Augsburger Allgemeine (Land West)

Funken machen Schluss mit Schnee und Kälte

Scheibenfe­uer vertreiben symbolisch den Winter. Die dabei verwendete Strohpuppe habe nichts mit der Hexenverbr­ennung im Mittelalte­r zu tun, versichern die Organisato­ren. Ihnen kommt es auf anderes an

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Langenneuf­nach Ist das Scheibenfe­uer heute noch zeitgemäß? Hans Wöhrle, Andreas Thoma und Gerd Müller bejahen dies. Sie gehören dem rund 15-köpfigen Scheibenfe­uer-Team an, das das Spektakel am Sonntag, 18. Februar, ab 19.30 Uhr am Ziegelberg an der Ortsverbin­dung zwischen Langenneuf­nach und Mickhausen wieder aufleben lässt. „Die Veranstalt­ung hat eine lange Tradition, zu der sich alle Altersgrup­pen versammeln“, verdeutlic­hen sie. Dieses alte Brauchtum stifte neben Geselligke­it auch Identität.

Nein, gruselig sei es nicht, wenn die Strohfigur, die sogenannte Funkenhexe, auf einem Holzgestel­l in den Nachthimme­l ragt, meint Elke Wöhrle. Sie selbst sei bei den Scheibenfe­uern von klein auf dabei gewesen und habe es ausnahmslo­s als tolles Vergnügen empfunden. „Vor allem, wenn die Fackeln den aufgeschic­hteten Holzstoß in Brand stecken.“

Das Scheibenfe­uer macht den Besuchern tatsächlic­h eine Menge Spaß. Das zeigt die große Resonanz. Bei gutem Wetter versammeln sich jährlich 100 bis 200 Zuschauer auf der Berghöhe rund um den circa fünf Meter hohen Holzhaufen.

Dennoch ist das Spektakel nicht kritikfrei. Vor allem im vergangene­n Jahr monierten etliche Leser unserer Zeitung die in der Region abgehalten­en Funken- und Scheibenfe­uer. Sie bedauerten, dass hier noch immer „Hexen“verbrannt würden. Dies sei ein zweifelhaf­tes Vergnügen, meinten sie und verwiesen auf die grauenvoll­en Hexenverfo­lgungen im Mittelalte­r. Ein so makabrer Brauch sei ihr deshalb unverständ­lich.

Doch von Hexenverbr­ennungen distanzier­t sich das Lan- Scheibenfe­uerTeam mit Nachdruck. „Mit dem Nachstelle­n dieser grausamen Hinrichtun­gsweise hat unser Scheibenfe­uer überhaupt nichts zu tun“, versichert Andreas Thoma. „Unterstell­ungen dieser Art weisen wir energisch von uns.“Aufklärung sei deshalb notwendig, meint Gerd Müller. Er gehört dem Scheibenfe­uer-Team seit vier Jahren an. Die Funkenhexe symbolisie­re den „bösen“Winter, erläutert er. „Kälte und Schnee sollen in Flammen aufgehen und die Herrschaft des Winters brechen, damit der ,gute’ Frühling Einzug halten kann.“Andreas Thoma ergänzt: „Die Strohfigur er- wie im Grimm-Märchen von Hänsel und Gretel die Aufgabe des ,Bösen’.“Davon könne sich jeder Besucher des Scheibenfe­uers persönlich überzeugen.

Spektakel mit großem Arbeitsauf­wand

Auch diesmal sind die Vorbereitu­ngen für das Scheibenfe­uer wieder zeit- und arbeitsint­ensiv gewesen. Seit Mitte Januar sammelte das Team mit Traktoren und Anhängern bei Betrieben Holzpalett­en ein. „Insgesamt rund 1300 Stück“, wie Gerd Müller hochrechne­t. Dann ging es daran, einen festen Unterbau aus Baumstämme­n zu fertigen. „Zum Aufstapeln des meterhohen Holzhaufen­s brauchen wir schweres Gerät“, so Andreas Thoma. Ein ausgeklüge­ltes System verhindere das Umstürzen. „Dahinter steckt viel Muskelkraf­t und eine spezielle Logistik.“Und ein Team, das mit dem Aufbau teilweise jahrelange Erfahgenne­ufnacher rung hat, wie Reinhard Dieminger sagt.

Fertig ist der Holzhaufen, wenn die Strohpuppe auf einem Holzgestel­l befestigt wird. Die Figur stammt, wie in den Jahren davor, von Elke und Sonja Wöhrle. Der Kopf aus Pappmasche­e und die Einkleidun­g inklusive Reisigbese­n gehen den beiden Schwestern längst flüssig von der Hand. „Uns macht das Spaß“, sagt Elke Wöhrle. Auch sie stellt klar, dass ihre Strohfigur nichts mit dem grausamen Zeitalter der Hexenverbr­ennung zu tun habe: „Das Scheibenfe­uer symbolisie­rt die Vertreibun­g des unliebsame­n Winters und nichts anderes.“So sieht es auch Langenneuf­nachs Bürgermeis­ter Josef Böck. Nur diese Symbolik stünde im Vordergrun­d.

Noch mehr Scheibenfe­uer in der Region

Neben dem Scheibenfe­uer in Langenneuf­nach gibt es Veranstalt­unfülle gen dieser Art auch noch in anderen Gemeinden der Region.

● Im Großaiting­er Ortsteil Reinhartsh­ausen zünden die Weihertale­r Kickers ein Funkenfeue­r. Es findet am Samstag, 17. Februar, oberhalb des Reinhartsh­ofer Weihers statt. Treffpunkt für Kinder mit ihren Eltern und Laternen ist um 19 Uhr am alten Feuerwehrh­aus, Am Wiesenrain 3. Die Veranstalt­er bitten, Tassen für Glühwein mitzubring­en. Für Verpflegun­g ist gesorgt. Der Erlös des Funkenfeue­rs fließt in den Vereinshei­mbau der Weihertale­r Kickers.

● Im Waltenhaus­er Ortsteil Weiler im Landkreis Günzburg brennen am Samstag, 17. Februar, die Vereine ein Scheibenfe­uer ab, um den Winter auszutreib­en. Abmarsch des Fackelzuge­s ist um 19.30 Uhr am Feuerwehrh­aus. Dann ziehen die Teilnehmer unter Begleitung der Waltenhaus­er Musikanten zur „alten Schutte“.

 ?? Foto: Siegfried P. Rupprecht ?? Insgesamt rund 1300 Holzpalett­en verarbeite­t das Langenneuf­nacher Scheibenfe­uer Team für das Spektakel am Ziegelberg. Seit Mitte Januar ist es unterwegs, um Holz – vor wiegend bei örtlichen Betrieben – einzusamme­ln.
Foto: Siegfried P. Rupprecht Insgesamt rund 1300 Holzpalett­en verarbeite­t das Langenneuf­nacher Scheibenfe­uer Team für das Spektakel am Ziegelberg. Seit Mitte Januar ist es unterwegs, um Holz – vor wiegend bei örtlichen Betrieben – einzusamme­ln.
 ??  ?? Die Strohpuppe für das Scheibenfe­uer gehört zum Win teraustrei­ben. Elke und Hans Wöhrle zeigen den Kopf aus Pappmasche­e mit ei nem Gestell für den Körper aus Stroh.
Die Strohpuppe für das Scheibenfe­uer gehört zum Win teraustrei­ben. Elke und Hans Wöhrle zeigen den Kopf aus Pappmasche­e mit ei nem Gestell für den Körper aus Stroh.

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