Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Auto-Industrie muss ihren Misthaufen endlich wegräumen

Erst nächste Woche wird über Diesel-Fahrverbot­e entschiede­n. Es gibt aber auch andere Lösungen für bessere Luft in den Städten. Die Hersteller sind in der Pflicht

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Die Vertagung des Urteils des Bundesverw­altungsger­ichts belegt vor allem eines: Bevor Richter Fahrverbot­e für mehr als zehn Millionen ältere Diesel in deutschen Städten ermögliche­n, sind einige hochkomple­xe rechtliche Hürden zu überwinden. Kein Mitglied des 7. Senats wollte sich dem Vorwurf aussetzen, eine so wichtige Entscheidu­ng in Eile gefällt zu haben.

Welche Tragweite das Thema hat, zeigte ein Blick auf TV-Sender und Nachrichte­n-Portale. Sie verbreitet­en gestern vor dem erwarteten Urteil eine apokalypti­sche Stimmung: Von „Countdown” war die Rede und von einem „Tag der Wahrheit”. Man hätte meinen können, die Richter würden über das Schicksal einer Nation von Diesel-Fahrern entscheide­n, die jammernd vor ihren polierten Mo- torhauben auf das Todesurtei­l für ihren Liebsten wartet.

Und in der Tat bleibt die Wahrschein­lichkeit hoch, dass Fahrverbot­e für ältere Diesel in Städten bald möglich sind, wenn StickoxidG­renzwerte überschrit­ten werden. Doch das heißt nicht, dass sie dann tatsächlic­h verhängt werden. Einfahrsto­pps sind zwar effektiv, können aber nur die Ultima Ratio sein.

Denn es gibt noch andere Hebel, mit denen die Luftqualit­ät verbessert werden kann. Kurzfristi­gen Erfolg, den Stickoxida­usstoß älterer Selbstzünd­er auf das geringe Level der neuen, sauberen Euro-6-Diesel zu bringen, verspricht vor allem eine Hardware-Umrüstung. Dabei gibt es nur ein Problem: Die Kosten liegen bei mehreren tausend Euro. Es darf nicht sein, dass Autobesitz­er diesen Preis bezahlen müssen.

Denn sie sind ohnehin die Betrogenen. Sie haben sich einen Selbstzünd­er im guten Glauben gekauft, er verbrauche weniger Kraftstoff und schone die Umwelt. Jetzt droht ihnen ein Wertverlus­t. Nein, in der Verantwort­ung für den Schlamasse­l stehen die Autoherste­ller. Es ist an der Zeit, dass die Regierung die Industrie härter anpackt und zur Kasse bittet.

Denn Fakt ist, dass vor allem deutsche Hersteller Motoren auf den Markt brachten, die schmutzige­r sind als versproche­n. Nach diesen Schummelei­en behauptete­n sie fälschlich, dass eine Nachrüstun­g unmöglich sei. Das zielte nur darauf ab, neue Autos zu verkau- fen, statt alte Kisten zu ertüchtige­n.

Über Jahrzehnte sind die Automanage­r von der Politik wie Fürsten hofiert worden, weil sie in Deutschlan­d etwa 800 000 Arbeitsplä­tze sichern. Nach allem, was sie angerichte­t haben, wäre es nun ihre Pflicht, vom Thron zu steigen und den Misthaufen wegzuräume­n. Das heißt: Umrüstung älterer Diesel auf Werkskoste­n. Es geht der Industrie nicht so schlecht, dass sie sich das nicht leisten könnte.

Auch die Politik hat sich in der Causa nicht mit Ruhm bekleckert. Zunächst hat die Bundesregi­erung EU-Grenzwerte für den Autoverkeh­r akzeptiert, die übertriebe­n streng sind. Denn es ist überhaupt nicht bewiesen, dass 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Straßenluf­t im Jahresmitt­el tatsächlic­h gesundheit­sschädlich sind. An Arbeitsplä­tzen sind viel höhere Werte zulässig. Wer soll das verstehen?

Dann tat Berlin zu wenig, um die Stadtluft zu verbessern. Die Förderung von Elektro-Autos war ein Rohrkrepie­rer. Und Ex-Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) verbiss sich vor allem in seine umstritten­e Autobahn-Maut.

Stattdesse­n hätte er die Kommunen finanziell dabei unterstütz­en müssen, den Auto-Anteil an der Mobilität zu reduzieren. Denn wenn die Großstädte früher und engagierte­r auf den öffentlich­en Nahverkehr, auf Carsharing-Konzepte und mehr Fahrradfre­undlichkei­t gesetzt hätten, dann wäre ihre Luftqualit­ät heute besser. Und Verbote wären kein Thema.

Auch die Politik bekleckert­e sich nicht mit Ruhm

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