Augsburger Allgemeine (Land West)
Prozess gegen Reporter
Türkischer TV-Sender stufte Kindergarten als Terrorbasis ein
Es ist ein Fall, den es in Deutschland nicht allzu oft gibt. Einem Journalisten soll in der nächsten Woche wegen eines Fernsehbeitrags vor dem Amtsgericht in Augsburg der Prozess gemacht werden. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 35-jährigen Reporter Verleumdung und Volksverhetzung vor. Er hatte in einer Reportage für einen türkischen Sender behauptet, ein Augsburger Kindergarten betreibe Gehirnwäsche und erziehe Kinder zu Terroristen.
Bei dem Kindergarten handelt es sich um eine Einrichtung des Vereins Frohsinn, der sich zur Bewegung des türkischen Predigers Fethullah Gülen zählt. Der Verein betreibt in der Region Augsburg mehrere interkulturelle Kindertagesstätten, die hauptsächlich von deutschen Kindern besucht und ausschließlich von deutschsprachigem Personal betreut werden. Die türkische Regierung macht die GülenBewegung für den gescheiterten Putschversuch verantwortlich. In der Türkei ist Gülens Netzwerk, das Medienkonzerne, Firmen, Krankenhäuser, Schulen und Nachhilfezentren umfasste, durch zigtausend Verhaftungen und Enteignungen wohl weitgehend zerschlagen.
Der türkische Sender gehört wie die auflagenstarke Zeitung
für die der Reporter ebenfalls schreibt, zum regierungsnahen türkischen Konzern. Für seine Reportage aus Augsburg stellte sich der Journalist vor den FrohsinnKindergarten und sagte laut Anklage unter anderem, es habe nur „den Schein einer Bildungseinrichtung“. Die Wahrscheinlichkeit sei sehr groß, dass die „Kinder zu Terroristen ausgebildet werden“. Ein weiteres Zitat lautet sinngemäß übersetzt: „Wohin sie auch gehen, in welcher Höhle sie sich verstecken, wir werden hinter ihnen her sein.“
Der Geschäftsführer des Frohsinn-Vereins hatte wegen des Beitrags Anzeige erstattet. Das Amtsgericht verhängte zunächst einen Strafbefehl in Höhe von 3000 Euro gegen den Reporter. Weil der Journalist dagegen Einspruch einlegte, ist nun ein Prozess geplant. Das Gericht hat verschärfte Sicherheitsmaßnahmen angeordnet. Zuschauer werden durchsucht und müssen ihren Ausweis vorlegen.