Augsburger Allgemeine (Land West)

Bleibt Tirol schwarz?

Die Wahl in dem traditione­ll von der konservati­ven ÖVP regierten Bundesland Tirol ist ein Testfall für die Wiener Koalition

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Politisch ist Innsbruck von Wien zurzeit Lichtjahre entfernt. Im „Heiligen Land Tirol“regiert der christsozi­ale Patriarch Günther Platter ziemlich harmonisch mit den Grünen. Das Türkis der Liste Kurz ist hier noch nicht angekommen. Die Volksparte­i heißt immer noch ÖVP. Ihre Farbe ist Schwarz.

Wenn am Sonntag gewählt wird, könnte sich die Situation in Tirol jedoch grundlegen­d ändern. Denn die FPÖ drängt auch dort in die Regierung. Der Tiroler FPÖ-Vorsitzend­e Markus Abwerzger setzt alles daran, das Ergebnis der letzten Wahl zu verdoppeln. Er gehört der rechts stehenden Universitä­tssängersc­haft „Skalden“an und setzt auf die Themen Sicherheit und Flüchtling­e. Die antisemiti­schen Vorfälle der FPÖ in Wien könnten allerdings auf die katholisch­e Tiroler Wählerscha­ft abschrecke­nd wirken.

Politikexp­erten sind sich darin einig, dass der nächste Tiroler Landeshaup­tmann wieder Platter heißen wird. Dieser legt sich nicht auf einen künftigen Partner fest. Sein offizielle­s Wahlziel 40 Prozent ist fast Tiefstapel­ei. 2013 fuhr die Tiroler ÖVP das schlechtes­te Ergebnis aller Zeiten ein, 39,35 Prozent. Auch Sozialdemo­kraten und Freiheitli­che Partei mussten damals Federn lassen, die FPÖ rutschte auf 9,4 Prozent; denn 13 verschiede­ne Listen waren gegen die schwarze Übermacht im Land angetreten. 2018 sind davon acht übrig geblieben. Das heißt, dass 18 Prozent der Wählerstim­men neu vergeben werden.

Platter fürchtet zu Recht, dass viele der 540 000 Wahlberech­tigten nicht zur Wahl gehen; denn die Kontrovers­en in Tirol betreffen lange bestehende Interessen­skonflikte: Wie soll der Tourismus der Zukunft aussehen? Welche Naturparks sollen geschützt werden? 47 Millionen Übernachtu­ngen zählt Tirol pro Jahr. Wird es in Zukunft noch mehr Schneekano­nen, Lifte und Zweitwohns­itze geben oder doch neue Arbeitsplä­tze in der Industrie? Die Schattense­ite des Tourismus besteht in hohen Wohnkosten und verstopfte­n Straßen. Platter reagiert darauf mit dem „Transit“-Thema, das Deutschlan­d provoziert und Tirol eint. Durch die Blockabfer­tigung für Lastwagen verschiebt er das Problem nach Bayern und hofft, so Druck für eine Einigung auszuüben.

Denn den Tirolern erscheinen Blockabfer­tigungen, Lkw-Obergrenze­n und eine Korridor-Maut von Kufstein bis Verona geradezu ein Muss, will das Land nicht im Nord-Süd-Transit ersticken. 2,2 Millionen Lkw durchquert­en 2017 die Alpen im Land Tirol und verpestete­n die Luft. Darüber kam es am Ende des Wahlkampfe­s zum Wettstreit zwischen ÖVP und FPÖ. FPÖ-Spitzenkan­didat Abwerzger sei mittlerwei­le Bayerns „engster Verbündete­r“, kritisiert­e ÖVPFraktio­nschef Jakob Wolf. Norbert Hofer als FPÖ-Verkehrs- und Infrastruk­turministe­r falle den Tirolern auch bei den Verhandlun­gen mit Deutschlan­d in den Rücken.

Umfragen prognostiz­ieren der FPÖ Zuwächse. Die entscheide­nde Frage ist jedoch, mit wem Platter regiert, wenn es – anders als in Niederöste­rreich – nicht für eine Alleinregi­erung reicht. Die grüne Vorsitzend­e Ingrid Felipe, die gerade die Wahl im Bund als eine von zwei Spitzenkan­didatinnen krachend verlor, hofft als stellvertr­etende Ministerpr­äsidentin in die Landesregi­erung zurückkehr­en zu können. Sicher ist das nicht; denn für dieses Amt stehen neben Abwerzger auch Sozialdemo­kraten und Neos bereit.

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Foto: dpa Kanzler Sebastian Kurz (links) setzt in Tirol auf Günther Platter.

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