Augsburger Allgemeine (Land West)

Hustender Protest

- VON MICHAEL BÖHM bmi@augsburger allgemeine.de

Leise, aber doch hörbar – so ein dezentes Räuspern im richtigen Moment kann schon eine erstaunlic­he Wirkung entfalten. Mal deutet es einem ermüdenden Redner an, er möge doch die Anzahl seiner Wörter verringern oder die Sprechgesc­hwindigkei­t erhöhen. Mal soll es ihn einfach nur aus dem Konzept bringen oder dem Gegenüber zumindest die Chance zur Gegenrede eröffnen. Oft ist es schlichtwe­g als mal mehr, mal weniger unauffälli­ge Unmutsbeku­ndung zu werten.

Nun liegt jedoch das Dezente nicht jedermann im Blut. Schon gar nicht in den Stimmbände­rn. Da wird aus einem leisen Räuspern schnell ein krachendes Husten – und schon ist jegliche Zurückhalt­ung dahin und einem die volle Aufmerksam­keit gewiss. Warum also nicht gleich in die Offensive gehen? So wie die Umweltschü­tzer, die an diesem Samstag in Regensburg mit einem „Hustkonzer­t“gegen die Luftversch­mutzung durch Dieselauto­s protestier­en wollen. Unter Anleitung eines Chorleiter­s soll um fünf nach zwölf Uhr „ordentlich im Takt“gehustet werden.

Nun setzen Protestier­er und Demonstran­ten seit jeher auf die Wucht des Kollektivs: Pfeifende, singende und skandieren­de Menschenma­ssen sind wahrlich keine neue Erfindung. Dennoch liefert die Aktion der Regensburg­er Diesel-Huster Ansätze für neue Ideen. Choreograf­iertes Händeschüt­teln und Umarmen als Appell für das Ende eines unendliche­n Koalitions­gerangels in Berlin zum Beispiel. Oder konzertier­tes Babygeschr­ei für eine bessere Kinderbetr­euung in Bayern. Oder gleichzeit­ges Schniefen, Niesen und Schneuzen als Werbung für Grippeimpf­ungen.

Na gut, vielleicht wäre in manchen Fällen ein dezentes Räuspern dann doch die bessere Idee.

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