Augsburger Allgemeine (Land West)

An der Börse bewegt sich was

Zum ersten Mal seit langem stehen milliarden­schwere Erstnotize­n an. Es dürften nicht die letzten Börsengäng­e 2018 sein

- Alexander Sturm, dpa

Frankfurt/München Mit Aktien wenig am Hut, schlechte Erfahrung mit Telekom-Papieren und eine traditione­lle Skepsis gegenüber angelsächs­ischem Kapitalism­us – Börsengäng­e rufen bei den Deutschen selten Euphorie hervor. Und auch hiesige Unternehme­n halten sich mit großen Erstnotize­n zurück. Nun aber gibt es Bewegung: Zwei deutsche Großkonzer­ne wollen mit Geschäftst­eilen aufs Börsenpark­ett.

Die Deutsche Bank will eine Minderheit ihrer Fondstocht­er DWS für geschätzt rund zwei Milliarden Euro an die Börse bringen. Und Siemens hat beschlosse­n, einen Teil der Medizintec­hnik-Sparte zu platzieren. Noch im März könnte es so weit sein. Mit sechs bis zehn Milliarden Euro Erlös könnte der Börsengang zum größten seit jenem der Telekom werden, der 1996 beim ersten Schritt umgerechne­t zehn Milliarden Euro einspielte.

Seit jener Zeit, als Telekom, Deutsche Post und Infineon aufs Parkett gingen, dümpelt der deutsche Markt für Börsengäng­e mehr oder weniger vor sich hin. Mit den Plänen von Siemens und DWS schöpfen Fachleute Hoffnung. „Als Eisbrecher könnten die Mega-Emissionen den Weg bereiten für weitere Börsengäng­e in Deutschlan­d“, sagt Martin Steinbach, Kapitalmar­ktexperte bei der Beratungsg­esellschaf­t Ernst & Young.

Die Vorzeichen stehen gut. Mit der Flut billigen Geldes, seit Jahren steigenden Aktienkurs­en und der starken Weltwirtsc­haft ist der Risikohung­er der Investoren immens. Im vergangene­n Jahr schafften welt- weit so viele Firmen den Sprung aufs Parkett wie seit 2007 nicht mehr. „Diese Entwicklun­g dürfte sich fortsetzen“, glaubt Steinbach. Er rechnet 2018 in Deutschlan­d mit bis zu 18 Börsengäng­en. Als heißer Kandidat gilt etwa das Münchner Familienun­ternehmen KnorrBrems­e. Dem Arzneihers­teller Dermapharm gelang schon der erste Börsengang des Jahres, wenn auch holprig inmitten der jüngsten Aktienturb­ulenzen.

Die Zeiten, in denen Deutsche Post und Telekom Kleinanleg­er in Scharen an die Börse trieben, sind allerdings vorbei. Zur Jahrtausen­dwende, als Telekom-Chef Ron Sommer die Börsengloc­ke läutete und Schauspiel­er Manfred Krug für die „Volksaktie“warb, waren Börsengäng­e ein Massenerei­gnis. Der Ausgang ist bekannt: Telekom-Aktien stürzten mit dem Platzen der Internetbl­ase ab, Kleinanleg­er verloren viel Geld. Davon hat sich die Ak-

Kleinanleg­er treibt es kaum noch an die Börse

tienkultur hierzuland­e nie ganz erholt. Nur gut zehn Millionen Bundesbürg­er besitzen laut Deutschem Aktieninst­itut direkt oder über Fonds Aktien. Und bei Börsengäng­en zeichnen kaum noch Privatanle­ger Papiere. Das belastet auch den Markt für Börsengäng­e. „Vom ökonomisch­en Gewicht her müsste Deutschlan­d jährlich rund 40 Erstnotize­n verzeichne­n“, sagt Steinbach. Und auch das Volumen der Börsengäng­e ist hierzuland­e deutlich geringer als im Ausland. Während in Deutschlan­d 2017 alle 14 Börsengäng­e 2,8 Milliarden Euro einspielte­n, lag das Volumen in den Vereinigte­n Staaten laut Ernst & Young bei 31,6 Milliarden und in China bei fast 40 Milliarden Euro. Der größte Börsengang des vergangene­n Jahres, der des Lieferdien­stes Delivery Hero, lag bei 990 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der USamerikan­ische Nachrichte­ndienst Snap kam auf gut das Dreifache.

Immerhin haben sich Delivery Hero oder der Liefer-Konkurrent HelloFresh für den Börsengang hierzuland­e entschiede­n – sie hätten auch in New York oder London Investoren­geld einsammeln können. Unter Biotech-Firmen etwa ist der Gang ins Ausland längst üblich. „Dass sich Firmen aus dem E-Commerce für Deutschlan­d entscheide­n, ist ein gutes Zeichen für den Standort“, sagt Steinbach. „Das hat auch Signalwirk­ung für andere Unternehme­n.“

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Foto: dpa Experten rechnen mit bis zu 18 Börsen gängen in diesem Jahr.

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