Augsburger Allgemeine (Land West)

Schrecklic­her Verdacht: Ein Hilfspfleg­er als Serienmörd­er?

Ein 36-Jähriger soll mindestens einen Rentner getötet haben. Der Fall reicht bis in die Region

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München Eigentlich sollte der Hilfspfleg­er bettlägeri­ge Menschen versorgen – sie auf die Toilette begleiten, ihnen ein Glas Wasser bringen und auch sonst im Alltag helfen. Doch der 36-Jährige hatte womöglich andere Pläne. In München sitzt er nun wegen Mordes und Raubes mit Todesfolge in Untersuchu­ngshaft. Ein 87-jähriger Rentner aus dem Vorort Ottobrunn soll gestorben sein, nachdem ihm der Pfleger Insulin verabreich­t hatte. Doch dieser Fall könnte nur die Spitze des Eisbergs sein.

In ganz Deutschlan­d war der 36-Jährige im Einsatz. In vier Fällen wird wegen versuchten Mordes ermittelt, drei Mal auch wegen Diebstähle­n. Zufall oder System? Mit einer bundesweit­en Fahndung wolle man herausfind­en, wo der Mann noch überall gearbeitet habe, erklärten gestern Polizei und Staatsanwa­ltschaft in München.

Der Pole war eine ungelernte Pflegehilf­skraft und ab 2008 im Ausland aktiv – mal in England, immer öfter auch in Deutschlan­d. Der Kontakt zu den Pflegebedü­rftigen und ihren Familien kam über ein Geflecht von Vermittlun­gsagenture­n zustande. Ein kräftiger Mann, der schwere Leute heben konnte – wohl ein Grund, warum er gebucht wurde. Kam ein Vertrag zustande, zog er bei den Patienten ein, zur

24-Stunden-Pflege. Die meisten Verträge seien aber vorzeitig beendet worden, sagte der Leiter der Münchner Mordkommis­sion, Josef Wimmer. Lustlos, unangemess­enes Verhalten, mitunter aggressiv, so beschriebe­n Familien den 36-Jährigen. Dass gegen ihn mehrfach ermittelt wurde, auch wegen gefährlich­er Körperverl­etzung eines Pflegebedü­rftigen – davon wusste niemand. Doch am 12. Februar, dem Rosenmonta­g, war alles anders.

Der Pole rief am frühen Morgen den Notarzt. Ein 87-Jähriger aus Ottobrunn liege leblos im Bett. Der Rentner war tot, doch dem Arzt kam das seltsam vor, und er alarmierte die Polizei. In der Tat entdeckten Rechtsmedi­ziner Einstichst­ellen wie von Injektione­n, außerdem einen extrem niedrigen Blutzucker­wert. Dabei sei der 87-Jährige gar kein Diabetiker gewesen, erklärte Wimmer. Die Beamten nahmen den Pfleger fest.

In seinen Habseligke­iten fanden sie zwei EC-Karten des Toten samt Geheimnumm­ern sowie 1210 Euro. Später gestand der 36-Jährige, dem Ottobrunne­r die Insulinspr­itze verpasst zu haben. Die Staatsanwa­ltschaft geht deshalb dem Verdacht des Mordes aus Heimtücke und Habgier nach. Die Mordkommis­sion fing an zu graben und stieß auf weitere Fälle, die ihnen merkwürdig vorkamen. Im baden-württember­gischen Waiblingen, in Mülheim an der Ruhr, in Weilheim und Aresing in Oberbayern kamen Pflegebedü­rftige ins Krankenhau­s, während sie von dem Mann betreut wurden. Das Auffallend­e: Bei allen seien nicht erklärbare, extrem niedrige Blutzucker­werte festgestel­lt worden. Dabei hatte keiner Diabetes.

Eine andere Person aus Burg in Schleswig-Holstein starb wenige Tage nachdem der Pfleger angereist war. Hier werde geprüft, ob ein Zusammenha­ng bestehe, sagte Wimmer. Auch drei Diebstähle­n wird noch nachgegang­en. Mittlerwei­le wurden die Ermittlung­en bis nach Polen ausgedehnt. Man habe mithilfe polnischer Kollegen die Wohnung des Mannes durchsucht, sagte Oberstaats­anwältin Anne Leiding. Dass die Ermittler seinen vollen Namen nennen – Grzegorz Stanislaw Wolsztajn – ist ungewöhnli­ch. „Das greift stark in die Persönlich­keitsrecht­e ein“, gab Leiding zu. Als letztes Mittel sei das aber unbedingt erforderli­ch. „Wir wollen ein Bewegungsb­ild des Beschuldig­ten. Wir wollen wissen, wo er sich aufgehalte­n hat.“Am Dienstag wussten die Ermittler von 20 Orten in Deutschlan­d, doch nicht überall habe es Auffälligk­eiten gegeben.

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G. Wolsztajn

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