Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Mär vom „guten Nazi“
Wie ein vorgeblich unpolitischer Technokrat vor und nach 1945 an seiner Legende strickte. Er war eine Zentralfigur des Eroberungs- und Vernichtungskrieges
Wie kann einer Hitlers Freund sein, Vorzeigetyp des Dritten Reiches und trotzdem so eine Art „ehrenhafter Nazi“? Albert Speer gehörte zu den wenigen aus der NS-Führung, denen es gelang, über sich selbst eine Legende in die Welt zu setzen. Zunächst im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess, später in seiner Autobiografie „Erinnerungen“und in Interviews mit Historikern stilisierte er sich als „unpolitischen Techniker“.
Magnus Brechtken, stellvertretender Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, widerlegt in seinem Buch „Albert Speer/Eine deutsche Karriere“nach jahrelangen Recherchen mit bisher unbekannten Quellen diese Darstellung und beschreibt Speer als einen führenden Organisator der Rassenpolitik in Hitlers Reich.
Für Brechtken ist Speer kein zufällig ins Dritte Reich gestolperter Schöngeist, sondern eine „Zentralfigur des Eroberungs- und Vernich- Von seinen Anfängen, der Studienzeit in Karlsruhe und München, über die Vorkriegsjahre als Architekt bis hin zur Wirkung seiner Person nach dem Tod zeichnet er Speers Weg auf 910 Seiten präzise nach.
Hitlers Lieblingsbaumeister und Rüstungsminister galt auch lange nach dem Krieg vielen als Kronzeuge dafür, dass man im Dritten Reich als Mensch anständig geblieben sein konnte. Und klar, viele Deutsche wollten ihm gern glauben – denn für sie war Albert Speer ein fabelhafter Marketing-Experte seiner selbst und auch der NS-Zeit.
Bis heute liegen Speers „Erinnerungen“in den Buchläden. In seinem Werk schreibt Speer beispielsweise zum Thema „Reichskristallnacht“: „Ich fühlte mich als Hitlers Architekt, Ereignisse der Politik gingen mich nichts an.“
Auch die berühmte Hitler-Biografie des Publizisten Joachim Fest ist stark von Speers Deutungen beeinflusst. Fest selbst räumte dies in einem seiner letzten Interviews ein. Speer, so wird der Publizist später sagen, habe „allen mit der treuherzigsten Miene der Welt eine Nase gedreht“. Im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess 1946 zeigt er sich reumütig, stilisiert sich zum Gegner seines früheren Förderers Hitler.
Dokumente, die die Beteiligung des „reinen“Technokraten an Verbrechen gegen die Menschlichkeit belegen, lagen damals noch nicht vor. So entgeht Speer knapp dem Todesurteil. Inzwischen ist aber bekannt, dass der Rüstungsminister detailliert über den Ausbau und den Zweck des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau Bescheid wusste und auch Baumaterial für dessen umfassenden Ausbau genehmigte. Bereits 1938 ließ Speer Listen von Judenwohnungen anfertigen – die Voraussetzung dafür, dass man die dort Lebenden deportieren und ermorden konnte.
Die Wohnungen benötigte der damalige Generalbauinspektor für seine Umbaupläne der Reichshauptstadt. Was mit den Juden später geschah, das war Speer ebenfalls klar. Denn er war eben nicht nur der Architekt von Hitlers Großprojekten, sondern gehörte auch zu den Erbauern von Auschwitz. Doch Speers Charisma und seine Kunst, dasselbe wirkungsvoll einzusetzen, befeuertungskrieges“. ten zeitlebens seinen legendären Ruf. Und auch nach der 20-jährigen Haft im Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau wusste er diese Gaben gezielt zu gebrauchen. Seit 1967 verbreitete er dann in der westdeutschen Öffentlichkeit seine Sicht der NS-Geschichte.
Sie könnte jetzt, nach einer Reihe kritischer Spezialstudien, guter
Mit treuherziger Miene der Welt eine Nase gedreht
Ein überfälliger Denkmalsturz
Fernseh-Dokumentationen, der Nürnberger Ausstellung „Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit“und dem Buch Brechtkens stark beschädigt werden. Manche Kommentatoren meinen: Dieser Denkmalsturz war überfällig.