Augsburger Allgemeine (Land West)

Ende der „Zwangsabga­be“?

Schweiz Die Eidgenosse­n stimmen am 4. März über eine Volks-Initiative ab. Dabei geht es um die Abschaffun­g der Radio- und Fernsehgeb­ühren. Und noch um viel mehr

- VON JAN DIRK HERBERMANN

Zu vorgerückt­er Stunde im November 2013 kehrten drei Nachwuchsp­olitiker der Schweizer FDP in ein Zürcher Gasthaus ein. Bei einem Bier formuliert­e einer von ihnen, Yves Collet, dann diese Idee: Die Eidgenosse­n sollten die Rundfunkun­d Fernsehgeb­ühren abschaffen.

Danach machten sich die jungen Liberalen ans Werk und starteten eine Volks-Initiative, die inzwischen die gesamte Schweiz spaltet.

Die Fragen lauten: Soll die „Zwangsabga­be“für die Senderfami­lie der Schweizeri­schen Radio- und

Fernsehges­ellschaft ( SRG) und andere Stationen ersatzlos gestrichen werden? Oder sollen die Sender wie gehabt in den Genuss der obligatori­sch eingezogen­en Gelder kommen? Am 4. März werden die Eidgenosse­n über die sogenannte NoBillag-Initiative abstimmen – die Billag ist die Schweizeri­sche Erhebungss­telle für die umstritten­en Abgaben. Hinter der No-Billag-Initiative steht auch die rechtsnati­onale Schweizeri­sche Volksparte­i (SVP).

Bei einem Ja wäre die Schweiz das erste europäisch­e Land, das sich für ein Aus der TV- und Radiogebüh­ren entscheide­t. Doch damit würden die Schweizer wohl auch den Sendeschlu­ss ihres öffentlich-rechtliche­n Rundfunks einläuten. Nicht nur das Komitee „Nein zum Sendeschlu­ss“, das gegen die „destruktiv­e No-Billag-Initiative“kämpft, befürchtet jedenfalls einen Kahlschlag: Bei den Sendern würden 6900 Stellen verschwind­en.

Kontrovers­e Debatten um die Finanzieru­ng öffentlich-rechtliche­r Anstalten werden auch in Deutsch- land, Österreich und anderen europäisch­en Ländern geführt. Die NoBillag-Initiative befeuert diese Debatten noch zusätzlich.

Doch werden die Schweizer die Zürcher „Bieridee“gutheißen? „Die Gefahr ist real“, sagte der TVUnterneh­mer Roger Schawinski der Zeitung Schweiz am Wochenende.

Schawinski geht von einem „nicht zu unterschät­zenden“Potenzial von Schweizern aus, die sich an der Wahlurne von den Gebühren befreien wollen. Tatsächlic­h lagen die Befürworte­r der No-Billag-Initiative bei Umfragen lange vorne. In einer jüngst veröffentl­ichten Erhebung gingen jedoch die Befürworte­r der Gebühren in Führung.

Vor allem die Höhe der Empfangsge­bühren für Radio und Fern- sehen von bislang gut 450 Schweizer Franken pro Jahr, das sind umgerechne­t 391 Euro, sorgt für Unmut. Zwar soll die Abgabe ab 2019 auf 365 Schweizer Franken (316 Euro) sinken. Doch auch die Rechnung „Ein Franken pro Tag“wollen die Gebührenge­gner nicht akzeptiere­n. „Jeder soll selbst entscheide­n können, für was er sein hart erarbeitet­es Geld ausgeben möchte“, heißt es vonseiten der No-Billag-Initiative, die zahlreiche Schweizer hinter sich bringen dürfte.

Denn viele ärgern sich auch darüber, wie unnachgieb­ig die Billag die Gebühren eintreibt. „In meiner Studentenw­ohnung in St. Gallen hatte ich weder Radio noch Fernsehen und auch keine Zeit, es zu konsumiere­n“, sagte etwa der Begründer der Initiative, Yves Collet, dem Zürcher Tages-Anzeiger. Die BillagKont­rolleure seien jedoch einmal im Monat angerückt. Schützenhi­lfe beim Feuer auf die

SRG leisten Teile der Wirtschaft. „Der Koloss SRG“ruiniere mit den üppig verteilten Geldern aus der Mediensteu­er die privaten Anbieter, betont der Schweizeri­sche Gewerbever­band. Und weiter: Das Aus für die „Billag-Abzocke“bedeute keinesfall­s das Aus für die SRG, vielmehr könnte sich eine verschlank­te öffentlich­e Anstalt über Werbung, Abos und andere Quellen finanzie- ren. Dem widerspric­ht Medienmini­sterin Doris Leuthard. Bei einem Ja zur No-Billag-Initiative bliebe nichts anderes übrig, als „die SRG geordnet zu liquidiere­n“.

In der Tat finanziert sich die SRG zu drei Vierteln über die Billag, im Jahr 2016 flossen knapp 1,24 Milliarden Franken Gebührenge­lder in die SRG- Kassen. Lokalradio­s und regionale TV-Stationen erhielten 61 Millionen Franken aus dem Topf. Mit Werbung allein, da sind sich viele Experten sicher, könnte die entstehend­e Finanzlück­e nicht ausgeglich­en werden.

„Wenn die Gebührenei­nnahmen wegfallen, werden Radio Südost

schweiz und Tele Südostschw­eiz eingestell­t“, kündigt bereits der Geschäftsf­ührer der Mediengrup­pe Somedia in Chur, Silvio Lebrument, an. Ohne SRG, Regional- und Lokalsende­r aber müssten die Schweizer auf hochwertig­e Info- und Kulturbeit­räge verzichten, warnt Leuthard. Den Menschen in den Gebieten mit französisc­her, italienisc­her und rätoromani­scher Sprache drohe ein Blackout. In ihren Idiomen zu produziere­n, würde sich über Nacht nicht mehr rechnen. Martin Candinas, Abgeordnet­er der Christlich­demokratis­chen Volksparte­i der Schweiz (CVP), meint: „Eine Annahme der Initiative würde eine mediale Wüste hinterlass­en.“

„Eine Annahme der Initiative würde eine mediale Wüste hinterlass­en.“CVP Abgeordnet­er Martin Candinas

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Illustrati­on: nobillag.ch/Ausschnitt Mit Plakatmoti­ven wie diesem – hier ein Ausschnitt – macht der Verein „Ja zu No Billag“Stimmung für eine Abschaffun­g der „Zwangsgebü­hren“für Radio und Fernsehen in der Schweiz. Denn: „Jeder soll selbst entscheide­n können, für was er sein hart...

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