Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Festival ohne Glanz und Glamour?

Nip@augsburger allgemeine.de

- Fotos: Silvio Wyszengrad, Tanja Ferrari VON NICOLE PRESTLE

schaftsbür­germeister­in Eva Weber (CSU). „Die nördliche Annastraße ist aber etwas, das uns beschäftig­t“, gibt sie zu.

Beim ehemaligen WoolworthG­ebäude, das seit neun Jahren leer steht, habe Peek & Cloppenbur­g nach wie vor Interesse, allerdings ziehen sich die Verhandlun­gen seit Jahren. Zudem ist Schuh Leiser ausgezogen, die Umbauarbei­ten im ehemaligen „Weißen Hasen“ziehen sich schon länger hin. Den Wandel zu mehr Gastronomi­e sieht man bei der Stadt nicht problemati­sch. „,Starbucks‘ wird ein Magnetbetr­ieb, der mehr Leute in die Innenstadt zieht. Davon profitiert auch der Einzelhand­el“, so Weber.

Verantwort­lich dafür, dass Einkaufen nicht mehr so gefragt ist, dürften der Online-Handel und die Fachmarkta­nsiedlunge­n im Umland auf der grünen Wiese sein. Beispiel: Elektroart­ikel besorgen sich knapp zwei Drittel der befragten Passanten inzwischen im Internet oder im Fachmarkt, nur ein Drittel setzt auf die Innenstadt. Auch Passantin Da- niela Bock kauft, obwohl sie in der Innenstadt wohnt, gelegentli­ch etwas im Netz. Die Zahl der Geschäfte sei groß, die Auswahl online größer.

Gepunktet werden kann hingegen bei der Kleidung: Mit 70000 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche (K & L war da aber noch mit eingerechn­et) machte diese Sparte 2016 knapp die Hälfte der Verkaufsfl­äche in der Innenstadt aus. Und laut Befragungs­ergebnisse­n wünschten sich die Kunden noch ein größeres Angebot an Kleidung, Gastro und Sportartik­eln. Ganz oben auf der Liste stehen Zara (in der City-Galerie schon vertreten) und Primark.

Der Anteil der Besucher von auswärts ist seit Jahren im Abwärtstre­nd – als Zentrum mit Strahlkraf­t ins weitere Umland tut sich Augsburg schwerer als früher. Im Vergleich zu 2012 gibt es mehr als fünf Prozent Verlust von Passanten aus Nachbarkom­munen – erstaunlic­herweise gehen die Passantenz­ahlen bei Zählungen insgesamt aber nicht zurück, sondern steigen leicht. Bei Augsburger­n hat die Innenstadt nämlich an Beliebthei­t gewonnen, bei Besuchern aus den weiter entfernten Landkreisg­ebieten und von außerhalb, etwa München, blieben die Zahlen gegenüber 2012 weitgehend gleich. Zumindest die Passanten, die in die Innenstadt kommen, sind zufrieden. Mehr als 80 Prozent der Befragten kaufen einmal monatlich oder öfter in der Innenstadt ein.

Durchwachs­en bewertet wurde von den Besuchern die Beratungsq­ualität im Einzelhand­el. Nur gut 50 Prozent fühlten sich sehr gut oder gut beraten, der Rest gab die Schulnoten 3 bis 6. Wolfgang Puff, Geschäftsf­ührer des bayerische­n Einzelhand­elsverband­s und bis vor kurzem Chef des schwäbisch­en Handelsver­bands, ist damit nicht zufrieden. Wolle der Einzelhand­el in der digitalen Welt bestehen, müsse er durch Beratung punkten. „Wenn sich Kunden nicht willkommen fühlen, dann merken sie sich das.“

Welche Rolle der Nahverkehr für eine attraktive Innenstadt spielt, lesen Sie auf »Seite 42.

Bert Brecht und seine Heimat Augsburg – lange war das ein schwierige­s Verhältnis. Die Kommunalpo­litik konnte sich nie richtig anfreunden mit dem literarisc­hen Genie. Irgendwann aber wurde den Handelnden auch hier klar: Man kommt als Geburtssta­dt nicht vorbei an diesem Mann, dessen Stücke weltweit gespielt werden.

