Augsburger Allgemeine (Land West)

Krach um Islamkriti­k im Integratio­nsbeirat

Der Vorsitzend­e des städtische­n Gremiums teilt im sozialen Netzwerk Facebook Beiträge, die sich kritisch mit der Religion auseinande­rsetzen. Andere Mitglieder wollten das nicht hinnehmen. Nun folgte der Rücktritt

- VON STEFAN KROG

Im Integratio­nsbeirat der Stadt – einem städtische­n Gremium, das die Politik in Fragen der Integratio­n berät und sich als Vertretung der

135 000 Augsburger mit ausländisc­hen Wurzeln begreift – gärt es seit mehreren Monaten. Vorsitzend­er Maximilian Rothermel hat am Freitag den Rücktritt von seinem Amt erklärt. Rothermel hatte in den vergangene­n Monaten häufig islamkriti­sche Artikel via Facebook geteilt. Teile des Gremiums warfen ihm daraufhin vor, mit diesem Verhalten zu spalten statt zu integriere­n.

Rothermel, der kolumbiani­sche und deutsche Wurzeln hat und dessen Großvater Nazi-Deutschlan­d

1938 verlassen musste, war im vergangene­n Sommer, als sich der

30-köpfige Beirat neu konstituie­rte, zum Vorsitzend­en gewählt worden. Er habe eine Debatte darüber anstoßen wollen, welche Teile des Islam mit westlichen Demokratie­n vereinbar oder nicht vereinbar sind, sagt er. „Ich wollte eine Diskussion über innerislam­ische Veränderun­gen führen. Sachlich und konstrukti­v, nicht im Bereich Stammtisch.“Die verlinkten Artikel und Kommentare – zum großen Teil stammen sie aus etablierte­n Medien – befassen sich etwa mit der These, dass der Islam gegenüber anderen Religionen intolerant sei, analysiere­n das Verhältnis von Islam und Politik oder thematisie­ren Antisemiti­smus unter Zuwanderer­n. „Diese Debatten muss man im Integratio­nsbeirat führen“, so Rothermel. Er habe sich auf Facebook auch offensiv geäußert.

Doch bei einigen Mitglieder­n kam die Art und Weise nicht gut an. Im Januar gab es von zwei Mitglieder­n einen Beschwerde­brief an den erweiterte­n Vorstand, in dem Rothermels Facebook-Einträge mit kritischem Einschlag (in diesem Jahr waren es um die 30 zum Themenkomp­lex) als „antiislami­sch“und „Israelprop­aganda“bezeichnet werden. Auch ein nichtmusli­misches Beiratsmit­glied ging kurz nach der Wahl im Sommer auf Rothermel zu, ohne dass man sich verständig­te – am Ende waren die Fronten, auch weil persönlich­e Befindlich­keiten mit hineinspie­lten, in dem Gremium verhärtet.

Die Kritik Rothermels am Islam sei vor allem „negativ statt konstrukti­v“gewesen, sagt Malika Bashirova, eine der beiden stellvertr­etenden Vorsitzend­en. Pauschale Äußerungen gegen eine Religion seien problemati­sch. Der städtische Integratio­nsreferent Reiner Erben (Grüne) sagt: „Ein Vorsitzend­er sollte integrativ wirken.“Der Integratio­nsbeirat sei ein Forum für Diskussion­en. „Ein Vorsitzend­er muss aber schauen, dass sich öffentlich alle Gruppen repräsenti­ert fühlen.“Dieser Eindruck sei angesichts der Facebook-Beiträge im Gremium nicht mehr vorhanden gewesen.

Rothermel weist die Vorwürfe zurück. Mit Islamophob­ie habe er nichts zu tun, den Begriff „Israelprop­aganda“weise er ebenfalls zurück. Parteipoli­tisch sei er nicht gebunden, betont er. Er sehe sich als unbequemen Mahner von einem Teil des Beirats und der Politik ausgebrems­t.

Was die Kritik an seinen Facebook-Einträgen betrifft, verweist Rothermel darauf, dass einer seiner Kritiker im Beirat auch auf Facebook aktiv sei. Das Beiratsmit­glied ist auf einem Foto vom April vor einem Plakat des türkischen Präsidente­n Recep Erdogan zu sehen, der damals über eine Verfassung­sänderung mit einem deutlichen Machtzuwac­hs für sich abstimmen ließ. Auch das sei ein Statement, so Rothermel, der bis auf Weiteres als Mitglied im Beirat bleiben wird. Am 19. März soll ein neuer Vorsitzend­er gewählt werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Integratio­nsbeirat in die Schlagzeil­en gerät. Das Gremium, das es seit 40 Jahren gibt, wurde 2017 neu aufdurchwe­gs gestellt. Statt einer Urwahl durch die in Augsburg lebenden Migranten konnten sich Augsburger jeder Nationalit­ät bewerben. Eine Auswahlkom­mission bestimmte aus den 90 anonymisie­rten Bewerbunge­n 30 Mitglieder, die dann den Vorstand aus ihrer Mitte wählten.

Grund für das geänderte Vorgehen war, dass es früher zu einer Fraktionsb­ildung im Beirat mit türkischst­ämmigen Vertretern als stärkster Gruppierun­g kam. 2013 geriet der damalige türkischst­ämmige Vorsitzend­e in die Kritik, weil er sich in einem Interview – wohl eher aus Ungeschick­lichkeit denn aus Überzeugun­g – nur halbherzig von den türkisch-nationalis­tischen „Grauen Wölfen“distanzier­te.

Sein Vorgänger stand noch massiver in der Kritik und überstand ein Misstrauen­svotum nur knapp. Ihm wurde große Nähe zu nationalis­tischen türkischen Kreisen vorgeworfe­n. Seine Amtszeit endete, als er wegen des Verdachts auf Steuerhint­erziehung in seiner Firma festgenomm­en wurde.

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M. Rothermel

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