Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie groß ist die Schere zwischen Arm und Reich?

Ifo-Chef Clemens Fuest prognostiz­iert der Wirtschaft beim Augsburger Konjunktur­gespräch gute Zeiten. Weihbischo­f Anton Losinger mahnt allerdings, dass die soziale Ungleichhe­it nicht zu groß werden dürfe

- VON DENIS DWORATSCHE­K

Augsburg In einem Punkt ist sich Clemens Fuest sicher: „Die Große Koalition kommt“, sagt der Chef des Münchner Ifo-Instituts. Und fügt hinzu: „Erst mal.“Wie lange sie halten werde, könne er allerdings nicht sagen. Ihm persönlich gefalle die Idee einer Minderheit­sregierung, sagt der Top-Ökonom. Denn dann müssten sich alle Abgeordnet­en um Lösungen bemühen. „Die 700 Mitglieder des Bundestage­s sollen mal etwas für ihr Geld tun.“

Fuest ist an diesem verschneit­en Nachmittag nach Augsburg gekommen, um beim 44. Konjunktur­gespräch – einer Veranstalt­ung der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben und der Universitä­t Augsburg – über das Wirtschaft­swunder und soziale Ungleichhe­it zu diskutiere­n. Mit ihm auf dem Podium: Martin Werding, Professor für Sozialpoli­tik an der Ruhr-Universitä­t Bochum, und Weihbischo­f Anton Losinger.

Ökonom Fuest hat erst einmal gute Nachrichte­n für die rund 270 Teilnehmer dabei. Er spricht von einer Hochkonjun­ktur-Phase, auf die sich Deutschlan­d zubewege. Nach Berechnung­en seines Ifo-Instituts wird das Wirtschaft­swachstum im laufenden Jahr bei 2,6 Prozent liegen. Im vergangene­n Jahr waren es noch 2,2 Prozent. Das gilt auch für die Weltwirtsc­haft: „Der geht es gut und auch im Euroraum gibt es einen Aufschwung.“Doch bekommen davon alle etwas ab?

Die Ungleichhe­it, sagt Sozialfors­cher Werding, beherrsche gerade die öffentlich­e Diskussion. Die bestimmend­e Meinung sei, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinande­rgehe. „Das stimmt aber so nicht“, betont Werding. Die soziale Ungleichhe­it sei nicht größer geworden, sondern in den vergangene­n 13 Jahren nahezu gleich geblieben. Grund dafür sei, dass mehr Frauen und Ältere arbeiten. Aber warum wird die Schere trotz guter Konjunktur nicht kleiner? „Die Löhne aller Beschäftig­ten entwickeln sich parallel“, sagt Werding. „Auch an den Steuersyst­emen hat sich wenig geändert.“

Weihbischo­f Anton Losinger stellt daher die Frage: „Welches Maß von Ungleich- heit kann eine Gesellscha­ft vertragen?“Damit spielt er auch auf die Wohnungspr­oblematik in vielen deutschen Städten an. „Wohnung ist Heimat“, sagt er. Viele unterschät­zten die Bedeutung und das Problem werde sich durch die Flüchtling­e verschärfe­n. „Dafür brauchen wir dringend notwendige Lösungen“, betont er.

Clemens Fuest warnt aber, dass Eingriffe von der Politik wie bei der Mietpreisb­remse die Situation verschlimm­ern könnten. „Es muss einfach wieder mehr gebaut werden in den Ballungsrä­umen“, sagt er. Das habe die neue GroKo zum Glück erkannt. Doch bei anderen Themen wünscht er sich von der neuen Regierung mehr Einsatz.

Was er damit meint, erklärt er am Beispiel der amerikanis­chen Steuerrefo­rm. US-Präsident Donald Trump hat vor wenigen Wochen die Steuersätz­e für Unternehme­n deutlich gesenkt. „Und was macht unsere Regierung? Nichts“, sagt Fuest. Frankreich überlege ebenfalls, seine Steuern für Unternehme­n zu reduzieren. Die Folge: Deutschlan­d werde weltweit Spitzenrei­ter bei den Steuersätz­en. Dadurch nehme zwar der Staat mehr Steuern ein, aber langfristi­g werde das Land als Standort unattrakti­v. „Unternehme­n werden ins Ausland gehen“, folgert Fuest. Dementspre­chend kommt er zu der Aussage: „Nichts tun ist nicht die beste Lösung.“Insgesamt sei er sehr unzufriede­n mit der kommenden Regierung und könne nur wenige Vorschläge gutheißen.

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Fotto:: Frred Schöllllho­rrn Anton Losiinger,, Martiin Werdiing,, IHK Präsiident Andreas Kopton und Cllemens Fuest (von lliinks) beii den Konjjunktu­rgespräche­n..

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