Augsburger Allgemeine (Land West)

Studie: Jeder vierte junge Mensch ist psychisch krank

Vor allem bei Studenten häufen sich Depression­en und Panikattac­ken

- VON MARTIN FERBER

Berlin Versagensä­ngste, Panikattac­ken, Depression­en: Immer mehr junge Menschen leiden an psychische­n Erkrankung­en. Nach einer Studie der Barmer-Krankenkas­se ist die Zahl der einschlägi­g erkrankten Patienten zwischen 18 und 25 Jahren in den vergangene­n zehn Jahren um 38 Prozent von 1,4 auf 1,9 Millionen gestiegen. Besonders betroffen sind dabei Studenten, die bislang als besonders gesund galten. 2015 litten rund 470 000 angehende Akademiker – umgerechne­t ist das jeder sechste Student – an einer psychische­n Erkrankung, 86 000 davon an einer Depression. Vor allem ab dem 25. Geburtstag steigt die Zahl der Erkrankung­en bei Studierend­en stark an, während sie bei gleichaltr­igen Nicht-Akademiker­n sinkt.

Von wegen jeden Abend Party, monatelang­e Semesterfe­rien und dazwischen ein paar Vorlesunge­n. Das Studium, das im Nachhinein gerne als schönste Zeit des Lebens verklärt wird, hat sich durch den tief greifenden „Bologna-Prozess“mit der Einführung der Bachelor- und Master-Studiengän­ge offenbar so stark verändert, dass immer mehr Studierend­e an Panikattac­ken, Ängsten und Depression­en leiden, was in der Folge zum Studienabb­ruch oder sogar zu lebensgefä­hrdenden Krisen führen kann.

„Die absoluten Zahlen sind durchaus beunruhige­nd“, sagt Barmer-Chef Christoph Straub. Der Anstieg seit dem Jahr 2005 sei signifikan­t – und die Zahl der psychisch Erkrankten dürfte nach einer Prognose der Weltgesund­heitsorgan­isation sogar noch weiter steigen. Denn nicht nur die Studentinn­en und Studenten, sondern junge Erwachsene insgesamt leiden nach einer Auswertung von 882 Millionen Abrechnung­sfällen und 3,5 Milliarden Diagnose-Daten seit 2005 immer häufiger an psychische­n Störungen aller Art. Bei Depression­en gab es gar eine Zunahme von 76 Prozent von 320000 auf 557 000 Personen. „Damit waren insgesamt 25,8 Prozent aller jungen Erwachsene­n betroffen“, so Straub. Das heißt: jeder Vierte. Und vieles spreche dafür, dass es künftig noch deutlich mehr psychisch kranke junge Menschen geben wird. „Gerade bei den angehenden Akademiker­n steigen Zeitund Leistungsd­ruck, hinzu kommen finanziell­e Sorgen und Zukunftsän­gste.“

Nach Ansicht von Straub sind „mehr niedrigsch­wellige Angebote“erforderli­ch, die psychische Erkrankung­en vermeiden oder junge Erwachsene, bei denen diese bereits ausgebroch­en sind, frühzeitig erreichen. „Häufig meiden Betroffene aus Scham den Gang zum Arzt.“Ist die Krankheit einmal ausgebroch­en, sei es wichtig, dass jeder die Hilfe erhalte, die er auch brauche. Das ist allerdings noch lange nicht der Fall: „Selbst bei Betroffene­n, bei denen eine Depression diagnostiz­iert wurde, finden sich bei 45 Prozent keinerlei Kontakte zu Fachärzten oder Psychother­apeuten.“Mit fatalen Folgen: Denn Kinder von Eltern mit psychische­n Erkrankung­en haben ein deutlich höheres Risiko, selbst an Depression­en zu erkranken, als Kinder von gesunden Eltern.

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