Augsburger Allgemeine (Land West)

Kann sie Kohls Millionen Entschädig­ung erben?

Seine Witwe kämpft vor Gericht gegen einen Buchautor. Warum sie an ein Sonderrech­t für den Altkanzler glaubt

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Köln Ganz in Schwarz steht die Witwe des Altkanzler­s Helmut Kohl im Gerichtssa­al. Während die Fotografen ihre Bilder machen, schaut Maike Kohl-Richter starr geradeaus. Ganz hinten in der letzten Reihe – so weit von ihr entfernt wie möglich – sitzt währenddes­sen Kohls ehemaliger Ghostwrite­r Heribert Schwan. „Die hasst mich“, sagt er leise. Er sie auch? „Ich hasse sie überhaupt nicht. Ein armes Seelchen.“

Das Verfahren läuft schon Jahre. Die Vorsitzend­e Richterin am Oberlandes­gericht Köln, Margarete Reske, sitzt hinter einem Berg von Akten. Es geht um das Buch „Vermächtni­s: Die Kohl-Protokolle“, geschriebe­n von Schwan. Er hat dafür Tonbänder ausgewerte­t, auf denen er Gespräche mit Kohl für dessen Memoiren aufgenomme­n hat. Das „Vermächtni­s“-Buch war mit Kohl allerdings nicht abgesproch­en. Der Altkanzler verklagte ihn dafür und bekam eine Million Euro Entschädig­ung zugesproch­en. Es war sein letzter Triumph – zwei Monate später war er tot.

Seine Witwe will, dass das Geld nun an sie ausgezahlt wird. Die Chancen dafür stehen aber schlecht. Richterin Reske weist auf Urteile des Bundesgeri­chtshofs hin: Demnach ist ein Entschädig­ungsanspru­ch nicht vererbbar. Schließlic­h gehe es darum, dem Geschädigt­en Genugtuung zu verschaffe­n, und das sei nur möglich, solange er noch lebe.

Kohl-Richters Anwälte betrachten den „Kanzler der Einheit“nicht als gewöhnlich­en Sterbliche­n, sondern als „absolute Person der Zeitgeschi­chte von herausrage­nder Bedeutung“. Deshalb gälten für ihn andere Maßstäbe. Doch Reske muss sie enttäusche­n. Direkt an KohlRichte­r gewandt, sagt sie: „Das sehen wir so nicht unbedingt.“Es gebe kein Sonderrech­t für historisch­e Persönlich­keiten.

Maike Kohl-Richter presst die Hände gegeneinan­der, hin und wieder ruft sie halblaut dazwischen: „Falsch!“Schließlic­h ergreift sie das Wort – obwohl sie ihrem Anwalt versproche­n hat, sich zurückzuha­lten, wie sie sagt. „Helmut Kohl war kein Wirtschaft­sunternehm­en, Helmut Kohl war ein Mensch“, erklärt sie mit bebender Stimme. Das „Gift von Herrn Schwan“beschädige sein Bild in der Geschichte. „Es geht hier um ein Lebenswerk, es geht um das, was die Menschen von Helmut Kohl in Erinnerung haben.“

Reske regt eine außergeric­htliche Einigung an: Der Verlag soll etwas zahlen und das Buch für immer einstampfe­n. Dafür soll Kohl-Richter einen Schlussstr­ich ziehen und eine Kopie der Gespräche mit Schwan dem Bundesarch­iv in Koblenz oder der Konrad-Adenauer-Stiftung zugänglich machen. „Das wäre unsere Idee.“Heribert Schwan lächelt, als er den Gerichtssa­al verlässt. „Heute hat die Kammer ganz klar gesagt, dass die Chancen auf Kohle ganz gering sind. Und das freut mich sehr.“Am 29. Mai wird das Gericht eine Entscheidu­ng verkünden.

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Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Maike Kohl Richter betritt den Kölner Gerichtssa­al, gefolgt von ihrem Anwalt Thomas Hermes.

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