Augsburger Allgemeine (Land West)
Biber, Bier und heiße Schokolade
In der Fastenzeit wurde anno dazumal kräftig getrickst. Und die Tage davor waren im Augsburger Land ausgelassene Festtage
Landkreis Augsburg Achtung! Wer dieses Rezept nachkocht, macht sich doppelt strafbar. Erstens: Es handelt sich um die Verarbeitung eines geschützten Tieres. Zweitens: Es ist Fastenzeit, Fleisch kommt daher nicht auf den Tisch.
Doch vor einigen Jahrhunderten sah die Sache ganz anders aus. So berichten die Medien jedes Jahr auf neue, dass vor allem bei den Mönchen in den Wochen vor Ostern der gedünstete oder gebratene Biber, Biberschlegel mit Speck oder Biberschweif auf der Speisekarte stand. Mönche hätten einfach den Biber zum Fisch erklärt – und schon war der Genuss kein Fastenbrechen mehr. Heißt es. Von diesen Tricksereien aber weiß beispielsweise die Erzabtei St. Ottilien, die zur Diözese Augsburg gehört, nichts. Denn: „Uns gibt es seit dem Jahr 1887“. Und Biber habe zu dieser Zeit nicht auf der Speisekarte gestanden. Auch dem früheren Kreisheimatpfleger im Augsburger Land, Professor Walter Pötzl, sind solche Überlieferungen nicht bekannt.
In seinem Buch über Brauchtum in der Region sind jedoch ausführlich die Tage vor der strengen Fastenzeit beschrieben. So war mit der „Fastnacht“ursprünglich der Tag vor Aschermittwoch gemeint, weitete sich aber dann auf fast eine Woche aus. „Die Menschen brauchten eine Art Ventil, um nach dem Winter und vor der strengen Fastenzeit die Lebensfreude so richtig rauszulassen“, sagt Pötzl. So schreibt er in seinem Buch, dass beispielsweise im Kloster Oberschönenfeld um die Mitte des 18. Jahrhunderts jeder der sechs Tage vor der Fastenzeit einem Festtag glich. Ein Brauch war, dass Bedienstete großzügig versorgt wurden. So bekam der Baumeister „Henne, Braten, Rindfleisch, Würste und Sulz“geschickt. Der Bauhof durfte sich über „Speck auf Kraut“freuen und in die Pfisterei wurde „Fleisch und Sulz“geliefert. Diener, Gärtner oder Nachtwächter erhielten jedoch nur drei Maß Bier pro Person.
Möglicherweise entwickelte sich dadurch im Laufe der Zeit die Mär, dass Mönche auch in der Fastenzeit reichlich dem Gerstensaft gefrönt haben. So sei angeblich überliefert, dass der Frater Brauer im Kloster Andechs in der Fastenzeit seinen von 18 auf nur noch zehn Maß pro Tag reduziert habe. Martin Glaab von der Pressestelle weiß davon nichts. Richtig sei aber, dass Bier damals ein wichtiges Grundnahrungsmittel war. „Trinkwasser war im Mittelalter kein Allgemeingut“, erklärt Glaab. Zudem habe der Gerstensaft damals noch nicht die Alkoholkonzentration der heutigen Biere gehabt. Nach wie vor gelte somit auch heute noch „Flüssiges bricht Fasten nicht“.
Geschichten aber, dass Mönche sogar ganze Schweine oder Enten in Klosterbrunnen ertränkt haben sollen, um sie als Wassertiere deklarieren und somit essen zu können, weist Glaab ins
Reich der Mythen und Legenden. In den Annalen des Klosters Andechs, das es seit 1455 gibt, sei jedenfalls nichts Vergleichbares zu finden.
Der Theologe Professor Manfred Becker-Huberti kann sich auch denken, warum das so ist. Er war von 1990 bis 2006 Pressesprecher des Erzbistums Köln und kennt sich bestens mit historischen Fastenbräuchen aus. „Da die geschilderten Missbräuche nicht unbedingt zu den positiven Elementen des Klosterlebens gehören, haben sich die betroffenen Einrichtungen sicher nicht in ihren Chroniken gerühmt“, sagt er. „Aber es hat sie gegeben.“Allerdings eher in den Stiften und vor allem auf den Schlössern der Adligen“.
Falsch sei es daher, die Mönche in Verbindung mit den Tipps und Tricks zu bringen, um beispielsweise auch Wildbret in der FastenBierkonsum zeit zu genießen. „Das Jagdrecht besaß der Adel und damit verweisen diese Fastenvergehen auch deutlich auf den Adel“, erklärt der Professor. So soll der in einen Bach getauchte frisch erlegte Hirsch ihn angeblich zu einem Fisch umwandeln – wie auch alles Übrige, was schwamm: Biber, Ente, Gans, Schwan ...!
„Anders verhält es sich mit der Schokolade“, sagt Becker-Huberti. Nachdem Mönche sie in Südamerika kennengelernt hatten, hätten sie diese den Papst im Vatikan kosten lassen: „Der aber wandte sich angesichts dieses Suds, der noch nicht von Fett befreit oder gesüßt war, angewidert ab und befand, dass dieses widerliche Zeug nicht die Fastenregeln verletzte.“Bekanntermaßen sei es schnell gelungen, Schokolade trinkbar zu machen, wodurch sie zu einem Modegetränk des Adels wurde. Und eine Tasse heiße Schokolade ist auch heute noch ein Genuss – der gebratene Biber aber steht auf keiner Karte mehr.