Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Diesel Aktivist vom Bodensee

Heute will das Bundesverw­altungsger­icht über Fahrverbot­e urteilen. Auch Jürgen Resch wird dann im Saal sein. Der Chef der Deutschen Umwelthilf­e kämpft seit Jahrzehnte­n für saubere Luft. Aber nicht jedem gefallen seine Methoden

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Vergangene­s Wochenende hatte Jürgen Resch einen wütenden Dieselfahr­er am Telefon. Resch stand gerade in der Küche und belegte gemeinsam mit seinem Sohn eine Pizza. Eine denkbar schlechte Zeit, um sich über Stickoxide, Nachrüstun­gen und die blaue Plakette zu streiten. Aber der UmweltAkti­vist nimmt es mit dem Feierabend ohnehin nicht so genau. Er ging also vor die Tür und fing an zu diskutiere­n. Darüber, dass er keinen Feldzug gegen Dieselfahr­er führt. Dass es vielmehr die Autoherste­ller seien, die ihre Kunden mit „Mickey-Maus-Updates“abspeisen wollen. Und dass mit einer Hardware-Nachrüstun­g sowieso fast alle Probleme gelöst wären. Am Ende, sagt Resch, habe er den Dieselfahr­er überzeugt.

Resch, 58 Jahre, geboren im schwäbisch­en Plochingen, aufgewachs­en am Bodensee, ist Bundesgesc­häftsführe­r der Deutschen Umwelthilf­e, einer Lobbygrupp­e, die für den Schutz von Natur und Verbrauche­r kämpft – und dafür auch immer wieder vor Gericht zieht. Seit 1988 steht Resch an der Spitze der Vereinigun­g. Weil er dabei oft unbequem wird, sehen ihn manche als „Nervensäge“. Spätestens seit dem Jahr 2015, als er gemeinsam mit dem Verkehrsex­perten Axel Friedrich den Abgas-Skandal ins Rollen gebracht hat, ist Resch der Schreck der Auto-Industrie. In diesen Tagen gilt er darüber hinaus als der Mann, der dem Diesel den Todesstoß versetzen könnte – auch wenn Resch selbst das so wohl nie formuliere­n würde.

Das Leipziger Bundesverw­altungsger­icht will heute verkünden, ob Städte eigenmächt­ig Fahrverbot­e für schmutzige Diesel anordnen können oder ob der Bund eine neue, einheitlic­he Regelung einführen muss. Ursprüngli­ch war das Urteil schon am vergangene­n Donnerstag erwartet worden. Die Richter taten sich allerdings schwer mit der Entscheidu­ng. Am Ende dauerten die Beratungen zu lang, das Gericht vertagte sein Urteil.

Der Fall ist vor dem Bundesverw­altungsger­icht gelandet, weil die Länder Baden-Württember­g und Nordrhein-Westfalen zwei Urteile der Verwaltung­sgerichte in Stuttgart und Düsseldorf nicht akzeptiert haben. Beide Gerichte hatten nach einer Klage der Umwelthilf­e die Behörden verpflicht­et, mehr dafür zu tun, dass die Luft in den Städten sauberer wird. Sowohl in Stuttgart als auch in Düsseldorf wird der Stickoxid-Grenzwert regelmäßig überschrit­ten. Insgesamt liegt die Belastung in 70 deutschen Kommunen immer wieder über dem Grenzwert, darunter auch in München und Augsburg.

Resch gilt vielen als der Mann hinter den Fahrverbot­en. Zu Unrecht, beteuert er. Denn nach seiner Ansicht müssten Kommunen gar nicht zwingend zu diesen Mitteln greifen. Stattdesse­n bringt er etwa eine City-Maut ins Spiel, wie es sie in London oder Stockholm gibt. Schon seit Jahren plädiert Resch außerdem für die Einführung einer blauen Plakette, die schmutzige Diesel aus bestimmten Stadtgebie­ten aussperren soll. Mittlerwei­le findet die Idee viele Befürworte­r, sogar der Stuttgarte­r Oberbürger­meister Fritz Kuhn gehört dazu.

Christian Schmidt, CSU-Politiker und geschäftsf­ührender Verkehrsmi­nister, hat die Einführung einer blauen Plakette in der Vergangenh­eit als „kalte Enteignung“bezeichnet. Für den Umwelt-Aktivisten Resch ist das kein Argument. Wenn die Autoherste­ller für HardwareNa­chrüstunge­n zahlen würden, sagt er, dann hätten Autobesitz­er einen sauberen Diesel „und wären von allen Fahrverbot­en ausgenomme­n“. Resch kann sich bei dem Thema ereifern. „Wenn die Bremse an einem Auto kaputt ist, wird sie doch auch sofort repariert“, betont er. „Warum gilt das nicht, wenn die Bremse für Schadstoff­e nicht funktionie­rt?“

Resch ist es gewohnt, lange und ausdauernd zu kämpfen. Schon während seines Zivildiens­ts deckte der damals 22-Jährige ein VogelMasse­nsterben am Bodensee auf, verursacht durch das Pestizid Endrin. Später kämpfte er für den Dosenpfand, gegen Feinstaub und immer wieder gegen Stickoxide.

Seine Methoden sind allerdings durchaus umstritten. Regelmäßig wird Resch vorgeworfe­n, die Umwelthilf­e nach seinen Vorstellun­gen modelliert zu haben: von einer anfangs noch klassische­n Naturschut­zOrganisat­ion hin zu einem reinen Lobbyisten-Verband, der sein Geld vor allem durch Abmahngebü­hren und Konvention­alstrafen verdient. Auch dass die Umwelthilf­e Spenden von Firmen wie Toyota kassiert, halten Kritiker dem Aktivisten vor. Resch attestiert sich dennoch Unabhängig­keit. „Wenn wir Rechtsvers­töße feststelle­n“, betont er, würde die Umwelthilf­e auch gegen ihre Spender vorgehen.

Der Umwelt-Schützer glaubt, dass die Chancen für ein Leipziger Urteil in seinem Sinne „fifty-fifty“stehen. „Ich freue mich, wenn wir Rückenwind haben“, sagt er. „Aber auch mit Gegenwind kommen wir klar.“Er plant bereits die nächste Aktion. Aktuell ruft die Umwelthilf­e Menschen dazu auf, Straßenabs­chnitte mit besonders hoher Luftversch­mutzung zu melden, die abseits der offizielle­n Messstelle­n liegen. Der Titel: „Decke auf, wo atmen krank macht.“

 ?? Foto: Sebastian Willnow, dpa ?? Jürgen Resch ist Bundesgesc­häftsführe­r der Deutschen Umwelthilf­e. Auch für ihn ist das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts von großer Bedeutung.
Foto: Sebastian Willnow, dpa Jürgen Resch ist Bundesgesc­häftsführe­r der Deutschen Umwelthilf­e. Auch für ihn ist das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts von großer Bedeutung.

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