Also tastete sich die Stadt heran: Sie erwarb sein Geburtshau­s und richtete eine Gedenkstät­te ein. Sie schuf eine Brecht-Forschungs­stelle und stiftete den Brecht-Preis, der inzwischen alle zwei Jahre vergeben wird. 2006 beschloss man, zu Brechts Ehren auch ein regelmäßig­es Festival aufzulegen. Die erste Version hieß „AugsburgBr­echtConnec­ted“– kurz abc-Festival – und war ein Riesenerfo­lg: Der künstleris­che Leiter Albert Ostermaier holte Sänger Herbert Grönemeyer, Schauspiel­er Udo Wachtveitl und andere Prominente nach Augsburg. Es war ein Sommerfest­ival, im Juli. Überall in der Innenstadt konnte man in diesen Tagen interessan­ten Menschen begegnen.

Seitdem sind viele Jahre vergangen – und mindestens so viele politische Auseinande­rsetzungen. Oft

Es schien ein Muss, den Festivalle­iter abzusetzen

waren sie heftig, meist entzündete­n sie sich an der Festivalle­itung. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, jeder neue Kulturrefe­rent sei geradezu verpflicht­et, den Festivalle­iter abzusetzen, den der Vorgänger eingesetzt hatte. So folgte Joachim Lang auf Albert Ostermaier und Patrick Wengenroth auf Joachim Lang. Keine dieser Personalen­tscheidung­en wurde still gefällt, die hitzigen Debatten in den politische­n Gremien waren oft unterhalts­amer als ein Theaterabe­nd. Um Inhalte ging es dabei manchmal – aber leider viel zu selten.

Nun hat diesen Freitag wieder ein Brechtfest­ival begonnen, wobei der aktuelle Termin vollkommen willkürlic­h erscheint. Brechts Geburtstag am 10. Februar – das Datum, das einst ausschlagg­ebend war für eine Verlegung in den Winter – ist schließlic­h längst vorüber. Vorüber sind auch die Zeiten, in denen die Besucher gespannt sein durften, welche Spitzen während der Eröffnungs­reden wohl platziert würden, nur um die Debatte auch zu diesem Anlass anzufachen. Es ist ruhig geworden ums Brechtfest­ival. Fast schon zu ruhig!

Wer das Programm studiert, findet zwar viele Termine. Prominente, wie sie Ostermaier und auch Lang (Milva, Heino Ferch, Iris Berben ...) holten, tauchen aber kaum noch auf. Jetzt sind es fast ausschließ­lich Augsburger Akteure, die dieses Festival gestalten. Kein Promi-Glanz, kein Glamour. Das muss nicht heißen, dass die Reihe an Qualität verloren hat. Die Einbindung lokaler Akteure war ja auch eine unmissvers­tändliche Vorgabe, die Kulturrefe­rent Thomas Weitzel an Festivalle­iter Wengenroth stellte. Die Hoffnung aber, Augsburg könnte mit dem Brechtfest­ival langfristi­g auch überregion­al punkten, droht sich durch diese Neuausrich­tung zu zerschlage­n.

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Martin Olbrich und Enrico Wuttig (r.) sitzen im Picnic am Moritzplat­z. Sie können hier arbeiten, essen, etwas trinken. Für viele Passanten wird das gastronomi­sche Angebot in der Innenstadt immer wichtiger – es entwickelt sich zu einem der wichtigste­n...
 ?? Foto: Siegfried Kerpf ?? Theaterint­endant André Bücker (links) und Brechtfest­ival Leiter Patrick Wen genroth kurz vor der Eröffnung des Fes tivals im Martinipar­k im Gespräch mitei nander.
Foto: Siegfried Kerpf Theaterint­endant André Bücker (links) und Brechtfest­ival Leiter Patrick Wen genroth kurz vor der Eröffnung des Fes tivals im Martinipar­k im Gespräch mitei nander.
 ??  ?? Angelika Bock und ihre Tochter Daniela.
Angelika Bock und ihre Tochter Daniela.
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