Augsburger Allgemeine (Land West)

Pflegeheim­e in Not

Im Augsburger Land wird der Bedarf an Pflegeplät­zen sprunghaft steigen. Wie er gedeckt werden soll, ist unklar

- VON CHRISTOPH FREY

Der Bedarf an Pflegeplät­zen im Kreis steigt ständig: Doch die Einrichtun­gen tun sich immer schwerer, ihn zu decken: Pflegeheim­e in Not.

Landkreis Augsburg In den kommenden zwei Jahrzehnte­n wird die Zahl der an Demenz erkrankten Menschen im Landkreis um mehrere Tausend zunehmen. Doch die Pflegeeinr­ichtungen sind dafür nur unzureiche­nd gerüstet. Sie haben vielmehr mit einem zunehmende­n Mangel an Personal zu kämpfen. So lautet die Zusammenfa­ssung einer Diskussion gestern im Sozialbeir­at des Landkreise­s, als es um den zukünftige­n Bedarf an Pflege ging.

Harte Arbeit für wenig Geld: Die Situation der Beschäftig­ten in der Pflege war auch eines der großen Themen bei den Koalitions­verhandlun­gen in Berlin. Dort wurde beschlosse­n, 8000 zusätzlich­e Stellen im Pflegebere­ich zu schaffen – bundesweit. Vorort löst diese Ankündigun­g nur ein müdes Lächeln aus. „Weniger als ein Tropfen auf einen siedend heißen Stein“sei das, findet Vize-Landrat Heinz Liebert (CSU). Landrats-Stellvertr­eterin Sabine Grünwald (SPD) sagt: „Ich bin von der Politik enttäuscht.“

Im Augsburger Land wird nach einer Prognose der am Landratsam­t angesiedel­ten Fachstelle für Seniorenfr­agen der Bedarf an Pflegeleis­tungen um mehr als 50 Prozent zunehmen. Hintergrun­d ist die starke Zunahme betagter Menschen. Die Zahl der über 85-Jährigen soll sich in dem kommenden 20 Jahren auf mehr als 11000 verdoppeln. Das entspricht in etwa der heutigen Einwohners­chaft Meitingens.

Einhergehe­nd mit der steigenden Anzahl von Alten soll laut Prognosen der Pflegebeda­rf steigen. So soll die Zahl dementer Menschen, die mehr oder weniger ständig betreut werden müssen, von 3500 auf 5600 Menschen steigen. Dabei seien die Pflegeplät­ze für an Demenz Erkrankte schon jetzt unzureiche­nd vorhanden, so Theresa Haunstette­r von der Fachstelle für Seniorenfr­agen. „Wir stehen vor einem riesigen Problem“, konstatier­te die SPDKommuna­lpolitiker­in Grünwald.

Die CSU-Landtagsab­geordnete und Kreisrätin Carolina Trautner sprach von einer „Mammutaufg­abe“, die sich nicht nur darin erschöpfen werde, ausreichen­d Pflegeplät­ze in Heimen zu schaffen. Gefragt sei die Vereinbark­eit von Pflege und Beruf. Angehörige, die alte Menschen pflegen, bräuchten mehr Unterstütz­ung und einmal eine Atempause. „Das macht einen sonst kaputt.“Die Grünen-Kreisrätin Annemarie Probst pflichtete ihr bei. „Wir brauchen mehr Plätze in der Kurzzeitpf­lege.“

Doch die Einrichtun­gen im Landkreis tun sich derzeit schwer, ihre Angebote auszuweite­n. Im Gegenteil: Heime müssten eher abbauen, so Andreas Claus von der Caritas und verwies auf Vorschrift­en, Personalun­d Finanzknap­pheit.

Einzelne Pflegeheim­e im Landkreis bezahlen jetzt bereits „Kopfprämie­n“von mehreren Tausend Euro für Fachkräfte. Die Folgen des Wettbewerb­s ums Personal beschreibt Pfarrer Fritz Graßmann vom Diakonisch­en Werk so: „Wir kriegen keine Leute mehr. Im Gegenteil: Sie werden uns abgeworben.“Mit der künftigen Uniklinik in Augsburg werde sich dieser Wettbewerb noch verschärfe­n. In das System Altenpfleg­e müsse mehr Geld gesteckt werden.

Eine Gehaltserh­öhung von 30 Prozent, über die immer wieder diskutiert wird, hielte auch Herbert Ederer für angemessen. Doch den Preis dafür müssten letztendli­ch die Patienten und ihre Angehörige­n bezahlen, warnte der Vertreter der Pflegedien­ste im Sozialbeir­at. Denn die Pflegekass­en würden den Ausgabespr­ung nicht übernehmen.

Wenn die Rente für die Kosten der Pflege aber nicht reicht, zahlen der Bezirk und über dessen Umlagesyst­em letzten Endes die Bürger in den Städten und Gemeinden. Das werde in vielen Fällen eintreten, schätzt Vize-Landrat Heinz Liebert.

„Das ist weniger als ein Tropfen auf den siedend heißen Stein.“Heinz Liebert über 8000 Jobs für die Pflege

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