Augsburger Allgemeine (Land West)

Minister Gerd Müller: Kämpfe um meinen Job

- Focus Warum glauben Sie, dass sich die SPD nur in der Opposition erneuern kann,

Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) möchte in einer neuen Großen Koalition sein Amt behalten. „Ich kämpfe um den Job“, sagte Müller am Rande der Münchner Sicherheit­skonferenz. Erfahrung und Vertrauen seien in dem Amt ausgesproc­hen wichtig. „Vor vier Jahren war ich hier noch nicht so bekannt, aber jetzt treffe ich an jeder Ecke Afrikaner, die auf mich zukommen, die man kennt.“Dem Magazin sagte Müller, er sei guter Dinge, dass CSU-Chef Seehofer sich dazu entscheide, ihn im Amt zu lassen. Müller sprach sich zudem dafür aus, dass Sigmar Gabriel Außenminis­ter bleibt.

Herr Kühnert, als Juso-Chef reisen Sie mit Ihrer „No-GroKo-Tour“durchs Land, mit dem Ziel, dass die SPD-Mitglieder Anfang März gegen die Große Koalition stimmen. Welche Stimmung erleben Sie an der Basis?

Kevin Kühnert: Ich sehe eine riesige Diskussion­sfreude, wie ich sie in der SPD selten erlebt habe. Das allein macht schon Mut. Eine Partei, die sich abgeschrie­ben hätte oder die niemand mehr braucht, der würden sie nicht zu Hunderten die Türen einrennen. Die Stimmung an der Basis ist schwer einzuschät­zen. Ich erlebe völlig unterschie­dliche Meinungen. Von komplett dafür bis komplett dagegen ist alles dabei.

Was heißt das für den Mitglieder­entscheid Anfang März?

Kühnert: Wir haben auf dem Parteitag in Bonn gesehen, wie knapp so etwas ausgehen kann. Ich glaube, momentan kann sich noch niemand auf eine Prognose festlegen. Das gilt auch für mich. Aber ich habe noch niemanden in der SPD-Spitze getroffen, der sich zutraut, zu sagen, dass sie den Mitglieder­entscheid auf jeden Fall gewinnen werden.

Warum liefert die SPD ständig ein Bild, das auf die Öffentlich­keit selbstzers­törerisch wirkt?

Kühnert: Wir sind seit Wochen darauf vorbereite­t worden, dass ein Koalitions­vertrag kommt, den wir uns inhaltlich anschauen sollen. Kaum war der da, ging es plötzlich nur noch um Personal. Wer macht den Parteivors­itz? Wer geht in die Ministerie­n? Was wird aus Sigmar Gabriel? Das war genau das, was wir Jusos nicht wollen. Wir fordern einen neuen politische­n Stil, der demütiger sein muss und auch mal klar signalisie­rt: Wir nehmen uns und unsere persönlich­en Interessen der Sache wegen einmal zurück.

Aber viele Bürger zeigen in Umfragen wenig Verständni­s, dass die SPD ausgerechn­et ihren populärste­n Minister Sigmar Gabriel aus dem Amt entfernen will. Sind Sie dafür oder dagegen, dass Gabriel Außenminis­ter bleibt?

Kühnert: Wir wollen, dass die SPD im nächsten Kabinett nicht mit am Tisch sitzt. Insofern sehe ich die Aufgabe von Sigmar Gabriel darin, dass er als Bundestags­abgeordnet­er Opposition­sarbeit gegenüber einer unionsgefü­hrten Regierung macht. Ich würde Sigmar Gabriel zumindest unter dem Aspekt des politische­n Stils sagen, was er in den vergangene­n Tagen gemacht hat, war ein Beispiel für die Art politische Kommunikat­ion, die wir in Zukunft nicht mehr brauchen.

Viele sagen, dass der Koalitions­vertrag eine sozialdemo­kratische Handschrif­t trage. Haben Sie kurz darüber nachgedach­t, Ihre Ablehnung zu überdenken, als das Papier vorgelegt wurde?

Kühnert: Natürlich habe ich mir das Papier gründlich durchgeles­en und noch einmal bewertet. Ich bin aber zu keiner anderen Einschätzu­ng gekommen. Politik macht man nicht mit Handschrif­ten und Überschrif­ten. Man muss dieses Papier vor allem danach bewerten, wie die Politik konkret aussehen wird. Die Erfahrung der letzten Koalition war: Auf allgemeine Ziele konnte man sich immer schnell verständig­en. Sobald es konkret werden sollte, wurde es sehr schnell diffus und plötzlich wurden getroffene Verabredun­gen infrage gestellt.

Das bedeutet, es war Ihnen egal, was im Koalitions­vertrag steht?

Kühnert: Nein. Es geht nicht darum, dass es egal ist. Um viele Zukunftsfr­agen, die für uns Juso wichtig sind, macht der Koalitions­vertrag einen großen Bogen. Aber unsere Kritik an einer Großen Koalition bewegt sich auch auf einer grundsätzl­ichen Ebene. Es geht zum Beispiel um Verlässlic­hkeit, Vertrauen und politische Unterschei­dbarkeit.

das, Sie halten die Union für generell unzuverläs­sig?

Kühnert: CDU und CSU haben mehrfach gezeigt, dass sich die SPD nicht auf sie verlassen kann. Da gibt es eine lange Liste mit mehr als einem Dutzend Punkten aus dem letzten Koalitions­vertrag: Rückkehrre­cht zur Vollzeit und Solidarren­te zum Beispiel. Die standen im Vertrag und sind am Ende von der Union blockiert worden. Nun stehen sie wieder drin. Ich weiß nicht, wie lange wir das Spiel noch machen wollen. Die Union versucht noch nicht mal den Eindruck zu erwecken, etwas zu verändern. Ich erinnere nur mal an den CSU-Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt und seine eigenmächt­ige Entscheidu­ng zum Glyphosat. Auf so einer Grundlage können wir nicht ernsthaft zusammenar­beiten.

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Foto: Mang, Imago Juso Chef Kevin Kühnert zeigt sich „fassungslo­s“darüber, dass die SPD einzig über Personaldi­skussionen wahrgenomm­en werde.

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