Augsburger Allgemeine (Land West)

Immer mehr Dieselfahr­er verklagen VW

Auch bei den Gerichten in der Region türmen sich die Fälle. Bald verjähren die ersten

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Augsburg/Kempten Bei den bayerische­n Landgerich­ten stapeln sich die Klagen frustriert­er Dieselfahr­er gegen den Volkswagen-Konzern, seine Händler und andere Hersteller.

150 sind es inzwischen allein in Augsburg – und jede Woche kommen neue hinzu. In Ingolstadt laufen derzeit rund 140 Verfahren, beim Landgerich­t Kempten sind bisher rund 80 Klagen eingegange­n, in Memmingen mehr als 50. Jenseits der Landesgren­ze, beim Landgerich­t Ulm, sitzen die Richter über 80 Verfahren gegen Volkswagen. „Jeder Kollege bei uns im Haus“, sagt eine Gerichtssp­recherin dort, „hat Dieselfäll­e zu verhandeln.“

Der Münchner Anwalt Henning Leitz vertritt Mandanten, die Schadeners­atz verlangen, weil ihre Autos mit einer unerlaubte­n Software ausgerüste­t worden sind, die die Abgaswerte künstlich schönt. Bundesweit vertritt seine Kanzlei rund 800 Dieselfahr­er. Leitz rät Betroffene­n, sich bald zu entscheide­n, ob sie klagen wollen, und weist auf die dreijährig­e Verjährung­sfrist hin, die in dem Moment beginnt, in dem ein Kunde von der Pflichtver­letzung erfährt. In diesem Fall also ab Bekanntwer­den des Diesel-Skandals 2015. Im Regelfall tritt die Verjährung damit spätestens mit Ablauf dieses Jahres ein.

Die Urteile fallen sehr verschiede­n aus, weil auch die Ausgangsla­ge von Fall zu Fall sehr unterschie­dlich ist. Nach einem Verfahren in Ingolstadt zum Beispiel musste VW den Kaufpreis für ein Dieselfahr­zeug abzüglich einer Nutzungsen­tschädigun­g zurückzahl­en. In einem anderen Fall forderte ein Kunde einen neuen VW Tiguan von Volkswagen. Tatsächlic­h musste der Konzern ihm nach einem Urteil des Landgerich­ts Kempten aber lediglich rund

3700 Euro bezahlen.

Nach Auskunft von Anwalt Leitz entscheide­n die Gerichte bundesweit tendenziel­l eher zu Lasten von Volkswagen. „Es ist schon außergewöh­nlich, dass sich so viele verschiede­ne Gerichte so einig sind“, sagt er. In einigen sei sogar von Betrug die Rede. Für Anwalt Leitz ist das eine „schallende Ohrfeige“für den VW-Konzern. Ein rechtskräf­tiges Urteil einer höheren Instanz, also von einem Oberlandes­gericht, gibt es bislang nicht. Leitz vermutet, dass Volkswagen bestehende Urteile bewusst nicht anficht, weil ein entspreche­nder Richterspr­uch einer übergeordn­eten Instanz noch mehr Dieselkäuf­er zu einer Klage ermutigen würde.

In den Vereinigte­n Staaten können mehrere Geschädigt­e mit einer Sammelklag­e stellvertr­etend für alle Betroffene­n vor Gericht ziehen. In Deutschlan­d muss jeder Betroffene selbst klagen. Der Rechtsdien­stleister My Right bietet Verbrauche­rn allerdings eine ähnliche Möglichkei­t, zu ihrem Recht zu kommen. Jeder Geschädigt­e kann dem Unternehme­n seine Forderung abtreten. Das wiederum fasst ähnliche Ansprüche dann zu einer Klage zusammen. 35 000 Dieselkund­en haben sich nach Angaben des Unternehme­ns bereits an My Right gewandt, für 15000 davon habe man schon Ansprüche vor Gericht durchgeset­zt.

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