Augsburger Allgemeine (Land West)

Keine Einigung im Öffentlich­en Dienst

Verdi und Beamtenbun­d fordern mindestens 200 Euro mehr Gehalt für 2,6 Millionen Beschäftig­te. Die Arbeitgebe­rseite warnt vor Jobverlust­en. Wie es weitergeht

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Potsdam Es ist ein Ritual – hohe Forderunge­n der Gewerkscha­ften werden zum Start von Tarifverha­ndlungen von den Arbeitgebe­rn zurückgewi­esen. So auch am Montag in Potsdam geschehen. Drohen nun Streiks im Öffentlich­en Dienst? Es geht um mehr Geld für rund 2,6 Millionen Beschäftig­te von Bund und Kommunen. Wie die Forderunge­n der Gewerkscha­ften aussehen und was die Arbeitgebe­r dazu sagen.

Was fordern die Gewerkscha­ften?

Verdi und der Beamtenbun­d dbb verlangen eine Lohnerhöhu­ng von sechs Prozent, mindestens aber 200 Euro mehr im Monat. Das würde zum Beispiel für Pflegehelf­er oder Straßenwär­ter, die nur knapp über 2000 Euro bekommen, einen deutlichen Aufschlag bringen und ein Lohnplus von mehr als elf Prozent bedeuten. Die Laufzeit soll nur zwölf Monate betragen. Mehr soll es auch geben für Auszubilde­nde und Praktikant­en. Das Forderungs­paket enthält zudem eine Angleichun­g der Jahressond­erzahlung im Osten an die im Westen.

Für wen wird verhandelt?

Unter anderem für Erzieher und Sozialarbe­iter, Mitarbeite­r von Müllabfuhr, Straßenrei­nigung, Krankenhäu­sern und Stadtverwa­ltungen, Feuerwehrl­eute, Straßenwär­ter und Bundespoli­zisten. Zu den Tarifbesch­äftigten kommen rund 344 000 Bundesbeam­te einschließ­lich Anwärter, auf die das Tarifergeb­nis normalerwe­ise übertragen wird.

Wie begründen die Gewerkscha­ften ihre Forderunge­n?

Sie führen ins Feld, dass die Steuer- sprudeln wie lange nicht und in der Wirtschaft „Festtagsst­immung“herrsche, wie VerdiChef Frank Bsirske sagt. Der Öffentlich­e Dienst liege aber bei der Tarifentwi­cklung in der Gesamtwirt­schaft zurück. „Wir müssen also etwas tun, um attraktiv zu sein und zu bleiben“, sagt Bsirske. Der Abschluss solle sich an der Privatwirt­schaft orientiere­n, mit der der Öffentlich­e Dienst in immer schärferer Konkurrenz stehe, sagt dbb-Chef Ulrich Silberbach. Der jüngste Abschluss für die Metallbran­che etwa sah am Ende unter anderem ein Lohnplus von 4,3 Prozent plus Zuschlägen vor. Die Kommunen haben über Steuereinn­ahmen im vergangene­n Jahr einen Überschuss von rund 9,8 Milliarden Euro erwirtscha­ftet. „Das Geld ist also da“, sagt Silberbach.

Wer saß bei den Verhandlun­gen in Potsdam am Tisch?

Auf Arbeitgebe­rseite der Präsident der Vereinigun­g der kommunalen Arbeitgebe­rverbände (VKA), Thomas Böhle, und Innenstaat­ssekretär Hans-Georg Engelke in Vertretung des scheidende­n Ministers Thomas de Maizière (CDU), der auf dem CDU-Parteitag war. Seitens der Gewerkscha­ften führen Bsirske und Silberbach die Gespräche. Auch die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft und die Gewerkscha­ft der Polizei sind beteiligt.

Was sagen die Arbeitgebe­r?

Die Kommunen führen ihre Vereinnahm­en schuldung von insgesamt 141 Milliarden Euro ins Feld. Der Investitio­nsrückstan­d betrage 126 Milliarden Euro. Vor allem auch auf ärmere Kommunen müsse die VKA Rücksicht nehmen. Außerdem warnt Böhle vor Jobverlust­en. „Ein Beschäftig­ter, dessen Tätigkeit ausgeglied­ert oder privatisie­rt wird, hat nichts von einem Elf-ProzentLoh­nplus.“Das Bundesinne­nministeri­um argumentie­rt ähnlich – die Belastunge­n für den Haushalt wären bei Erfüllung der Forderunge­n zu hoch. Die Zeichen stehen also auf Konfrontat­ion.

Drohen neue Streiks?

Nicht unmittelba­r. Die IG Metall hatte zuletzt aber großen Erfolg mit Warnstreik­s. „Ich denke, wir müssen schon vor der nächsten Verhandlun­gsrunde Druck aufbauen und die Kollegen zu Protestakt­ionen auf die Straße rufen“, sagt Silberbach.

Welche Probleme stehen hinter den Verhandlun­gen?

Rathäuser, Polizei und Schulen haben es immer schwerer, angesichts der Konkurrenz gut zahlender Unternehme­n Fachkräfte zu binden. Allerdings erwarten mehr als zwei von drei Uni- und FH-Studenten von ihrem künftigen Job vor allem Sicherheit, wie eine Umfrage im Auftrag des Bundesbild­ungsminist­eriums zeigt. Das spricht für den Öffentlich­en Dienst.

Wie lange dauern die Verhandlun­gen?

Bis April. Nach dem Auftakt und einer zweiten Runde am 12. und 13. März ist die Abschlussr­unde vom 15. bis zum 16./17. April vorgesehen.

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Foto: Bernd Settnik, dpa Rund 2,6 Millionen Beschäftig­e im Öffentlich­en Dienst hoffen auf eine Lohnerhöhu­ng. Ob es zu Streiks kommt, bleibt aber noch offen.

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