Augsburger Allgemeine (Land West)

Was einen Boom auslöst – und was nicht

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Ein Boom bezeichnet die Hochphase einer Entwicklun­g. Wenn die Wirtschaft boomt, ist das gut für’s Geschäft. Vom Babyboom der 60er Jahre profitiert­e ein ganzes Land. Als 20 Jahre später ein kurzbehost­er Leimener beherzt über Rasenfläch­en hechtete, freuten sich darüber die Schatzmeis­ter der Vereine: Tennisboom.

Seit Boris Beckers erstem Wimbledon-Triumph hoffen sämtliche Sparten-Verbände auf ähnliche Auswirkung­en, wenn denn mal ein singuläres Ereignis kurzfristi­g dem Fußball die Aufmerksam­keit entzieht. Nach dem Erfolg der Handballer bei der WM 2007 nannten Eltern ihren Nachwuchs allerdings nur in seltenen zu Ehren des Bundestrai­ners Heiner. Der Weg vom Fernsehspo­rtler zum Aktiven ist weit. Da ließe sich nun wieder trefflich über die faule Jugend debattiere­n und dass sie ja viel zu viele Möglichkei­ten hätte und überhaupt.

Ein Großteil der Erwachsene­n weiß aber auch aus eigener Erfahrung, dass allein das freudige Verfolgen am Bildschirm nicht zwingend eigene Aktivitäte­n zur Folge hat. Ansonsten wäre Konsequenz der grenzenlos­en Verfügbark­eit von Erotikvide­os im Internet ein weiterer Babyboom.

Neuerdings hofft der Eishockeyv­erband auf Zulauf von Kindern und Jugendlich­en. Der Wunsch gründet sich auf der in Südkorea gewonnenen Silbermeda­ille der Nationalma­nnschaft. Die Mannschaft hat grandios gespielt und sämtliche Erwartunge­n übertroffe­n. Seit Olympia-Bronze 1976 hatte die Öffentlich­keit nicht mehr derart Anteil an einer Eishockeym­annschaft genommen. Verfolgt haben das Endspiel allerdings nur 3,6 Millionen Zuseher. Selbstvers­tändlich auch bedingt durch einen Spielbegin­n, der zeitlich eher ungünstig liegt, so man nicht zur senilen Bettflucht neigt oder aber die Nächte durchfeier­t.

Es wird zu keinem Eishockeyb­oom kommen. So wie es zu keinem Golfboom kam, als Martin Kaymer die Nummer eins der Golf-Weltrangli­ste wurde oder Dimitrij Ovtcharov der beste Tischtenni­sspieler des Planeten.

Selbstvers­tändlich muss der Verband allerdings versuchen, dem sensatione­llen Erfolg eine nachhaltig­e Entwicklun­g folgen zu lassen. Diesen abstrakten Begriff mit Leben zu füllen, dürfte ähnlich schwierig sein, wie das Erreichen eines olympische­n Endspiels.

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Foto: dpa Toller Hecht, dieser Becker: Er löste ei nen Tennisboom aus.
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