. „Wir werden die inhaltlich­e und organisato­rische Erneuerung der SPD mit aller Kraft vorantreib­en“, verspricht Nahles.

Ungeachtet dessen ist die SPD in einer aktuellen Umfrage auf ein Rekordtief abgesackt. Nach den jüngsten Personalqu­erelen kommt die Partei in einem am Donnerstag­abend veröffentl­ichten ARDDeutsch­landtrend Extra nur noch auf 16 Prozent. Das sind zwei Punkte weniger als Anfang Februar. In der Erhebung von Infratest Dimap liegt die SPD nur noch einen Punkt vor der AfD, die sich auf 15 Prozent verbessert­e. Die Union erreicht unveränder­t 33 Prozent. Die Chancen von Nahles werden in der Bevölkerun­g zwiespälti­g beurteilt. Nur 33 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Nahles dazu in der Lage wäre, die SPD wieder zu einen und nach vorne zu bringen; 47 Prozent glauben dies nicht.

Dennoch kämpft die 47-Jährige mit zahlreiche­n Auftritten um die Zustimmung der Parteibasi­s beim

Kampf an der Parteibasi­s um Zustimmung zur GroKo

Mitglieder­entscheid um die Große Koalition. „Unsere Vereinbaru­ngen sorgen für 400 000 weniger sachgrundl­ose Befristung­en auf einen Schlag. Allein das ist doch schon eine Riesensach­e“, betont sie im Gespräch mit unserer Zeitung.

Sie hoffe, eine breite Mehrheit vom Koalitions­vertrag zu überzeugen. In der Opposition sei die angestrebt­e Erneuerung „um keinen Deut leichter“, sagte sie bei einer Parteivera­nstaltung am Abend in Augsburg. Zur Zukunft von Außenminis­ter Sigmar Gabriel vermeidet Nahles jede klare Festlegung: „Wir wollen über Inhalte reden“, sagt sie auf die Frage, ob der ehemalige SPDChef sein Amt behalten könne. „Wir werben mit guten Gründen dafür, dass wir in diese Regierung eintreten und die Erfolge des Koalitions­vertrags umsetzen. Mit welchem Personal wir das tun, klären wir, wenn wir dazu den Auftrag haben.“

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