Augsburger Allgemeine (Land West)
Nahles will SPD zur stärksten Partei machen
Fraktionschefin verspricht inhaltliche Erneuerung und geht bei Mitgliederentscheid auf Kritiker zu. Umfrage bringt SPD-Negativrekord
Augsburg Auch wenn sie Olaf Scholz den Titel des „kommissarischen Parteivorsitzenden“überlassen musste: Andrea Nahles ist die gefühlte Nummer eins der SPD, seit sie vom Parteivorstand einstimmig als Nachfolgerin des zurückgetretenen Martin Schulz nominiert wurde. Im Gespräch mit unserer Zeitung macht sie nun nicht nur ihren Führungsanspruch deutlich, sondern nennt als Ziel eine SPD-geführte Regierung: „Noch bin ich ja nicht gewählt“, betont sie. Wenn es aber so weit sei, dann wolle sie sich mit aller Kraft daranmachen, ihre Partei zu erneuern „und so aufzustellen, dass wir wieder stärkste Kraft werden“.
Zugleich geht die Fraktionschefin auf die Kritiker ihrer von vielen als wenig demokratisch empfundenen Vorsitzenden-Nominierung zu. Nahles schließt nicht aus, dass die Parteichefs der SPD künftig per Mitgliederentscheid gewählt werden anstatt von einem Parteitag: „Wir werden diskutieren und prüfen, wie wir unsere Mitglieder noch stärker beteiligen. Dazu nehmen wir uns in unserem Erneuerungsprozess ausreichend Zeit.“Der kommissarische Parteichef Scholz hatte eine Urwahl kürzlich noch abgelehnt.
Vor allem müsse sich die SPD aber inhaltlich erneuern: „Von uns erwarten die Menschen Antworten, die für die gesamte Gesellschaft funktionieren, Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit, wie zum Beispiel: Wie sichern wir den Sozialstaat in einer globalisierten und digitalisierten Welt? Wie geben wir den Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit und Stabilität im Job, in der Familie, in ihrer Nachbarschaft?“Dies werden die Schwerpunkte ihrer Arbeit sein. „Wir werden die inhaltliche und organisatorische Erneuerung der SPD mit aller Kraft vorantreiben“, verspricht Nahles.
Ungeachtet dessen ist die SPD in einer aktuellen Umfrage auf ein Rekordtief abgesackt. Nach den jüngsten Personalquerelen kommt die Partei in einem am Donnerstagabend veröffentlichten ARDDeutschlandtrend Extra nur noch auf 16 Prozent. Das sind zwei Punkte weniger als Anfang Februar. In der Erhebung von Infratest Dimap liegt die SPD nur noch einen Punkt vor der AfD, die sich auf 15 Prozent verbesserte. Die Union erreicht unverändert 33 Prozent. Die Chancen von Nahles werden in der Bevölkerung zwiespältig beurteilt. Nur 33 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Nahles dazu in der Lage wäre, die SPD wieder zu einen und nach vorne zu bringen; 47 Prozent glauben dies nicht.
Dennoch kämpft die 47-Jährige mit zahlreichen Auftritten um die Zustimmung der Parteibasis beim
Kampf an der Parteibasis um Zustimmung zur GroKo
Mitgliederentscheid um die Große Koalition. „Unsere Vereinbarungen sorgen für 400 000 weniger sachgrundlose Befristungen auf einen Schlag. Allein das ist doch schon eine Riesensache“, betont sie im Gespräch mit unserer Zeitung.
Sie hoffe, eine breite Mehrheit vom Koalitionsvertrag zu überzeugen. In der Opposition sei die angestrebte Erneuerung „um keinen Deut leichter“, sagte sie bei einer Parteiveranstaltung am Abend in Augsburg. Zur Zukunft von Außenminister Sigmar Gabriel vermeidet Nahles jede klare Festlegung: „Wir wollen über Inhalte reden“, sagt sie auf die Frage, ob der ehemalige SPDChef sein Amt behalten könne. „Wir werben mit guten Gründen dafür, dass wir in diese Regierung eintreten und die Erfolge des Koalitionsvertrags umsetzen. Mit welchem Personal wir das tun, klären wir, wenn wir dazu den Auftrag haben.“