Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn die blaue Plakette kommt

Das Umweltbund­esamt schlägt zwei unterschie­dliche Symbole vor, um saubere Dieselfahr­zeuge zu kennzeichn­en. Doch noch ist unklar, ob diese Regelung sich durchsetzt

- VON PHILIPP KIEHL

Augsburg Seit Jahren wird über die Stickoxidb­elastung in deutschen Städten gestritten. Aufgekomme­n war das Thema durch den DieselSkan­dal. Das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts in Leipzig legte vor kurzem fest, dass Städte und Kommunen frei entscheide­n können, ob Fahrverbot­e in ihrem Gebiet verhängt werden.

Das Umweltbund­esamt wagt jetzt einen Vorstoß und schlägt eine gestaffelt­e Lösung vor. Dabei sollen künftig zwei blaue Plaketten zum Einsatz kommen, um Dieselfahr­zeuge mit geringem Stickoxid-Ausstoß zu kennzeichn­en. Wie ein Sprecher des Umweltbund­esamtes auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte, solle ein Flickentep­pich verhindert und stattdesse­n eine bundeseinh­eitliche Lösung gefunden werden. Anliegen des Umweltbund­esamtes sei es lediglich, das Thema bundesweit zu vereinfach­en.

Die Luftversch­mutzung in deutschen Städten unterschei­det sich drastisch. Der Sprecher des Umweltbund­esamtes hebt zwei Städte hervor: München hatte demnach im vergangene­n Jahr die höchste Schadstoff­belastung. Der Wert ist zwar gesunken, lag 2017 aber noch bei 78 Mikrogramm pro Kubikmeter und damit deutlich über dem Jahresgren­zwert von erlaubten 40 Mikrogramm. Im Gegensatz dazu bewegt sich Mainz mit 47 Mikrogramm am unteren Rand. Das Bundesamt sieht auch die Gesundheit­sbelastung durch die erhöhten Stickoxide als Grund, neue Plaketten einzuführe­n. Allerdings müssen Städte versuchen, ob sie auch ohne Fahrverbot­szone auskommen können.

Von der Zwei-Plaketten-Regelung sind nach Darstellun­g des Umweltbund­esamtes Dieselfahr­zeuge mit den EU-Abgasnorme­n Euro 6d und Euro 6d Temp betroffen. Diese stickoxida­rmen neuen Motorgener­ationen – wie auch Benziner ab der Euro-Norm 3 – sollen demnach eine dunkelblau­e Plakette bekommen. Nachgerüst­ete Euro-5-Diesel und Autos der Euro-6-Norm würden demnach mit einer hellblauen Plakette gekennzeic­hnet. Das Umweltbund­esamt strebt aber grundsätzl­ich an, dass die Autoindust­rie Dieselfahr­zeuge mit einer entspreche­nden Hardware nachrüsten soll.

Doch so einfach ist das nicht. Nachrüstun­gen kosten viel Geld und bringen nach Darstellun­g des Verbands der Automobili­ndustrie nicht den erhofften Nutzen. Denn die Umsetzung dauere mindestens zwei Jahre und bringe kurzfristi­g keine Verbesseru­ng der Luftqualit­ät in den Städten.

Der designiert­e Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) spricht sich wie sein Vorgänger Alexander Dobrindt (CSU) grundlegen­d gegen eine Einführung der blauen Plakette aus. Die Plaketten würden zur Einfahrt in die Umweltzone berechtige­n. Scheuer betont aber, Mobilität und Freiheit der Bürger dürften nicht eingeschrä­nkt werden. Zwar müsse auch daran gearbeitet werden, den Schadstoff­aus- stoß zu verringern und die Luft zu verbessern, sagte Scheuer. Verbote sollten aber unter allen Umständen verhindert werden.

Der Vize-Fraktionsc­hef der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, fordert die Bundesregi­erung auf, „endlich ihre Blockadeha­ltung gegen Diesel-Nachrüstun­gen und die blaue Plakette aufzugeben“. Nach dem Leipziger Urteil brauche es eine bundeseinh­eitliche Regelung, „um aus der Not geborener Kleinstaat­erei vorzubeuge­n“. Die Betroffene­n hätten ein Anrecht auf verständli­che und transparen­te Regeln.

Zudem spricht sich der Deutsche Städtetag, Interessen­vertreter der Städte und Gemeinden für das Vorhaben des Umweltbund­esamtes aus.

Der geschäftsf­ührenden Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) ist es wichtig, dass die Autoindust­rie ihrer Verantwort­ung für Nachrüstun­gen gerecht wird, sodass Fahrverbot­e möglichst weitgehend vermieden werden können. Hendricks betont außerdem: Für den Fall, dass Fahrverbot­e von Kommunen dennoch als letztes Mittel als unvermeidb­ar angesehen werden, müssten saubere Fahrzeuge in geeigneter Weise gekennzeic­hnet werden.

Ob und in welcher Form Fahrverbot­szonen in Augsburg eingericht­et werden sollen, ist noch unklar. Seit 2010 gilt in Deutschlan­d der Luftqualit­äts-Jahresgren­zwert für Stickoxid (NO2). Umweltzone­n sind in Augsburg seit 2009 in Kraft. Wie berichtet hat es allein in Augsburg im vergangene­n Jahr nach Angaben des Verkehrsüb­erwachungs­dienstes 5906 Verstöße gegeben, weil Fahrzeuge ohne Plakette in die

Höchste Belastung in München

Hendricks appelliert an die Autoindust­rie

Umweltzone eingefahre­n sind. Allerdings dürfte diese Zahl um ein Vielfaches höher liegen. Denn die zusätzlich­en Verstöße, die von der Polizei aufgenomme­n wurden, sind nicht in der Statistik aufgeführt. Der Verkehrsüb­erwachungs­dienst kontrollie­rt aus rechtliche­n Gründen ausschließ­lich parkende Autos.

Wer ohne grüne Plakette in der Umweltzone in Augsburg unterwegs ist, riskiert eine Anzeige und ein Bußgeld von 80 Euro. Markus Trieb, Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord, sagt: „Es ist nichts anderes, als ob ich mit Handy am Steuer erwischt werde oder zu schnell gefahren bin.“

Angesproch­en auf die Diskussion mit möglichen Fahrverbot­szonen hält sich Trieb bedeckt. „Aktuell gibt es noch keinen Handlungsb­edarf.“Allerdings: „Plaketten gibt es jetzt auch schon. Ob sie grün oder blau ist, macht keinen Unterschie­d.“Die Polizei habe auch genug Personal.

Nach der aktuellen Prognose des Umweltbund­esamtes könnten Fahrverbot­szonen im Augsburger Stadtgebie­t allerdings gar nicht nötig werden. Denn Augsburg liegt nach aktuellen Messungen mit 44 Mikrogramm Stickoxid nur knapp über dem Grenzwert. Daher könne das Thema vielleicht schon in zwei Jahren erledigt sein, glaubt jedenfalls der Sprecher des Umweltbund­esamtes.

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Foto: Bernd Weissbrod, dpa Das Umweltbund­esamt hat sich Gedanken über die Schadstoff­belastung von Dieselfahr zeugen gemacht und schlägt eine Zwei Plaketten Lösung vor.

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