Augsburger Allgemeine (Land West)
Welche Vorteile eine Musterfeststellungsklage hat
Nach dem Koalitionsvertrag von SPD und Union soll dieses Verfahren kommen. Was es bringt
Die Abstimmung über die „GroKo“ist im vollen Gange. Da man nun bis zum Ergebnis eh nur abwarten kann, lohnt es sich, in der Zwischenzeit einen Blick in den Koalitionsvertrag zu werfen – zum Beispiel unter dem Blickwinkel, welche Änderungen er aus rechtlicher Sicht für Verbraucher bereithält. Ein ganz wesentlicher Punkt ist da die Musterfeststellungsklage, die die Parteien einführen wollen. Bislang ist dieses Ansinnen immer gescheitert.
Aber was ist überhaupt eine Musterfeststellungsklage? Oft kommt zu Situationen, in denen das Handeln eines Unternehmens bei einer großen Anzahl von betroffenen Verbrauchern zu einem ähnlichen Schaden führt – etwa im VW-Abgasskandal. Bislang müssen all diese Verbraucher einen eigenen Gerichtsprozess führen. Sammelverfahren, wie sie vor allem in den USA verbreitet sind, kennt das deutsche Recht nicht. Die einzige Ausnahme ist das Kapitalanlegermusterverfahren. Dabei können Geschädigte im Bereich Kapitalanlagen die Vorzüge eines solchen Musterverfahrens schon nutzen.
Dies soll nun auf andere Bereiche ausgeweitet werden. Spätestens zum 1. November 2018 soll das Ge- setz in Kraft treten. Wie es sich im Koalitionsvertrag liest, sollen dann sogenannte „qualifizierte Einrichtungen“ein Verfahren einleiten können. Darunter sind wohl Verbraucherschutzverbände und Ähnliches zu verstehen.
Die Verbraucher selbst haben zwei Monate Zeit, diesem Verfahren beizutreten. Das soll unkompliziert möglich sein; man wird sich an das Gericht wenden und darstellen müssen, dass man ebenfalls betroffen ist. Dann wird das Musteres verfahren durchgeführt und die Entscheidung gilt für alle, die teilgenommen haben.
Grundsätzlich sind solche Sammelverfahren eine gute Sache. Vor allem in den USA zeigt sich, dass dadurch der Druck auf größere Unternehmen erhöht wird, sich auf einen Vergleich einzulassen. Schließlich ist niemandem gedient, wenn ein großer Rechtsstreit jahrelang läuft.
Was sich noch zeigen muss, ist, ob der Gesetzgeber aus dem Kapitalanlegermusterverfahren seine Lektion gelernt hat. Dort können Verfahren nämlich leider sehr lange dauern – jahrelange Prozesse kommen durchaus vor. Ein Beispiel ist der Telekom-Prozess. Er hat im Jahr 2002 begonnen und läuft immer noch. Ähnliches darf in der Musterfeststellungsklage auf keinen Fall passieren.
Das wenige, was dazu im Koalitionsvertrag steht, klingt nicht so schlecht. Vielleicht gibt es also bald eine effektive Möglichkeit für Verbraucher, sich in Situationen wie dem VW-Abgasskandal zur Wehr setzen zu können.
Daniela Bergdolt ist Fach anwältin für Kapitalmarkt recht und Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereini gung für Wertpapierbesitz.