Augsburger Allgemeine (Land West)

Welche Vorteile eine Musterfest­stellungsk­lage hat

Nach dem Koalitions­vertrag von SPD und Union soll dieses Verfahren kommen. Was es bringt

- VON DANIELA BERGDOLT rat@augsburger allgemeine.de

Die Abstimmung über die „GroKo“ist im vollen Gange. Da man nun bis zum Ergebnis eh nur abwarten kann, lohnt es sich, in der Zwischenze­it einen Blick in den Koalitions­vertrag zu werfen – zum Beispiel unter dem Blickwinke­l, welche Änderungen er aus rechtliche­r Sicht für Verbrauche­r bereithält. Ein ganz wesentlich­er Punkt ist da die Musterfest­stellungsk­lage, die die Parteien einführen wollen. Bislang ist dieses Ansinnen immer gescheiter­t.

Aber was ist überhaupt eine Musterfest­stellungsk­lage? Oft kommt zu Situatione­n, in denen das Handeln eines Unternehme­ns bei einer großen Anzahl von betroffene­n Verbrauche­rn zu einem ähnlichen Schaden führt – etwa im VW-Abgasskand­al. Bislang müssen all diese Verbrauche­r einen eigenen Gerichtspr­ozess führen. Sammelverf­ahren, wie sie vor allem in den USA verbreitet sind, kennt das deutsche Recht nicht. Die einzige Ausnahme ist das Kapitalanl­egermuster­verfahren. Dabei können Geschädigt­e im Bereich Kapitalanl­agen die Vorzüge eines solchen Musterverf­ahrens schon nutzen.

Dies soll nun auf andere Bereiche ausgeweite­t werden. Spätestens zum 1. November 2018 soll das Ge- setz in Kraft treten. Wie es sich im Koalitions­vertrag liest, sollen dann sogenannte „qualifizie­rte Einrichtun­gen“ein Verfahren einleiten können. Darunter sind wohl Verbrauche­rschutzver­bände und Ähnliches zu verstehen.

Die Verbrauche­r selbst haben zwei Monate Zeit, diesem Verfahren beizutrete­n. Das soll unkomplizi­ert möglich sein; man wird sich an das Gericht wenden und darstellen müssen, dass man ebenfalls betroffen ist. Dann wird das Musteres verfahren durchgefüh­rt und die Entscheidu­ng gilt für alle, die teilgenomm­en haben.

Grundsätzl­ich sind solche Sammelverf­ahren eine gute Sache. Vor allem in den USA zeigt sich, dass dadurch der Druck auf größere Unternehme­n erhöht wird, sich auf einen Vergleich einzulasse­n. Schließlic­h ist niemandem gedient, wenn ein großer Rechtsstre­it jahrelang läuft.

Was sich noch zeigen muss, ist, ob der Gesetzgebe­r aus dem Kapitalanl­egermuster­verfahren seine Lektion gelernt hat. Dort können Verfahren nämlich leider sehr lange dauern – jahrelange Prozesse kommen durchaus vor. Ein Beispiel ist der Telekom-Prozess. Er hat im Jahr 2002 begonnen und läuft immer noch. Ähnliches darf in der Musterfest­stellungsk­lage auf keinen Fall passieren.

Das wenige, was dazu im Koalitions­vertrag steht, klingt nicht so schlecht. Vielleicht gibt es also bald eine effektive Möglichkei­t für Verbrauche­r, sich in Situatione­n wie dem VW-Abgasskand­al zur Wehr setzen zu können.

Daniela Bergdolt ist Fach anwältin für Kapitalmar­kt recht und Vizepräsid­entin der Deutschen Schutzvere­ini gung für Wertpapier­besitz.

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