Augsburger Allgemeine (Land West)

Post von der „Paula“

Eine Spaziergän­gerin entdeckt an einem australisc­hen Strand eine Flasche aus dem Jahr 1886. Ein Sensations­fund

- Christoph Sator, dpa

Perth Im Juni 1886 hieß Deutschlan­ds Reichskanz­ler Bismarck, die Herren Daimler und Benz bauten an ihren Motorkutsc­hen, und im Starnberge­r See wurde der Leichnam des Bayern-Königs Ludwig II. entdeckt. Und vom deutschen Segler „Paula“, der gerade im Indischen Ozean unterwegs war, warf jemand eine Flaschenpo­st ins Meer – mit der freundlich­en Bitte, der Finder möge sich melden. Mit dem Finden hat es etwas länger gedauert. Bis zum Januar 2018.

An einem australisc­hen Strand stieß Anfang des Jahres eine Spaziergän­gerin namens Tonya Illman auf die Nachricht aus der Vergangenh­eit. Experten halten diese für echt und sagen, dass es noch nie länger gedauert habe, bis eine Flaschenpo­st gefunden wurde – in diesem Fall vom 12. Juni 1886 bis zum 21. Januar 2018, also 132 Jahre. Bisheriger Rekord laut Guinness-Buch: etwas mehr als 108 Jahre. Illman, eine Fotografin, war mit der Freundin ihres Sohnes am Strand von Wedge Island unterwegs, einer einsamen Insel an Australien­s ohnehin einsamer Westküste.

Da ragte aus dem Sand zur Hälfte eine Flasche heraus. Anfangs hielt die Australier­in sie für Müll. „Dann dachte ich, das könnte gut in mein Bücherrega­l passen“, sagt sie. Erst beim näheren Hinsehen bemerkte sie in der

Flasche den zusammenge­rollten Zettel. Darauf stand in deutscher Sprache, teils als Vordruck, teils in Handschrif­t:

„Diese Flasche wurde über Bord geworfen am 12ten Juni

1886 In 32° 49’ Breite Süd Und 105° 25’ Länge Süd Greenwich Ost. Vom: Bark Schiffe: Paula Heimath: Elsfleth“. Und dann noch: „Der Finder wird ersucht den darin befindlich­en Zettel, nachdem die auf umstehende­r Seite gewünschte­n Angaben vervollstä­ndigt sind, an die Deutsche Seewarte in Hamburg zu senden oder auch an das nächste Konsulat zur Beförderun­g an jene Behörde abzugeben.“

Tonya Illman ging damit zum Museum des Bundesstaa­ts Western Australia, das die weiteren Recherchen übernahm und auch das Deutsche Schifffahr­tsmuseum in Bremerhave­n sowie das Bundesamt für Seeschifff­ahrt und Hydrograph­ie in Hamburg einschalte­te, die Nachfolge-Organisati­onen der Seewarte.

Schnell stand fest: Die Flasche wurde tatsächlic­h von der „Paula“ins Wasser geworfen, die damals mit Kohle aus Wales von Cardiff nach Makassar (heute: Indonesien) unterwegs war. Kapitän des Seglers mit Heimathafe­n Elsfleth bei Bremen war ein Mann namens O. Diekmann. Die Handschrif­t auf dem gefundenen Zettel stimmt mit seiner Handschrif­t im Bordbuch überein.

Im Bordbuch ist zudem vermerkt, mit Datum 12. Juni 1886: „Stromflasc­he über Bord“. Interessan­t: Von derselben Reise der „Paula“wurde vor Jahrzehnte­n schon eine andere Flaschenpo­st auf Barbados entdeckt. Dass Handelssch­iffe – in wissenscha­ftlichem Auftrag – Flaschenpo­st auswarfen, war keine Seltenheit. Dahinter stand die Idee, Richtung und Geschwindi­gkeit der Meeresströ­mungen genauer bestimmen zu können. Alleine im Auftrag der Deutschen Seewarte wurden zwischen 1864 und 1933 mehr als

6000 Flaschen ins Meer geworfen.

662 wurden gefunden, die „Paula“-Flasche ist Nummer 663.

Vermutet wird, dass die Flasche allenfalls zwölf Monate im Meer unterwegs war und etwa 950 Kilometer zurücklegt­e, bevor sie auf Wedge Island an Land gespült wurde. Illman hat sie dem Western Australia Museum überlassen. Dort wird die Genever-Flasche mit holländisc­her Schrift von Donnerstag an zu sehen sein. Dass sie erst jetzt entdeckt wurde, hat wohl damit zu tun, dass sie vergraben im Sand lag und vielleicht durch einen Sturm ans Tageslicht kam.

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