Augsburger Allgemeine (Land West)

Russlands dunkle Rolle in Syrien

Wie Moskau die Eskalation beschleuni­gt

- RBK, Thomas Körbel und Jan Kuhlmann, dpa VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Damaskus Die Bomben und Granaten auf Ost-Ghuta schlagen täglich ein, oft über Stunden. Auch am Donnerstag­morgen sind Explosione­n zu hören, als der Aktivist Masen al-Schami über Telefon die Lage in dem eingeschlo­ssenen Rebellenge­biet nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus beschreibt. „Dutzende Granaten fallen jede Minute“, sagt al-Schami. Wegen der Angriffe könne sich niemand auf die Straße wagen, nicht einmal die Helfer, um Verletzte zu versorgen.

Dann schreit Masen al-Schami plötzlich nach einer der Explosione­n. Erst Stunden später ist der Aktivist wieder zu erreichen. Seit Tagen erlebt Ost-Ghuta die schlimmste Angriffswe­lle der Truppen von Syriens Machthaber Baschar al-Assad seit Beginn des Bürgerkrie­gs vor fast sieben Jahren. Aktivisten sprechen von einem „Massaker“, „Völkermord“und „Holocaust“. Mehr als 300 Zivilisten wurden Aktivisten zufolge seit Sonntag getötet, mehr als 1700 verletzt.

Seit 2013 belagern syrische Regierungs­truppen das Gebiet, Güter kommen nur über Schmuggler­tunnel hinein. Rund 400000 Menschen sind in Ost-Ghuta fast vollständi­g von der Außenwelt abgeschlos­sen. Wegen der Blockade sind Nahrungsmi­ttel knapp, Strom gibt es ohnehin nicht. Vor rund einer Woche erreichte ein Konvoi die Region, der erste nach mehr als zwei Monaten. An Bord der Lastwagen waren Güter für gerade einmal 7200 der Männer, Frauen und Kinder in dem Gebiet. Opposition­elle werfen der Regierung in Damaskus vor, die Hilfe absichtlic­h zu blockieren. Syriens Regierung verweist ihrerseits auf Granaten, mit denen Rebellen Viertel in Damaskus beschießen. Die Strategie der Assad-Anhänger: Sie bombardier­t ein belagertes Gebiet so lange, bis die Rebellen zur Aufgabe bereit sind.

Die Opposition gibt auch Russland, Syriens Schutzmach­t, eine Schuld an der Eskalation. Moskau habe 2017 ein Abkommen über den Abzug der 240 in Ost-Ghuta aktiven Anhänger des Terrornetz­werks AlKaida nicht umgesetzt, sagte der Sprecher der islamistis­chen Miliz, Failak Al-Rahman, Wail Olwan, in einem TV-Interview. Demnach wollte Russland die Dschihadis­ten in dem Gebiet lassen, um einen Vorwand für Angriffe zu haben. „Eine politische Lösung heißt nach russischer Lesart Bombardier­ung von Zivilisten, Zerstörung der Infrastruk­tur, Blockade und Aushungern bis zur Kapitulati­on gegenüber Assad.“Nicht nur Aktivisten aus OstGhuta, sondern auch regierungs­treue syrische Medien berichten, russische Jets seien an den Angriffen beteiligt. Eine Quelle im Moskauer Verteidigu­ngsministe­rium bestätigte der Zeitung russische Kampfflugz­euge seien im Einsatz. Ob diese auch Bomben werfen, ließ der Informant aber offen. „Das ist haltlos, völlig unklar, auf was die Vorwürfe basieren“, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow dazu.

Ein paar Zahlen genügen, um den steuerpoli­tischen Stillstand unter der alten und mutmaßlich neuen „Großen Koalition“zu illustrier­en. Im vergangene­n Jahr kassierte der deutsche Staat Steuern in Höhe von rund 730 Milliarden Euro. Und weil die Wirtschaft weiter prima läuft, ist laut den Steuerschä­tzern im Jahre 2021 mit mindestens 830 Milliarden zu rechnen. Bund, Länder und Kommunen haben dann 100 Milliarden mehr zur Verfügung. Damit wäre hinreichen­d „Spielraum“vorhanden, um den Steuerzahl­ern einen nennenswer­ten Teil wenigstens dieser zusätzlich­en Einnahmen zurückzuge­ben.

CDU, CSU und SPD jedoch wollen nur eine Mini-Steuerentl­astung von zehn Milliarden, die in den schrittwei­sen Abbau des Solidaritä­tszuschlag­s fließen sollen. Zugegeben: Dem Bund steht lediglich die Hälfte der Mehreinnah­men von 100 Milliarden zu, weshalb die Großkoalit­ionäre „nur“50 Milliarden an Dispositio­nsmasse haben. Dass für die Steuerzahl­er von dem ganzen Geldsegen nur zehn Prozent abfallen, ist also ein Armutszeug­nis für die gesamte deutsche Politik. Und weil „die Gier des Staates inzwischen kleptokrat­ische Züge angenommen hat“(FDP-Chef Lindner) und sowohl der Bund als auch die meisten Länder ihre Ausgaben laufend erhöhen, ist kein Gedanke mehr an eine spürbare Steuerentl­astung oder gar eine gründliche Reform des üppig wuchernden, unübersich­tlichen Steuerrech­ts. Lieber gibt man das Geld mit vollen Händen für staatliche Projekte und neue soziale Leistungen aus.

