Augsburger Allgemeine (Land West)
Krach um Islamkritik im Integrationsbeirat
Der Vorsitzende des städtischen Gremiums teilt im sozialen Netzwerk Facebook Beiträge, die sich kritisch mit der Religion auseinandersetzen. Andere Mitglieder wollten das nicht hinnehmen. Nun folgte der Rücktritt
Im Integrationsbeirat der Stadt – einem städtischen Gremium, das die Politik in Fragen der Integration berät und sich als Vertretung der
135 000 Augsburger mit ausländischen Wurzeln begreift – gärt es seit mehreren Monaten. Vorsitzender Maximilian Rothermel hat am Freitag den Rücktritt von seinem Amt erklärt. Rothermel hatte in den vergangenen Monaten häufig islamkritische Artikel via Facebook geteilt. Teile des Gremiums warfen ihm daraufhin vor, mit diesem Verhalten zu spalten statt zu integrieren.
Rothermel, der kolumbianische und deutsche Wurzeln hat und dessen Großvater Nazi-Deutschland
1938 verlassen musste, war im vergangenen Sommer, als sich der
30-köpfige Beirat neu konstituierte, zum Vorsitzenden gewählt worden. Er habe eine Debatte darüber anstoßen wollen, welche Teile des Islam mit westlichen Demokratien vereinbar oder nicht vereinbar sind, sagt er. „Ich wollte eine Diskussion über innerislamische Veränderungen führen. Sachlich und konstruktiv, nicht im Bereich Stammtisch.“Die verlinkten Artikel und Kommentare – zum großen Teil stammen sie aus etablierten Medien – befassen sich etwa mit der These, dass der Islam gegenüber anderen Religionen intolerant sei, analysieren das Verhältnis von Islam und Politik oder thematisieren Antisemitismus unter Zuwanderern. „Diese Debatten muss man im Integrationsbeirat führen“, so Rothermel. Er habe sich auf Facebook auch offensiv geäußert.
Doch bei einigen Mitgliedern kam die Art und Weise nicht gut an. Im Januar gab es von zwei Mitgliedern einen Beschwerdebrief an den erweiterten Vorstand, in dem Rothermels Facebook-Einträge mit kritischem Einschlag (in diesem Jahr waren es um die 30 zum Themenkomplex) als „antiislamisch“und „Israelpropaganda“bezeichnet werden. Auch ein nichtmuslimisches Beiratsmitglied ging kurz nach der Wahl im Sommer auf Rothermel zu, ohne dass man sich verständigte – am Ende waren die Fronten, auch weil persönliche Befindlichkeiten mit hineinspielten, in dem Gremium verhärtet.
Die Kritik Rothermels am Islam sei vor allem „negativ statt konstruktiv“gewesen, sagt Malika Bashirova, eine der beiden stellvertretenden Vorsitzenden. Pauschale Äußerungen gegen eine Religion seien problematisch. Der städtische Integrationsreferent Reiner Erben (Grüne) sagt: „Ein Vorsitzender sollte integrativ wirken.“Der Integrationsbeirat sei ein Forum für Diskussionen. „Ein Vorsitzender muss aber schauen, dass sich öffentlich alle Gruppen repräsentiert fühlen.“Dieser Eindruck sei angesichts der Facebook-Beiträge im Gremium nicht mehr vorhanden gewesen.
Rothermel weist die Vorwürfe zurück. Mit Islamophobie habe er nichts zu tun, den Begriff „Israelpropaganda“weise er ebenfalls zurück. Parteipolitisch sei er nicht gebunden, betont er. Er sehe sich als unbequemen Mahner von einem Teil des Beirats und der Politik ausgebremst.
Was die Kritik an seinen Facebook-Einträgen betrifft, verweist Rothermel darauf, dass einer seiner Kritiker im Beirat auch auf Facebook aktiv sei. Das Beiratsmitglied ist auf einem Foto vom April vor einem Plakat des türkischen Präsidenten Recep Erdogan zu sehen, der damals über eine Verfassungsänderung mit einem deutlichen Machtzuwachs für sich abstimmen ließ. Auch das sei ein Statement, so Rothermel, der bis auf Weiteres als Mitglied im Beirat bleiben wird. Am 19. März soll ein neuer Vorsitzender gewählt werden.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Integrationsbeirat in die Schlagzeilen gerät. Das Gremium, das es seit 40 Jahren gibt, wurde 2017 neu aufdurchwegs gestellt. Statt einer Urwahl durch die in Augsburg lebenden Migranten konnten sich Augsburger jeder Nationalität bewerben. Eine Auswahlkommission bestimmte aus den 90 anonymisierten Bewerbungen 30 Mitglieder, die dann den Vorstand aus ihrer Mitte wählten.
Grund für das geänderte Vorgehen war, dass es früher zu einer Fraktionsbildung im Beirat mit türkischstämmigen Vertretern als stärkster Gruppierung kam. 2013 geriet der damalige türkischstämmige Vorsitzende in die Kritik, weil er sich in einem Interview – wohl eher aus Ungeschicklichkeit denn aus Überzeugung – nur halbherzig von den türkisch-nationalistischen „Grauen Wölfen“distanzierte.
Sein Vorgänger stand noch massiver in der Kritik und überstand ein Misstrauensvotum nur knapp. Ihm wurde große Nähe zu nationalistischen türkischen Kreisen vorgeworfen. Seine Amtszeit endete, als er wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung in seiner Firma festgenommen wurde.