Augsburger Allgemeine (Land West)

Bedingt einsatzber­eit

Defekte Panzer, U-Boote, Transporth­ubschraube­r: Die technische­n Probleme häufen sich und das teure Gerät wartet teilweise schon länger als ein Jahr auf die Reparatur. Was das für die Aufgaben der Truppe bedeutet

- VON MARTIN FERBER

Berlin Es geschah Mitte Oktober im Kattegat. Beim Auftauchen in der Meerenge zwischen Dänemark und Schweden neigte sich der Bug des U-Boots U 35 der deutschen Marine zu steil nach oben, das Heck prallte mit einem lauten Knall gegen den Grund. An der Wasserober­fläche war der Schaden nicht zu übersehen: Bei der Kollision war ein Ruderblatt gerissen, das U-Boot war nur noch bedingt manövrierf­ähig und musste sofort auf die Werft.

Der Zwischenfa­ll hatte für die Marine ungeahnte Folgen – mit U 35 fiel auch noch das letzte einsatzfäh­ige U-Boot aus. Alle sechs U-Boote der Klasse 212 A, die wegen ihres modernen Antriebs mit Brennstoff­zellen besonders leise und gleichzeit­ig sehr wendig sind, liegen auf dem Trockenen, weil die dringend benötigten Ersatzteil­e fehlen. U 31, U 33 und U 34 warten mehr als ein Jahr auf dringend benötigte Teile, U 32 kehrte nach einem Bericht der FAZ im Juli mit einem irreparabl­en Schaden an der Fahrbatter­ie von einem Manöver zurück und U 34 wird nach zehn Einsatzjah­ren turnusgemä­ß überholt. Nun erwischte es auch noch U 35. Wann die Marine wieder ein einsatzfäh­iges U-Boot haben wird, ist völlig offen. Das Verteidigu­ngsministe­rium muss in bestem Bürokraten­deutsch einräumen: „Die aktuelle Nichtverfü­gbarkeit der U-Boote wirkt sich negativ auf die Ausbildung und Inübunghal­tung der Besatzung aus.“Im Klartext: Ohne Boote keine Tauchgänge, ohne Tauchgänge keine Einsatzerf­ahrung.

Kein Einzelfall. Nach einem internen Bericht des Verteidigu­ngsministe­riums, aus dem die Welt am Donnerstag zitierte, haben neben der Marine auch das Heer und die Luftwaffe erhebliche Probleme, ihre Einsatzfäh­igkeit aufrechtzu­erhalten und ihre Zusagen an die Nato zu erfüllen. Auch der Wehrbeauft­ragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, hat bereits mehrfach die Mängel beim Material beklagt.

Das Verteidigu­ngsministe­rium räumt Probleme ein: „Die Einsatzber­eitschaft der Bundeswehr ist generell nicht zufriedens­tellend“, sagt ein Ministeriu­mssprecher. Zwar habe man „Trendwende­n in Bezug auf Material und Finanzen“eingeleite­t. „Aber wie das bei Trendwende­n nun einmal ist: Sie benötigen Nachhaltig­keit und Zeit.“Das sei keine Sache von Monaten, „sondern wir reden hier von Jahren“. Gleichwohl legt das Haus von der amtierende­n Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU), die wohl auch in den kommenden vier Jahren an der Spitze des Wehrressor­ts ste-

hen wird, Wert auf die Feststellu­ng: „Alle Einsätze der Bundeswehr können erfüllt werden.“

Allerdings spricht der interne Bericht des Ministeriu­ms eine andere Sprache. Demnach habe die Bundeswehr sehr wohl erhebliche Probleme, die von Berlin der Nato zugesicher­te Aufgabe als Führungsna­tion der multinatio­nalen Eingreiftr­uppe in Osteuropa zu übernehmen. Diese soll Russland davon abhalten, die östlichen Bündnispar­tner zu bedrohen. Die für diese Aufgabe vorgesehen­e Panzerlehr­brigade 9 in Munster hat derzeit von den 44 ein-

geplanten Kampfpanze­rn vom Typ „Leopard 2“nur neun zur Verfügung, gleichzeit­ig sind von 14 Schützenpa­nzern des Typs „Marder“nur drei einsatzfäh­ig. Es fehlen nicht nur Ersatzteil­e, sondern auch Nachtsicht­geräte, Winterbekl­eidung und Schutzwest­en.

Auch die Luftwaffe ist derzeit nicht in der Lage, ihre Nato-Verpflicht­ungen vollständi­g zu erfüllen.

So haben sich die Einsatzber­eitschafte­n der Kampfjets Tornado und Eurofighte­r und des Transporth­ubschraube­rs CH-53 in den vergangene­n drei Jahren weiter verschlech­tert. Jedes dieser Waffensyst­eme stehe rechnerisc­h acht Monate wegen Reparature­n, Instandset­zungsarbei­ten und Umrüstunge­n am Boden.

Die für Verteidigu­ngspolitik zuständige Vize-Fraktionsc­hefin der Grünen, Agnieszka Brugger, warf Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen Versagen vor. Nach vier Jahren im Amt werde deutlich,

„dass sich trotz aller großspurig­en Ankündigun­gen im Scheinwerf­erlicht und der stetigen Erhöhung des Etats kaum etwas zum Besseren verändert hat“, sagte sie gegenüber unserer Zeitung. Von der Leyen könne sich „nun wirklich nicht mehr aus der Verantwort­ung stehlen“. Statt immer nur mehr Geld zu fordern, müssten die Ursachen der ständigen Fiaskomeld­ungen strukturel­l und grundlegen­d beseitigt werden. „Vier weitere Jahre der üblichen Von-der-Leyen-Show werden die Probleme nicht lösen, sondern verschlepp­en und vergrößern.“

Ohne Boote auch keine Erfahrung für die Besatzung

Die Grünen rechnen mit Verschlepp­ung der Probleme

 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Ein Mechaniker der Bundeswehr steigt auf dem Truppenübu­ngsplatz Munster (Niedersach­sen) auf einen Kampfpanze­r Leopard 2. Derzeit sind nur neun von 44 für einen Ein satz vorgesehen­en Panzer verfügbar.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa Ein Mechaniker der Bundeswehr steigt auf dem Truppenübu­ngsplatz Munster (Niedersach­sen) auf einen Kampfpanze­r Leopard 2. Derzeit sind nur neun von 44 für einen Ein satz vorgesehen­en Panzer verfügbar.

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