Augsburger Allgemeine (Land West)
Kein Handtuch als Platzhalter
Zum Ende des Wintersemesters wird es eng und hektisch auf dem Campus. Da greifen viele in die Trickkiste
Das Semester neigt sich dem Ende zu. Und irgendwann kommt der unbestimmte Augenblick, an dem der ganze Prüfungsstress am Campus deutlich spürbar wird. Das beginnt schon mit Kleinigkeiten, die sonst als selbstverständlich gelten. Wie aus dem Nichts werden sie zu großen Herausforderungen.
Das beste Beispiel ist ein einfacher Bibliotheksbesuch. Der kann ziemlich kompliziert werden. Dazu muss man wissen, dass die Universitätsbibliothek in Augsburg nicht mit Taschen oder Jacken betreten werden darf. Jeder Besucher muss seine überlebensnotwendigen Dinge wie Stifte, Wasser, Skripte, Bücher, Notebook in extra dafür vorgesehene Körbe packen und hineintransportieren.
An normalen Tagen ist dies kein Problem. Aber gegen Ende des Semesters ist die Panik viele Studenten allein schon daran zu spüren, dass man in den Stoßzeiten einen solchen Korb lange suchen kann. Viele andere haben sich ihren schon früher gesichert.
Hat man es dann geschafft und steht mit Korb und Sachen in der Bibliothek, kommt das nächste Problem: An den Arbeitsplätzen hat man nicht mehr den Luxus, eine Sitzreihe für sich allein belegen zu können, so wie es während des Semesters vorkommt. Jetzt teilt man plötzlich mit vier weiteren Kommilitonen und Kommilitoninnen eine Reihe. Da wird nicht nur der Platz knapp. In Phasen, in denen man auf jede Form von Geräuschen oder Bewegung ganz besonders sensibel reagiert, kann eine solche Kulisse tödlich für das eigene Lernen sein.
Permanent rascheln Blätter. Angespannt schauen viele in ihre Bücher. Aber nicht alle. Vor einem sitzt ein Kommilitone und schaut Videos, drei Reihen weiter hinten müssen vier Studenten in unangenehmer Flüsterstimme letzte Frazwischen gen vor der Klausur diskutieren. Dauernd kommt und geht jemand. Zu Beginn wundert man sich, wie viele Geräusche man wahrnehmen kann. Am Ende wundert man sich nur noch, wie man all diese Geräusche ausblenden kann.
Jedes Lernen macht irgendwann hungrig. Je nach Lernstoff kann dieser Hunger ungewöhnlich früh am Tag kommen. Um 12 Uhr geht man nun mit ein paar Freunden in die Mensa, um in Ruhe gemeinsam zu essen. Denkt man an Studenten, sollte man eigentlich meinen, dass 12 Uhr nicht die übliche Essenszeit ist. Damit liegt man leider weit daneben. Wenn man sich während des Semesters noch gefragt hat, wo eigentlich die angeblich 20437 anderen Studenten abgeblieben sind, wird einem am Ende des Semesters 12 und 14 Uhr klar, dass sie alle in der Mensa sind. An allen Stationen heißt es geduldig anstehen. Denn an der Essensausgabe und bei der Platzwahl bilden sich überall Warteschlangen. Bei der Suche nach einem freien Platz hat sich eine Art Handtuchmentalität ausgebreitet. Statt zuerst das Essen zu holen und sich dann einen Platz zu suchen, hängt man Jacken und Taschen auf einen Stuhl und besorgt sich ganz in Ruhe sein Essen. Zum Ärgernis derjenigen, die es anders machen. Bei all diesem Gedränge ist es wirklich verwunderlich, dass das Mensapersonal trotzdem immer gut gelaunt ist.
Anstehen und Gedränge ist vor allem am Ende der Vorlesungszeit angesagt. Allerdings hält diese Phase nicht besonders lange an. Wenn sie gerade noch sehr plötzlich kam, ist sie spätestens nach der ersten Woche der vorlesungsfreien Zeit wieder vorbei. Dann sind die meisten Prüfungen geschrieben. Und wer dann noch auf dem Campus ist, kann langsam wieder durchatmen.
Max Klein studiert auf Lehramt am Gymnasi um: Deutsch /Sozialkunde / Ethik. Er ist auch Chefre dakteur von „Presstige“.