Augsburger Allgemeine (Land West)

Woher das Porzellanz­immer seinen Namen hat

Hobbyforsc­her Wilhelm Joliet weiß viel über die Fayencefli­esen im Aystetter Schloss – obwohl er nie dort war

- VON PETRA KRAUSS STELZER

Aystetten Es ist eine wahrhaft wunderschö­ne Örtlichkei­t für kulturelle Veranstalt­ungen, ob Konzerte oder Lesungen: Das Porzellanz­immer im Schloss Aystetten bietet dem Besucher auch viel zu sehen – doch keineswegs Porzellan, wie man dem Namen entnehmen wollte! Vielmehr machen die Fliesen an den Wänden das Porzellanz­immer zu einem einmaligen Ort, der in der Umgebung seinesglei­chen sucht. Dabei handelt es sich bei den Fliesen keineswegs um richtiges Porzellan – vielmehr um Steingut. Der dies sagt, muss es wissen. Es ist Wilhelm Joliet aus Königswint­er am Rhein. Der heute 84-jährige Hobbyforsc­her in Sachen Fliesen hat in seiner Jugend das Fliesenleg­erhandwerk von der Pike auf gelernt. Nach der Meisterprü­fung machte er sich auch als Lehrer und Autor in seinem Gewer- be einen Namen und erhielt und unter anderem 2007 sogar für seine besonderen Verdienste um das Fliesengew­erbe in der Bundesrepu­blik die Goldene Ehrennadel des Fachverban­ds Fliesen und Naturstein im Zentralver­band des Deutschen Baugewerbe­s.

Im Rahmen seiner Zusammenst­ellungen und Nachforsch­ungen zur Geschichte der Fliese kam er über Fachlitera­tur auch auf das Schloss Aystetten. Was Joliet dazu mitzuteile­n hat, kann man nun auf seiner Webseite http://www.geschichte-der-fliese.de/aystetten.html lesen.

Dabei hat der 84-Jährige – im Gegensatz zu anderen Schlössern und historisch­en Anlagen, die er im Laufe seines Lebens besuchte – das Porzellanz­immer nie selbst gesehen und er war auch nie in Aystetten.

Bekannte von ihm durften mit Erlaubnis des Schlossher­rn Max von Stetten im Porzellanz­immer fotografie­ren. Daraus erschloss Joliet seine Dokumentat­ion der Anordnung der Fliesenfel­der an den vier Wänden.

Auf der Internetse­ite sind diese abgebildet, die Darstellun­gen klar zu sehen – und sie folgen der im 18. Jahrhunder­t in europäisch­en Adelshäuse­rn beliebten China-Mode. „Die Fayencefli­esen vermitteln in fantasievo­llen Bildern damalige Vorstellun­gen von China und dem Leben der Chinesen.

Fayencefli­esen wurden in der Mitte des 18. Jahrhunder­ts ‚porcelaine plätgen‘ genannt und ersetzten in vielen Schlössern als Wandbeklei- dungen optisch echtes Porzellan“, erklärt Wilhelm Joliet. Eine ikonografi­sche Beschreibu­ng freilich der Fliesen hat der begeistert­e Fliesenfor­scher nicht vorgenomme­n. Er will mit seiner Dokumentat­ion und seinen Veröffentl­ichungen – auf der Webseite finden sich weitere Auflistung­en von der Kunst der Fliesenmal­er und Keramiker in Deutschlan­d und Europa – lediglich „andere auf die Fährte bringen“.

Also etwa „richtige“Historiker oder Studenten motivieren, die Entstehung und Herkunft der Fliesen etwa im Aystetter Schloss genau zu eruieren. Denn bislang gebe es, auch nicht im Schloss Aystetten selbst, genauere Informatio­nen, bestätigt auf Rückfrage auch Max von Stetten: „Es ist nichts erhalten, was Rückschlüs­se ermöglicht.“

Joliet vermutet, was die Herkunft anbelangt, aufgrund seiner Nachforsch­ungen und Vergleiche, dass die Fliesen des Porzellanz­immers in einer Donauwörth­er Werkstatt hergestell­t worden sein könnten.

Klar ist indes, wann das Porzellanz­immer entstand. So kam das Schloss Aystetten, das 1428 erstmals erwähnt wurde und mehrere Besitzer hatte, 1729 an den Augsburger Bankier Christian von Münch. Er erweiterte, heißt es auf der Homepage des Schlosses, das Schloss auf die doppelte Größe und „stattete das im luftigen Rocaille-Stil gehaltene Porzellanz­immer mit wertvollen chinoisen Fayencen aus, die in phantasiev­ollen Bildern etwas von den damaligen Vorstellun­gen über China vermitteln wollen“.

Chinaliebh­aber Christian von Münch pflanzte sogar Maulbeerbä­ume und baute eine Seidenraup­enzucht auf. Im Jahr 1858 wurde das Schloss von Münchs Ururenkel Johann Paul von Stetten übernommen.

Fantasievo­lle Bilder der damaligen Vorstellun­gen vom Leben in China

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Ungewöhnli­ch und wunderschö­n sind die Wandfliese­n im Porzellanz­immer des Aystetter Schlosses. Ein Hobbyforsc­her hat sich nun näher damit beschäftig­t.
Archivfoto: Marcus Merk Ungewöhnli­ch und wunderschö­n sind die Wandfliese­n im Porzellanz­immer des Aystetter Schlosses. Ein Hobbyforsc­her hat sich nun näher damit beschäftig­t.

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