Augsburger Allgemeine (Land West)

Es ist wieder passiert

Ein 19-Jähriger erschießt in seiner Ex-Schule 17 Menschen. Die Tat erinnert an frühere Amokläufe. Ein Ermittler fragt, was so viele denken: „Wann werden wir diesen Wahnsinn stoppen?“

- VON THOMAS SPANG CNN

Washington Ihre Stirn markiert ein Aschenkreu­z. Um den Hals der Mutter baumelt an diesem Valentinst­ag eine Silberkett­e mit Herzanhäng­er. Doch ihr Gesicht ist schmerzver­zerrt. Sie tröstet einen schreiende­n Teenager, der sich an sie klammert. Ein Bild, das den ganzen Horror einfängt, der sich kurz vorher an der Marjory Stoneman Douglas High School in der wohlhabend­en Nachbarsch­aft von Parkland in Florida ereignet hatte. Die

24 000-Einwohner-Stadt liegt etwa

50 Kilometer nördlich von Miami, keine Stunde von Donald Trumps Strandvill­a in Mar-a-Lago entfernt. Dort hat ein 19-jähriger Mann, der von der Schule verwiesen worden war, unter den 3000 Schülern und Lehrern ein Blutbad angerichte­t.

17 Menschen kommen ums Leben, zahlreiche weitere werden verletzt. Wer sie sind, welche Namen sie tragen – dazu wird gestern noch nichts bekannt. Als Tatwaffe benutzt der Schütze, wie so oft bei Massenschi­eßereien in den USA, ein Schnellfeu­ergewehr vom Typ

AR-15. Dabei handelt es sich um eine leicht modifizier­te Kriegswaff­e, die für ein paar hundert Dollar im freien Verkauf erhältlich ist. Der mutmaßlich­e Täter versucht, in dem Chaos nach der Schießerei zu entkommen. Nach einer einstündig­en Verfolgung­sjagd kann die Polizei den Schützen ein paar Kilometer weit vom Tatort entfernt festnehmen. Sie findet zahlreiche Magazine zum Nachladen.

Sheriff Scott Israel spricht von einem „schrecklic­hen Tag“für Parkland. Sichtbar von den Ereignisse­n bewegt, erzählt er von seinen eigenen drei Kindern, die an dieser Highschool ihren Abschluss gemacht haben. „Das ist einfach nur katastroph­al. Ich habe keine anderen Worte.“Nach einem Telefonat mit Floridas Gouverneur Rick Scott twitterte US-Präsident Donald Trump seine „Gebete und Anteilnahm­e“für die Betroffene­n. Kein Kind oder Lehrer „sollte sich in einer amerikanis­chen Schule unsicher fühlen“. Die Realität sieht allerdings anders aus. Seit dem schockiere­nden Massaker an der SandyHook-Grundschul­e von Newtown im US-Bundesstaa­t Connecticu­t im Jahr 2012 haben sich an Amerikas Schulen 273 Schießerei­en mit zusammen 121 Toten und sehr viel mehr Verletzten ereignet. Die Angaben basieren auf einer seitdem geführten Statistik des Archivs für Schusswaff­engewalt, das im neuen Jahr bereits sieben Schulschie­ßereien registrier­t hat.

Der Präsident und die meisten Republikan­er folgen der Argumentat­ion der Waffenlobb­y NRA, die Amerikas Schulen aufrüsten will. Dazu gehört nicht nur Sicherheit­spersonal, sondern auch Lehrer, die die Erlaubnis erhielten, Waffen mitzuführe­n. Mit Bezug auf den zweiten Verfassung­szusatz von 1791, der den Amerikaner­n das Recht zuspricht, Waffen zu besitzen und zu tragen, versprach Trump im Wahlkampf, Änderungen kämen mit ihm nicht infrage. Kritiker wie der demokratis­che Senator Chris Murphy halten die Betroffenh­eitsritual­e für heuchleris­ch. Mit bebender Stimme erinnerte er den Präsidente­n und seine Kollegen im Kongress an die Konsequenz­en der Untätigkei­t. „Wir alle sind für diese Tragödien mitverantw­ortlich.“Tatsächlic­h spricht nach Ansicht von Experten rechtlich wenig gegen eine Ausgestalt­ung des Verfassung­szusatzes in einem Land, in dem es mehr Waffen in Privatbesi­tz als Einwohner gibt. So könnte etwa der problemlos­e Erwerb von Kriegsgerä­t durch vorbestraf­te oder mental kranke Personen auf Waffenscha­uen oder im Internet eingeschrä­nkt werden.

Der langjährig­e FBI-Ermittler Philip Mudd, der als Analyst für

arbeitet, brach bei der Bewertung des Massakers an der Highschool vor laufender Kamera in Tränen aus. „Es geht nicht“, brach er das Gespräch mit Moderator Wolf Blitzer ab. Und ließ die Zuschauer mit einer Frage zurück, die sich an diesem Tag viele Menschen stellten: „Wann werden wir endlich diesen Wahnsinn stoppen?“

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Foto: Joel Auerbach, ap, dpa Dieses Bild zeigt die ganze Tragödie, die sich am Valentinst­ag in der 24 000 Einwoh ner Stadt Parkland ereignet hat.

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