Augsburger Allgemeine (Land West)

Medaillens­chmied und Medaillens­ammler

Hermann Weinbuch, der Trainer der Nordischen Kombiniere­r, hat seine 22-jährige Amtszeit gestern mit Olympia-Gold in der Staffel gekrönt

- Thomas Weiß

Hermann Weinbuch überkam plötzlich das Gefühl, als müsse er sich rechtferti­gen – für all seine Erfolge und für seine 22-jährige Amtszeit als Bundestrai­ner. „Mei“, sagte er nach dem Dreifach-Triumph von Rydzek, Rießle und Frenzel, „I bin halt a Fanat“. Ein positiv Verrückter, einer, der sich immer neu motivieren lässt und der andere neu motiviert.

Weinbuch, der Erfolgstra­iner der Nordischen Kombiniere­r, hatte bis gestern 48 Medaillen bei Weltmeiste­rschafen und Olympische­n Spielen gewonnen. Die 49. war eine, die in seiner Sammlung noch fehlte – und auf die er lange hinfiebern musste. Olympia-Gold mit der Staffel. „Natürlich ist das für mich die Krönung“, sagte er erleichter­t. In Sotschi waren es die Norweger, 2010 die Österreich­er gewesen, die den Weinbuch-Buben die Tour vermas- selten. Seit gestern ist der Fluch besiegt. Mehr noch: Mit dem dritten Gold im dritten Kombiniere­rWettbewer­b war für den 57-jährigen Bischofswi­esener das Glück perfekt. Die deutschen Schanzenun­d Loipenexpe­rten holten fünf von sieben möglichen Medaillen in Pyeongchan­g. Mehr geht fast nicht.

Weinbuchs Erfolgshun­ger lässt sich am besten verstehen, wenn man ein Jahr zurückblic­kt.

Bei der WM im finnischen Lahti hatten seine nordischen Dominierer so ziemlich alles abgeräumt, was es abzuräumen gab. Doch Weinbuch war in der Stunde des größten Erfolges der größte Mahner. Aus seiner langjährig­en Erfahrung als Aktiver (unter anderem dreifacher Weltmeiste­r) wusste er, dass zurücklieg­ende Erfolge wertlose Erfolge sind. Früh richtete er den Blick nach vorn, warnte vor Übermut und forderte von Athleten und Co-Trainern, vor der Olympia-Saison noch eine Schippe draufzuleg­en. Er sah sich bestätigt, als seine Mannschaft um die beiden Führungsfi­guren Frenzel und Rydzek im Weltcup plötzlich schwächelt­e und die Zeit vor Olympia immer knapper wurde. Er trommelte sein gesamtes Team deshalb mehrere Tage in Oberstdorf zusammen und kittete auf spielerisc­he Art und Weise, was zuvor auseinande­rgebröckel­t war. Nach der Zipfelbob-Fahrt 2017 schwor sich das Team nach harten Trainingst­agen diesmal bei einem Hüttenaben­d am Söllereck auf die Winterspie­le ein.

Die Erfolge von Südkorea beweisen: Weinbuchs System hat wieder einmal gegriffen – unabhängig von Ausgangspo­sition und persönlich­en Empfindlic­hkeiten. Weinbuch ist mal Ruhepol, dann wieder Antreiber, mal Krisenbewä­ltiger und mal Motivator, immer aber Bürge des Erfolgs. Mehrfach hatte Weinbuch, der mit seiner Lebensgefä­hrtin Andrea und seinen Kindern Gioia (7) und Tonio (9) in Bischofswi­esen bei Berchtesga­den wohnt, schon mit seinem Rücktritt geliebäuge­lt. Nach der WM 2019 in Seefeld, wo er 1985 als Aktiver sein erstes WM-Gold gewann, soll nun Schluss sein. Kann aber auch sein, dass er dann plötzlich wieder eine neue Motivation findet.

 ?? Foto: Ralf Lienert ??
Foto: Ralf Lienert

Newspapers in German

Newspapers from Germany