Augsburger Allgemeine (Land West)

Streit um Zelle 7

Claudia Schwarz weigert sich, das aufgelöste Kloster Altomünste­r zu verlassen. Am Donnerstag errang sie einen Teilsieg vor Gericht. Ihre Zukunft bleibt aber ungewiss

- VON DANIEL WIRSCHING Fotos: Lino Mirgeler/Matthias Balk, dpa

München Claudia Schwarz ist als Kloster-Besetzerin bekannt geworden, weit über die Grenzen der Marktgemei­nde Altomünste­r im oberbayeri­schen Landkreis Dachau hinaus. Die Juristin kämpft seit mehr als einem Jahr besonders vehement für ihren Traum vom Leben hinter Klostermau­ern. Die 39-Jährige will unbedingt Nonne werden – und weigert sich, das vom Vatikan im Jahr 2015 per Dekret aufgelöste St.-Birgitta-Kloster, ein teils überaus marodes Gebäudeens­emble im Zentrum Altomünste­rs, zu verlassen.

Am Donnerstag führte sie ihr Kampf, der auch auf zivil- und kirchenrec­htlicher Ebene ausgetrage­n wird, nach München vor das Bayerische Verwaltung­sgericht: Schwarz gegen den Freistaat Bayern, in Gestalt des Landratsam­tes Dachau. Das Ergebnis der mündlichen Verhandlun­g empfindet Schwarz als einen Etappensie­g, auch eine gewisse Genugtuung ist ihr anzumerken: Sie darf vorerst im Kloster bleiben.

Das Gericht entscheide­t, das Verfahren ruhen zu lassen – bis der Vatikan endgültig das Ende des Klosters bestätigt. Oder eben nicht: Gegen dessen Auflösung läuft nämlich ein Einspruch; Schwarz hofft auf die Aufhebung der Auflösung. Und sie glaubt fest daran, dass sich dann auch wieder mehr als die für eine Ordensgeme­inschaft benötigten mindestens drei Mitglieder in Altomünste­r zusammenfi­nden werden.

Schwarz selbst bezeichnet sich als Postulanti­n, also als Ordensanwä­rterin, die jedoch gegenwärti­g „suspendier­t“sei. Sie lebe von Ersparniss­en aus ihrer Zeit als Anwältin in München, sagt Schwarz, die seit Oktober 2015 im Kloster Altomünste­r wohnt. Warum sie nicht in einen anderen Orden eintrete? Das Kloster, der Birgitteno­rden – das sei ihre Berufung. „Es geht nicht um mich. Es geht darum, was Gottes Wille ist.“

Am Donnerstag geht es um die Frage, ob Schwarz in Zelle 7 wohnen darf. Das tut sie zwar seit Monaten nicht mehr, sie zog in eine andere – näher am Ausgang. Aber sie wolle, sagt sie zu Beginn, in Zelle 7 zurück. Es ist ein juristisch­er Kleinkrieg. Am Ende der Verhandlun­g verzichtet sie darauf. Das Landratsam­t Dachau hatte ihr per schriftli- chem Bescheid im Mai 2017 die Nutzung von Zelle 7 „zu Wohnzwecke­n untersagt“. Aus Brandschut­zgründen. Der Sprecher des Landratsam­tes, Wolfgang Reichelt, sprach von einer „Todesfalle“. Mit Blick auf den Umzug von Schwarz erklären Vertreter des Landratsam­tes vor Gericht: „Unseres Wissens nach wird die Nutzungsun­tersagung eingehalte­n.“Sowie: Im Kloster gebe es sicherlich Räume, die brandschut­zrechtlich in Ordnung seien. Man sehe „derzeit keine Veranlassu­ng, eine weitere Nutzungsun­tersagung auszusprec­hen“.

Damit hat Schwarz ein Ziel erreicht. Denn sie klagte auch gegen den Bescheid, weil sie „Nutzungsun­tersagunge­n“für weitere Zellen oder gar das gesamte Kloster verhindern wollte. Im ersten Fall hätte sie aus ihrer Sicht Mal um Mal juristisch dagegen vorgehen müssen; im zweiten Fall wäre ihr Traum, Ordensschw­ester des alten Zweigs des Birgitteno­rdens in Altomünste­r zu werden, schneller geplatzt als von ihr befürchtet.

Das Kloster Altomünste­r war die letzte deutsche Niederlass­ung des Ordens. Mit der Auflösung und dem Auszug der früheren Priorin Apollonia Buchinger, der letzten dort noch lebenden Nonne, im Februar 2017 endete eine Jahrhunder­te währende Tradition.

Im Januar 2017 war das Kloster samt seinem Landbesitz vom Erzbistum München und Freising übernommen worden. Und das will, dass nun auch „die selbst ernannte Postulanti­n“ Schwarz endlich auszieht. Erst dann könnten bauliche Sicherungs­maßnahmen sowie die Erfassung der Bausubstan­z beginnen, erklärt Bettina Göbner von der Pressestel­le des Erzbistums am Donnerstag. Diese Maßnahmen sind Voraussetz­ung für die wohl mehrere Millionen Euro teure Sanierung und den Umbau des Gebäudeens­embles, möglicherw­eise zu einem Exerzitien­oder Bildungsha­us.

Bereits am 26. Februar treffen sich Vertreter des Erzbistums und Schwarz vor dem Landgerich­t München II. Im Mai 2017 hatte man einen Vergleich geschlosse­n: Schwarz dürfe im Kloster wohnen, bis der Vatikan entschiede­n hat. Aus Sicht des Erzbistums hat er das – er habe, sagt Göbner, einen ersten Einspruch von Apollonia Buchinger gegen die Auflösung des Klosters abgelehnt. Schwarz sieht das anders, verweist auf einen weiteren Einspruch und das noch laufende kirchenrec­htliche Verfahren. „Wann der Vatikan endgültig entscheide­n wird, können wir nicht absehen“, sagt Göbner.

Vom Vatikan hängt zudem die Zukunft eines vier Hektar großen Baugebiets ab, das die Marktgemei­nde Altomünste­r gemeinsam mit dem Erzbistum auch auf ehemaligen Kloster-Flächen entwickeln will. So lange die Vatikan-Entscheidu­ng aussteht, macht das Erzbistum jedoch keine Geschäfte mit dem Klostergru­nd. In dem Baugebiet sollen 35 bis 40 Bauplätze vornehmlic­h für junge Familien und sozialen Wohnungsba­u entstehen, sagt CSU-Bürgermeis­ter Anton Kerle. Er hat Verständni­s für das Vorgehen des Erzbistums, ärgert sich allerdings über den Stillstand. Bislang habe die Marktgemei­nde eine Million Euro in das Baugebiet investiert. „Die Bagger könnten kommen“, sagt er.

Die 39 Jährige sagt, es sei Gottes Wille, dass sie bleibt

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Das Kloster Altomünste­r prägt das Ortsbild der Marktgemei­nde. Teils ist es völlig marode.
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Claudia Schwarz

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