Augsburger Allgemeine (Land West)
Zwist um das Jüdische Kulturmuseum
Gerade während eine neue Leitung für das Haus gesucht wird, tritt der Wissenschaftliche Beirat zurück. Sein Vorwurf an den Stiftungsrat: In die Suche nach einem geeigneten Kandidaten nicht eingebunden zu sein
Paukenschlag mitten in einem Bewerbungsverfahren: Während der Stiftungsrat des Jüdischen Kulturmuseums gerade einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Museumsleiterin Benigna Schönhagen sucht, tritt der Wissenschaftliche Beirat des Museums zurück. In der gestern veröffentlichten Erklärung des Beirats dazu heißt es: „Mit seinem Rücktritt bringt der Wissenschaftliche Beirat auch seine ernste Sorge über die künftige Entwicklung des Museums, die in den vergangenen 18 Jahren eine sehr erfolgreiche war, zum Ausdruck.“Im Anschluss richtet der Beirat einen Appell an den Stiftungsrat und die Träger des Museums, die künftige Tätigkeit des Jüdischen Kulturmuseums Augsburg-Schwaben in wissenschaftlicher und museumsfachlicher Ebene sicherzustellen.
Was geschieht da gerade im und um das Jüdische Kulturmuseum? Das Museum, das seit 1985 in den Räumen der Synagoge an der Halderstraße untergebracht ist, wird nicht von der Israelitischen Kultusgemeinde, sondern von einem Stiftungsrat betrieben. In dem Stiftungsrat haben die Träger des Museums und einzelne Privatpersonen einen Sitz, unter anderem die Israelitische Kultusgemeinde, die Stadt der Bezirk Schwaben, der Unternehmer und Mäzen Georg Haindl, der Vorsitzender des Stiftungsrats ist, und Walter Eschle, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse.
Eine beratende Funktion sowohl für den Stiftungsrat als auch das Jüdische Kulturmuseum hat der Wissenschaftliche Beirat bislang eingenommen. Dieser Beirat unter dem Vorsitz des Historikers Prof. Rudolf Kießling besteht seit 18 Jahren und war damals gleich nach seiner Gründung maßgeblich in die Suche für eine neue Leitung für das Jüdische Kulturmuseum eingebunden. Der Beirat besteht aus sechs Wissenschaftlern: Josef Kirmeier (Direktor des Museumspädagogischen Zentrums München), Philipp Lenhard (LMU München), Otto Lohr (früher Landesstelle für nichtstaatliche Museen), Bernhard Purin (Direktor des Jüdischen Museums München) und Peter Fassl, der Bezirksheimatpfleger. Fünf der sechs Mitglieder haben die Auflösung des wissenschaftlichen Beirats mitgetragen, Bezirksheimatpfleger Peter Fassl nicht. Fassl möchte sich in dieser Angelegenheit nicht äußern, er verweist auch auf das laufende Bewerbungsverfahren im Jüdischen KulAugsburg, turmuseum, in dem er als Abgesandter des Bezirks tätig ist.
Kießling erklärt, dass der Wissenschaftliche Beirat im Vorfeld dieser Ausschreibung eine Initiative unternommen hat, endlich fest in der Satzung des Stiftungsrats verankert zu werden. Das beratende Gremium hat bislang keine formal verankerte Funktion. „Dieser Antrag ist abgelehnt worden“, sagt Kießling. Damit hätte die Arbeit des Beirats ein festes Fundament bekommen sollen. Weil der Beirat nun auch nicht in dem Gremium vertreten sei, das die Bewerbungen für das Museum sichtet, sehe der Beirat keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Prof. Hans-Eberhard Schurk, der Vorstand des Stiftungsrats, bedauert diesen Schritt. „Mir ist nicht bekannt, dass der Beirat in den zwei Mal jährlich stattfindenden Sitzungen des Stiftungsrats einen Antrag gestellt hätte, zu Wort zu kommen“, sagt Schurk – auch als Antwort darauf, dass es zu keinen Gesprächen mehr mit dem Stiftungsvorstand gekommen sei. Der Ausschreibungstext, den der Wissenschaftliche Beirat vorformuliert habe, sei hingegen weitgehend übernommen worden. „Mit Herrn Lohr und Herrn Fassl sitzen außerdem zwei Vertreter des Wissenschaftlichen Beirats im Gremium für die Bewerbung.“
Diesen Hinweis lassen Kießling und der Beirat allerdings nicht gelten, weil beide aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Institutionen, für die sie arbeiten oder gearbeitet haben, ausgewählt worden seien und eben nicht als Vertreter des Wissenschaftlichen Beirats.
Die scheidende Leiterin des Jüdischen Kulturmuseums Benigna Schönhagen, die im Juli 2018 in den Ruhestand tritt, bezeichnet den Rücktritt des Wissenschaftlichen Beirats als großen Verlust. „Jedes wissenschaftliche Museum benötigt für seine Arbeit einen wissenschaftlichen Rückhalt.“