Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn der Paketbote keinen Stundenlohn bekommt
Ein Fuhrunternehmer wurde verurteilt, weil er Scheinselbstständige beschäftigt hat. Offenbar kein Einzelfall
Region Der Paketzusteller Hermes hat seit 2012 nach eigenen Angaben als Erster in der Logistikbranche ein umfassendes Audit- und Zertifizierungssystem eingeführt. Überprüft wird, ob Servicepartner für ihre Kurierfahrer Arbeitszeitvorschriften einhalten und den gesetzlichen Mindestlohn – zurzeit 8,84 Euro die Stunde – zahlen. Doch Zweifel sind erlaubt, wie ein Fall zeigt, der jetzt vor dem Amtsgericht verhandelt wurde. „Friss oder stirb“, bemerkte im Prozess sarkastisch eine Zeugin. Die 44-Jährige, die selbst für den Angeklagten Hermes-Pakete zustellte, hat den „Knochenjob“, für den sie täglich mehr als zwölf Stunden unterwegs gewesen sei, aufgegeben. Die Augsburgerin bekam statt Stundenlohn einen Euro pro Paket vergütet, für Päckchen weniger. Sie fuhr im eigenen Auto, zahlte den Sprit selbst. Im Prozess brachten mehrere Zeugen ähnliche Fälle zur Sprache. Das Schöffengericht hat nun einen Subunternehmer verurteilt, der in der Region Verträge mit Hermes und anderen großen Logistikern hatte. Und zwar wegen Betrugs an den Sozialkassen. Der Fuhrunternehmer, inzwischen in Insolvenz, hatte in seinen zwei Betrieben jahrelang Fahrer eingesetzt. Diese fuhren für ihn seit 2008 kostengünstig zum Schein als Selbstständige, hatten ein Gewerbe angemeldet und stellten monatlich Rechnungen aus. Manche besaßen kein eigenes Fahrzeug, fuhren firmeneigene Kleinlaster. In Schwaben und Oberbayern leerten sie Briefkästen der Post, lieferten für DHL und Hermes Pakete aus. Zeugen berichteten, es sei „Pflicht“gewesen, sich als Post- oder Hermes-Fahrer zu erkennen zu geben. Durch ein Logo auf der Jacke, mit einem Post-Schild hinter der Windschutzscheibe oder einer Magnettafel mit „Hermes“am Kleintransporter. Dem 50 Jahre alten Unternehmer bleibt das Gefängnis erspart. Das Gericht verhängte eine Haftstrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt ist. Sie hätte höher ausfallen können: Die Staatsanwaltschaft hatte 182 Fälle und einen Schaden von fast einer Viertelmillion Euro angeklagt. In der mehrtägigen Verhandlung ließ sich aber nur bei acht von 27 Fahrern nachweisen, dass sie in Wahrheit abhängig beschäftigt waren. Der relevante Schaden für die Krankenkassen liegt bei 89 000 Euro.
Staatsanwalt, Verteidiger und Gericht zeigten sich einig, dass in der Transportbranche manches juristisch „im Graubereich“liege. Verteidiger Ulrich Ziegert war zu Prozessbeginn noch von einem Freispruch ausgegangen. Denn der Angeklagte ist demnach schon vor 2008 für die Post gefahren – als selbstständiger Frachtführer. Diese Fahrten hatte er mit der Post direkt abgerechnet. Bis man ihn als Subunternehmer gewann. Das Unternehmen hat deswegen anscheinend nie Probleme bekommen. Kurierfahrer, die zum Schein als selbstständige Einzelunternehmer fuh ren, sind im Frühjahr abermals Thema ei nes Strafverfahrens. Angeklagt ist ein Subunternehmer, dessen Fahrer für Her mes Pakete auslieferten. Den Kranken kassen ist nach Ansicht der Staatsanwalt schaft ein hoher Schaden entstanden, weshalb das Landgericht entscheidet.