Augsburger Allgemeine (Land West)
Millionen für Augsburg
Spitäler, Seniorenheime und Hilfe für bedürftige Menschen: Seit Jahrhunderten tragen Stiftungen zum sozialen Leben in der Stadt bei. Wie sie heute bestehen können und wie es mit Neugründungen aussieht
Das Augsburger Stiftungswesen hat eine jahrhundertelange Tradition. Derzeit gibt es in Augsburg 162 selbst rechtsfähige Stiftungen, 155 davon sind gemeinnützig, etwa ein Drittel befinden sich satzungsgemäß in der Verwaltung der Stadt. Zum Vergleich: In München kümmert sich die Verwaltung um 160 Stiftungen. Was alle gemein haben: Das gestiftete Vermögen (zum Beispiel Geld, Immobilien oder Wälder) bleibt erhalten, von der Erträgen wird der Stiftungszweck verfolgt.
Wie alt ist das Stiftungswesen in Augsburg?
Die Stiftungstradition in Augsburg geht teils bis ins 10. Jahrhundert zurück. So hatte man schon zu Zeiten von Bischof Ulrich im 10. Jahrhundert Sorge dafür getragen, dass Bedürftige, alte und kranke Menschen, versorgt wurden. Nach dem Vorbild der Kirche Santo Spirito in Sassia bei Rom, entstanden seinerzeit vielerorts in Europa kirchliche Hospitalstiftungen, so auch in Augsburg. Bereits im 13. Jahrhundert übernahm die Freie Reichsstadt Augsburg die der Hospitalstiftung und des Heilig-Geist-Spitals. Es ist damit die älteste unter städtischer Verwaltung stehende Sozialeinrichtung in der Stadt. „So gibt es noch heute in Augsburg Stiftungen mit mehr als 700-jähriger Geschichte“, erzählt Dieter Uitz, Amtsleiter des Wohnungs- und Stiftungsamts.
Was sind weitere alteingesessene Stiftungen in der Stadt?
Das St.-Servatius-Stift, das als Spital für „Siechen“, für Kranke, eingerichtet wurde, geht ebenfalls auf das
13. Jahrhundert zurück. 1348 wurde durch den Rat der Stadt die „Jakobsund Barfüßerpfründe“gegründet, die heutige Paritätische St.-Jakobsstiftung. Aber auch Stiftungen jüngeren Datums können schon auf eine lange Tradition verweisen. Die Stiftung Katholischer Studienfonds gibt es seit dem Jahr
1808. Sie hat einige historisch wertvolle Immobilien im Bestand, wie den Kleinen Goldenen Saal in der Jesuitengasse und das Wieselhaus, das seit 2014 das Fugger-und-WelserErlebnismuseum beherbergt.
Was ist die Herausforderung, eine Stiftung über so viele Jahrhunderte hinweg zu verwalten?
„Stiftungen werden für die Ewigkeit gegründet“, betont Amtsleiter Uitz. Damit sie über einen solch langen Zeitraum erhalten bleiben, müssen Liegenschaften erhalten oder auch gelegentlich anderen Nutzungen zugeführt werden. So wurde der Wollmarkttrakt der Paritätischen Hospital-Stiftung für 2,3 Millionen Euro saniert. 30 barrierefreie Appartements entstanden in dem 500 Jahre alten Gebäude im Ulrichsviertel. 20 Senioren aus dem Jakobsstift zogen unter anderem in den neuen Trakt ein. Denn nach einem Stadtratsbeschluss wurde das dortige Seniorenpflegeheim Ende 2016 geschlossen. Seither werden die Gebäude am Mittleren Lech, die seit 1563 das Jakobsstift beherbergen, umgebaut und saniert. Die Räumlichkeiten werden ab Mitte des Jahres von der Stiftungsverwaltung der Stadt, der Sozial- und Wohnungsverwaltung, dem Freiwilligenzentrum, einem inVerwaltung novativen und inklusiven Wohnprojekt für Menschen mit Behinderung genutzt – in unmittelbarer Nähe des bereits seit mehreren Jahren etablierten Projekts „Senioren und Studenten wohnen Tür an Tür“. So wird dort wieder eine soziale Drehscheibe entstehen, die, wie ursprünglich auch, Anlaufstelle für viele bedürftige Augsburger Bürger sein wird.
Wie viele neue Stiftungen kommen hinzu?
22000 rechtsfähige Stiftungen sind im Bundesverband Deutscher Stiftungen organisiert. Jährlich kommen 600 hinzu. In Augsburg werden immer wieder neue Stiftungen gegründet. Uitz: „Es gibt laufend Anfragen von Bürgern, die eine Stiftung gründen und in ihr Testament mit aufnehmen wollen.“So gibt es seit dem Jahr 2014 die Josefine-undEdeltraud-Stutzig-Stiftung. Die ehemalige Lehrerin hatte festgelegt, dass nach ihrem Tod ihr Vermögen Bildungszwecken zugutekommt. Sie unterstützt nun unter anderem Schüler, die aufgrund der Bedürftigkeit ihrer Eltern, sonst keine weiterführende Schule besuchen könnten.
In welchen Bereichen sind Augsburger Stiftungen aktiv?
Die meisten Stiftungen engagieren sich in den Bereichen Schüler und Studenten, Kultur, Denkmalschutz, Seniorenbetreuung, Arme, Bedürftige und Kranke, Bereitstellungen von Wohnraum, wie etwa die Kriegergedächtnis-Siedlung am Alten Postweg oder Landschaft und Naturschutz. Es gibt bekannte Beispiele von Stiftungen Augsburger Bürger, wie die Kartei der Not – das Leserhilfswerk der
oder die Kurt-und-FelicitasViermetz-Stiftung. Es gibt rund 80 kirchliche Stiftungen, Stiftungen von Institutionen, wie die Fuggerschen Stiftungen, oder das Sondervermögen des verstorbenen Ehrenbürgers Max Gutmann, mit dem jährlich sportliche und wissenschaftliche Zwecke unterstützt werden.
Was muss erfüllt werden, wenn eine Stiftung gegründet wird?
„Eine Stiftung zu gründen ist leichter als allgemein angenommen“, sagt Amtsleiter Uitz. Benötigt wird ein finanzieller Grundstock von 50 000 Euro, damit dem festgelegten Zweck auch dauerhaft nachgekommen werden kann. Grundsätzlich übernimmt die Stadt die Verwaltung zugewendeter Stiftungen für die Stifter kostenfrei. Die rechtsfähigen Stiftungen unterliegen allesamt der staatlichen Stiftungsaufsicht bei der Regierung von Schwaben.
Wie viel Geld befindet sich im Vermögen der Augsburger Stiftungen?
Genaue Zahlen kann der Amtsleiter nicht nennen, da dies Momentaufnahmen seien. „Aber es sind viele Millionen Euro, die im Wesentlichen in Liegenschaften gebunden sind“, sagt Uitz. Eine besondere Anforderung ist es, dass die Stiftungszwecke auch in der derzeitigen Lage am Kapitalmarkt sichergestellt werden. „Wir haben das Glück, bei den städtisch verwalteten Stiftungen breit, und auch in Immobilien investiert zu sein, sodass nach wie vor Erträge erwirtschaftet und ausgeschüttet werden können“, erläutert Uitz.
„Eine Stiftung zu gründen ist leichter als angenommen“