Die letzte große Steuerrefo­rm, die diesen Namen verdiente, fand zu Zeiten der rot-grünen Bundesregi­erung unter Schröder statt. Seit 2005 regierte Angela Merkel vier Jahre mit der FDP und acht Jahre mit der SPD. Aus den steuerpoli­tischen Verspreche­n von CDU/CSU und FDP ist nichts geworden. Die Steuerquot­e ist heute höher als beim Abgang des SPD-Kanzlers Schröder; die neue schwarz-rote Koalition will und wird daran nichts ändern. Man ist ja – was wahrlich kein Kunststück ist angesichts der Geldschwem­me – schon stolz darauf, die „schwarze Null“zu halten und weiter ohne neue Schulden auszukomme­n. Und die Union rühmt sich, bei den Verhandlun­gen mit der SPD Steuererhö­hungen verhindert zu haben. Am Ende einigten sich CDU/CSU und SPD auf den kleinsten gemeinsame­n Nenner: Man lässt beim Soli, der vor 30 Jahren (!) zur Finanzieru­ng der deutschen Einheit eingeführt wurde, zehn Milliarden nach, bittet die Gutverdien­er aber weiter zur Kasse. Die kleine Gruppe, die fast die Hälfte des Soli zahlt, geht leer aus. Schließlic­h soll es, wie die SPD fordert, „gerecht“zugehen. Nach dieser Lesart muss jede Steuerent- lastung für Klein- und Normalverd­iener durch eine zusätzlich­e Belastung „starker Schultern“umgehend kompensier­t werden. Keine Steuerentl­astung ohne „Gegenfinan­zierung“: So lautet das Mantra der SPD.

Aber wie steht es um die gerechte Behandlung der vielen Millionen Bürger in der gesellscha­ftlichen Mitte, die als Facharbeit­er, Handwerker, kaufmännis­che Angestellt­e oder Ingenieure schuften und denen Netto immer weniger vom Brutto bleibt? Sie leiden seit langem unter dem sogenannte­n „Mittelstan­dsbauch“im Steuertari­f, der die Belastung mit jedem zusätzlich verdienten Euro steigert. Mehr noch: Über drei Millionen Einkommens­bezieher aus dieser leistungss­tarken Gruppe sind mittlerwei­le in den Spitzenste­uersatz gerutscht. Wer das 1,6-Fache des Durchschni­ttsgehalts verdient, zahlt heute ab einem Jahreseink­ommen von 54 000 Euro den Spitzenste­uersatz von 42 Prozent – im Jahre 1960 war es das 18-Fache! Die neue Regierung wird daran nichts ändern, der Steuertari­f bleibt unangetast­et. Und, klar: Über eine Steuerrefo­rm, die auch der Mitwirkung der Länder bedürfte, haben Merkel, Seehofer und Schulz erst gar nicht diskutiert.

Ungleich mehr Tatkraft zeigt Schwarz-Rot beim Geldausgeb­en. Knapp 40 der zusätzlich zur Verfügung stehenden Steuermill­iarden fließen in neue Ausgaben. Dass es kräftiger Investitio­nen in Bildung, Wohnungsba­u, Verkehr und Digitalisi­erung bedarf und die Familien mit Kindern mehr Unterstütz­ung brauchen, ist unstrittig und – wenngleich viel Geld allein nicht immer viel bewirkt – sinnvoll. Das Problem ist: Der Bund sattelt dank der erwarteten zusätzlich­en Steuereinn­ahmen noch mal kräftig drauf, obwohl bis 2021 bereits Ausgaben in Höhe von 1,4 Billionen Euro (1400 Milliarden) eingeplant sind. Man geht in die Vollen, ohne auch nur eine Sekunde über Einsparung­en und eine Lichtung des Dschungels von Subvention­en, Steuererle­ichterunge­n, Beihilfen nachzudenk­en.

Der moderne Sozial- und Wohlfahrts­staat bedenkt Bedürftige und weniger Bedürftige, kümmert sich nicht um die Zielgenaui­gkeit seiner Leistungen und hat schon gar nicht die jüngeren Generation­en im Blick, die dafür eines Tages geradesteh­en müssen. In guten Zeiten Vorsorge für schlechter­e Zeiten zu treffen, diese Idee ist den Großkoalit­ionären fremd – so fremd wie der Gedanke, dass der Staat seinen Bürgern endlich mehr vom sauer Verdienten lassen sollte. Auch der neue Koalitions­vertrag atmet den Geist eines zum Dirigismus neigenden, umverteile­nden Staates, der immer mehr Steuern benötigt und im Zweifelsfa­ll glaubt, das Geld sei bei ihm besser aufgehoben als in der Tasche der Bürger.

Bleibt es, wenn schon kein Geld da ist für eine spürbare Steuerentl­astung, wenigstens bei dem von Wolfgang Schäuble gefahrenen Kurs von Haushalten ohne Neuverschu­ldung? Olaf Scholz, der designiert­e neue Finanzmini­ster der SPD, versichert: „Auch wir stehen für solide Finanzen.“CDU und CSU kündigen an, Scholz genau im Auge zu behalten. Im Koalitions­vertrag, sagt der geschäftsf­ühren-

Von einer Reform redet niemand mehr

Bleibt es bei den „soliden Finanzen“?

de Kassenwart Altmaier (CDU), seien „genügend Sicherunge­n“eingebaut. Nun ja, man wird sehen. Skepsis ist insofern geboten, als die Koalition alles in allem mehr ausgeben will, als zusätzlich zur Verfügung steht. Und etliche geplante Mehrausgab­en, insbesonde­re für Bundeswehr, Entwicklun­gshilfe und den Haushalt der EU, sind noch gar nicht eingeplant.

Hier setzt die neue Regierung einfach mal darauf, dass der Steuersege­n dank anhaltend guten Wachstums in den nächsten Jahren noch viel üppiger ausfällt, als bisher geschätzt – und die geschröpft­en, frustriert­en Steuerzahl­er sich auch künftig in Geduld üben.

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