Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Tag der Eis Oma

Gewinnt Claudia Pechstein heute bei ihrer siebten Olympia-Teilnahme über 5000 Meter noch einmal eine Medaille? Ein Feindbild könnte der fast 46-Jährigen helfen

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Gangneung Für ihren Coach Peter Mueller ist Claudia Pechstein einfach nur „ein Wunder“, auch ihre einstigen Erzrivalin­nen trauen der besten deutschen Eisschnell­läuferin selbst mit fast 46 Jahren noch eine Medaille zu. Am heutigen Freitag (ab 12 Uhr) soll sich über 5000 Meter der Traum der besten deutschen Winter-Olympionik­in erfüllen. „Diese Frau ist einfach unglaublic­h“, schwärmt Mueller.

Der langmähnig­e Amerikaner – Olympiasie­ger 1976 über 1000 Meter – kennt sie genau. Täglich steht er an der Bahn, wenn die „EisOma“ihre Kreise zieht. „Vier schnelle Runden – das reicht. Sie ist gut drauf“, sagte er nach dem letzten intensiven Training vor dem Tag X, auf den Claudia Pechstein vier Jahre lang hintrainie­rt hat. Und Mueller muss es wissen.

Viele Stars wie Bonnie Blair und Dan Jansen aus den USA hat er trainiert, mit der Olympiazwe­iten Leah Poulus und Olympiasie­gerin Marianne Timmer aus Holland war er sogar ein paar Jahre verheirate­t. Jetzt gilt sein Fokus seit zwei Jahren allein Pechstein. „Ich bin nicht immer einfach und mache auch mal Krach“, gibt er zu. Und der 63 Jahre alte Freak aus Wisconsin kennt auch Pechsteins kleine Geheimniss­e. „Wenn sie richtig angefresse­n ist, bringt sie ihre besten Leistungen“, verrät er.

Insofern hofft er, dass Weltverban­ds-Präsident Jan Dijkema in der entscheide­nden Stunde auf der Tribüne sitzt. Der Niederländ­er ist für Pechstein das personalis­ierte „Feindbild“, wie sie stets betont. „Das Foto, wenn er mich bei der Siegerehru­ng küssen müsste, wäre in Holland in allen Zeitungen“, meint Pechstein unter Hinweis darauf, dass Dijkema ihre Sperre zwischen 2009 und 2011 zu verantwort­en habe. Sie war ohne positiven Dopingtest wegen eines erhöhten Blutwertes gesperrt worden und wehrt sich seit Jahren vehement auf allen Ebenen dagegen. Inzwischen ist eine vom Vater geerbte Blutanomal­ie laut medizinisc­hem Gutachten der Grund ihrer Werte. Vom DOSB ist sie daher längst rehabiliti­ert.

30 Stunden vor dem so wichtigen Wettkampf absolviert­e Pechstein gestern ganze neun Minuten auf dem Eis, nahm zweimal einen Schluck aus der Flasche und sch- wang sich danach gleich wieder auf das Ergometer. Nur keine Ablenkung vom klar umrissenen Ziel: „Ich hoffe, das Rennen tut allen so richtig weh. Ich habe einen Plan. Und wenn ich den umsetze, habe ich die Medaille“, sagt sie. „Claudias Leistungen in diesem Alter sind einfach unfassbar“, meint Gunda NiemannSti­rnemann. „Ich würde ihr die Medaille von ganzem Herzen gönnen“, sagte sie, obwohl es zu aktiven Zeiten so manchen Knatsch zwischen beiden gab. „Rivalinnen können nicht beste Freunde sein. Aber unser Verhältnis war immer von Respekt geprägt“, erklärt die dreimalige Olympiasie­gerin.

Als erste Sportlerin erlebt Pechstein ihre siebten Spiele. Nur Skispringe­r Noriaki Kasai liegt mit seiner achten Teilnahme vor ihr. Sollte sie in ihrem 17. Olympia-Rennen – auch das ist natürlich Rekord – tatsächlic­h das Podest besteigen, wäre sie die erste Athletin, die bei sechs Spielen eine Medaille gewinnt. Zudem würde sie Eiskunstlä­uferin Ethel Muckelt nach 94 Jahren als älteste Medailleng­ewinnerin bei Winterspie­len in einer Einzel-Disziplin ablösen. Die Britin war beim Gewinn von Bronze 1924 in Chamonix 38 Jahre und 243 Tage alt.

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Foto: doa Claudia Pechstein wird nächsten Donnerstag 46 Jahre alt.

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