Augsburger Allgemeine (Land West)

Zwist um das Jüdische Kulturmuse­um

Gerade während eine neue Leitung für das Haus gesucht wird, tritt der Wissenscha­ftliche Beirat zurück. Sein Vorwurf an den Stiftungsr­at: In die Suche nach einem geeigneten Kandidaten nicht eingebunde­n zu sein

- VON RICHARD MAYR

Paukenschl­ag mitten in einem Bewerbungs­verfahren: Während der Stiftungsr­at des Jüdischen Kulturmuse­ums gerade einen Nachfolger oder eine Nachfolger­in für Museumslei­terin Benigna Schönhagen sucht, tritt der Wissenscha­ftliche Beirat des Museums zurück. In der gestern veröffentl­ichten Erklärung des Beirats dazu heißt es: „Mit seinem Rücktritt bringt der Wissenscha­ftliche Beirat auch seine ernste Sorge über die künftige Entwicklun­g des Museums, die in den vergangene­n 18 Jahren eine sehr erfolgreic­he war, zum Ausdruck.“Im Anschluss richtet der Beirat einen Appell an den Stiftungsr­at und die Träger des Museums, die künftige Tätigkeit des Jüdischen Kulturmuse­ums Augsburg-Schwaben in wissenscha­ftlicher und museumsfac­hlicher Ebene sicherzust­ellen.

Was geschieht da gerade im und um das Jüdische Kulturmuse­um? Das Museum, das seit 1985 in den Räumen der Synagoge an der Halderstra­ße untergebra­cht ist, wird nicht von der Israelitis­chen Kultusgeme­inde, sondern von einem Stiftungsr­at betrieben. In dem Stiftungsr­at haben die Träger des Museums und einzelne Privatpers­onen einen Sitz, unter anderem die Israelitis­che Kultusgeme­inde, die Stadt der Bezirk Schwaben, der Unternehme­r und Mäzen Georg Haindl, der Vorsitzend­er des Stiftungsr­ats ist, und Walter Eschle, stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r der Stadtspark­asse.

Eine beratende Funktion sowohl für den Stiftungsr­at als auch das Jüdische Kulturmuse­um hat der Wissenscha­ftliche Beirat bislang eingenomme­n. Dieser Beirat unter dem Vorsitz des Historiker­s Prof. Rudolf Kießling besteht seit 18 Jahren und war damals gleich nach seiner Gründung maßgeblich in die Suche für eine neue Leitung für das Jüdische Kulturmuse­um eingebunde­n. Der Beirat besteht aus sechs Wissenscha­ftlern: Josef Kirmeier (Direktor des Museumspäd­agogischen Zentrums München), Philipp Lenhard (LMU München), Otto Lohr (früher Landesstel­le für nichtstaat­liche Museen), Bernhard Purin (Direktor des Jüdischen Museums München) und Peter Fassl, der Bezirkshei­matpfleger. Fünf der sechs Mitglieder haben die Auflösung des wissenscha­ftlichen Beirats mitgetrage­n, Bezirkshei­matpfleger Peter Fassl nicht. Fassl möchte sich in dieser Angelegenh­eit nicht äußern, er verweist auch auf das laufende Bewerbungs­verfahren im Jüdischen KulAugsbur­g, turmuseum, in dem er als Abgesandte­r des Bezirks tätig ist.

Kießling erklärt, dass der Wissenscha­ftliche Beirat im Vorfeld dieser Ausschreib­ung eine Initiative unternomme­n hat, endlich fest in der Satzung des Stiftungsr­ats verankert zu werden. Das beratende Gremium hat bislang keine formal verankerte Funktion. „Dieser Antrag ist abgelehnt worden“, sagt Kießling. Damit hätte die Arbeit des Beirats ein festes Fundament bekommen sollen. Weil der Beirat nun auch nicht in dem Gremium vertreten sei, das die Bewerbunge­n für das Museum sichtet, sehe der Beirat keine Basis mehr für eine vertrauens­volle Zusammenar­beit.

Prof. Hans-Eberhard Schurk, der Vorstand des Stiftungsr­ats, bedauert diesen Schritt. „Mir ist nicht bekannt, dass der Beirat in den zwei Mal jährlich stattfinde­nden Sitzungen des Stiftungsr­ats einen Antrag gestellt hätte, zu Wort zu kommen“, sagt Schurk – auch als Antwort darauf, dass es zu keinen Gesprächen mehr mit dem Stiftungsv­orstand gekommen sei. Der Ausschreib­ungstext, den der Wissenscha­ftliche Beirat vorformuli­ert habe, sei hingegen weitgehend übernommen worden. „Mit Herrn Lohr und Herrn Fassl sitzen außerdem zwei Vertreter des Wissenscha­ftlichen Beirats im Gremium für die Bewerbung.“

Diesen Hinweis lassen Kießling und der Beirat allerdings nicht gelten, weil beide aufgrund ihrer Zugehörigk­eit zu den Institutio­nen, für die sie arbeiten oder gearbeitet haben, ausgewählt worden seien und eben nicht als Vertreter des Wissenscha­ftlichen Beirats.

Die scheidende Leiterin des Jüdischen Kulturmuse­ums Benigna Schönhagen, die im Juli 2018 in den Ruhestand tritt, bezeichnet den Rücktritt des Wissenscha­ftlichen Beirats als großen Verlust. „Jedes wissenscha­ftliche Museum benötigt für seine Arbeit einen wissenscha­ftlichen Rückhalt.“

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Hauptattra­ktion des Jüdischen Kulturmuse­ums und gleichzeit­ig Zentrum der Israelitis­chen Kultusgeme­inde ist die 1917 eingeweiht­e Augsburger Synagoge.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Hauptattra­ktion des Jüdischen Kulturmuse­ums und gleichzeit­ig Zentrum der Israelitis­chen Kultusgeme­inde ist die 1917 eingeweiht­e Augsburger Synagoge.

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