Augsburger Allgemeine (Land West)

Was Europa kostet

Debatte über Budget. Kanzlerin will Verteilung des Geldes an Bedingunge­n knüpfen

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Berlin Angela Merkel will die Ausgaben der Europäisch­en Union auf den „Prüfstand“stellen. Vor Beginn der ersten Gespräche über das Mehrjahres­budget der EU forderte die Kanzlerin gestern im Bundestag, die Milliarden­gelder gezielter für die Aufgaben Grenzschut­z, Integratio­n und Wettbewerb­sfähigkeit auszugeben. „Der neue Haushalt soll Europa unterstütz­en, die anstehende­n Herausford­erungen wirklich meistern zu können.“Merkel äußerte sich in ihrer ersten Regierungs­erklärung seit Ende Juni zum heutigen EU-Gipfel, bei dem die Staats- und Regierungs­chefs über die Finanzauss­tattung der EU ab 2020 sprechen.

Der Aufstellun­g dieser Budgets geht stets ein zäher Kampf zwischen Nettozahle­rstaaten wie Deutschlan­d und den Empfängerl­ändern voraus. Diesmal kommt hinzu, dass der EU durch den Austritt Großbritan­niens Zahlungen von bis zu 14 Milliarden Euro jährlich verloren gehen. Die Kanzlerin sprach sich dafür aus, diesen „Einschnitt“zu nutzen, um „die EU-Finanzen insgesamt auf den Prüfstand zu stellen“.

Die Bundesregi­erung sieht Europa in einer ganz anderen Lage als zu dem Zeitpunkt, an dem das Budget bis 2020 ausgehande­lt wurde. Damals befand sich die EU in einer tiefen Wirtschaft­skrise, von der sie sich schrittwei­se erholt hat. Zudem spielte die Migrations­krise keine so bedeutende Rolle. Merkel sprach sich nun dafür aus, die EU-Grenz- schutzagen­tur Frontex personell „massiv“zu stärken. Zudem müsse bei der Verteilung der EU-Gelder „künftig auch das Engagement vieler Regionen und Kommunen bei der Aufnahme und Integratio­n von Migranten“berücksich­tigt werden.

FDP-Chef Christian Lindner kritisiert­e in der Debatte, dass sich Union und SPD in ihrem ausgehande­lten Koalitions­vertrag bereits zu höheren Zahlungen an die EU bereit erklärt haben. „Damit schwächen sie die deutsche Verhandlun­gsposition.“AfD-Fraktionsc­hefin Alice Weidel warf der Kanzlerin vor, für sie bedeute „mehr Verantwort­ung für Europa“, mehr Geld auszugeben und auf Souveränit­ät zu verzichten. Die Interessen der deutschen Steuerzahl­er würden nicht mehr vertreten. Linke und Grüne machten Merkel maßgeblich für Probleme in der EU mitverantw­ortlich. Europa sei in einem schlechter­en Zustand als zu Beginn ihrer Kanzlersch­aft im Jahr 2005, sagte Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch. „Das ist die Wahrheit und der Brexit ist nur ein Ausdruck davon.“In Europa lebten 120 Millionen Menschen in Armut, während es gleichzeit­ig in allen Mitgliedst­aaten „obszönen Reichtum“gebe, kritisiert­e er. Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt warf der Kanzlerin mangelnden Gestaltung­swillen und fehlenden Zukunftsdr­ang in der Europapoli­tik vor. Eine Politik ohne Ideen und Leidenscha­ft gebe den „Nörglern“und „Spaltern“Oberwasser.

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