Augsburger Allgemeine (Land West)
Alternativen zum Flugzeug
Cynthia Matuszewski erklärt, warum Flugreisen klimaschädlich sind und wie man den CO2-Ausstoß kompensieren kann
Wenn der Himmel schon seit Wochen grau ist und Sonnenlicht nur noch eine vage Erinnerung, lösen selbst die simpelsten Bilder bei mir Sehnsucht aus: Türkisblaues Meer, hellblauer Himmel soweit das Auge reicht, weißer Strand… Ich will genau dorthin. Jetzt! Am Ende des Winters bin ich am anfälligsten für irrationale Entscheidungen und für die Art von Reisen, die ich – aus ökologischer Sicht – unbedingt meiden sollte: Flugreisen. Denn ich weiß natürlich auch, dass Fliegen zu den Klimakillern schlechthin gehört.
Am besten wäre es, gar nicht mehr zu fliegen. Bei Strecken bis zu 1000 Kilometern fällt mir die Entscheidung auch nicht schwer: Reisebus und Bahn schneiden klimatechnisch am besten ab, ich entscheide mich für die Bahn. Von Augsburg aus ist man in fünf Stunden in Paris – das hat unsere Familie sogar mit jüngeren Kindern gut bewältigt. Natürlich gibt es auch immer wieder mal Pannen. Erst kürzlich stand ich drei Stunden auf der neuen Strecke Berlin-München. Nachts. Bei Minustemperaturen. Aber erstens bin ich auch schon auf diversen Flughäfen gestrandet. Und zweitens überzeugen mich die Zahlen: Bei einer Hin- und Rückfahrt im ICE verursache ich auf der erwähnten Strecke Berlin-München 45 Kilogramm (kg) CO2. Im Flugzeug ist es fast die siebenfache Menge: 310 kg CO2.
Was aber, wenn mein Traumstrand nur mit dem Flugzeug zu erreichen ist? Elektroflugzeuge sind noch Zukunftsmusik, genau wie der Antrieb mit Biosprit, der außerdem umstritten ist. Auf meiner Suche nach Lösungen bin ich auf die freiwillige Kompensation von CO2-Emissionen gestoßen. Mithilfe eines Klimarechners werden die Schadstoffe ermittelt, die ich mit meinem Flug verursache, und eine Kompensations-Summe errechnet. Das Geld kann ich für ein Klimaschutzprojekt spenden. Bei der gemeinnützigen Organisation Atmosfair unter anderem für grünen Strom in Bolivien, Kleinbiogasanlagen in Nepal oder Windkraft in Nicaragua. Neutralisieren kann ich meinen Flug damit nicht – die Schadstoffe sind in der Luft. Aber ich kann an anderer Stelle in der Welt den Schadstoffaus- stoß reduzieren. Bei einem Hinund Rückflug München – Barcelona liegt der CO2-Ausstoß laut Atmosfair bei 566 Kilo und wir können 14 Euro spenden. Für München – New York werden 3856 kg CO2-Emissionen errechnet und die Spendenhöhe beträgt 89 Euro. Wobei München – New York die Ausnahme bleiben muss: Denn wenn die Erderwärmung bis zum Jahr 2050 nicht mehr als zwei Grad betragen soll, dürfte jeder Mensch jährlich nur 2300 kg CO2 verursachen – und das natürlich nicht allein fürs Reisen.
Es gibt viele Anbieter, die
CO2-Kompensation anbieten. Mir hat eine Liste bei Utopia geholfen, den Richtigen zu finden. Denn ich will den RDIFaktor zahlen: Dabei wird neben dem CO2 auch die schädliche Wirkung von Stickoxid, Wasserdampf, Zirruswolken oder Rußund Kondensstreifen berücksichtigt. Und ich möchte nur Projekte mit dem sogenannten CDM-GoldStandard unterstützen. Das ist der strengste existierende Standard für Klimaschutzprojekte.
Aber kaufe ich mich damit nicht einfach nur frei? Wenn es um das Fliegen geht, gibt es keine perfekte Lösung, es gibt nur eine weniger schlechte Lösung. Bei mir bewirkt die Auseinandersetzung mit dem Fliegen und mit dem CO2-Klimarechner, dass ich meine Reiseentscheidung gut überdenke. Und ich lasse mich nicht von meinem Sehnsuchtsflash überwältigen! Wenn es wirklich gar keine Alternativen gibt, lautet meine Prämisse: Nie mehr fliegen ohne freiwillige
CO2-Kompensation. Ansonsten: Ab an die Ostsee!
Cynthia Matuszewski aus Großaitingen ist Chefre dakteurin des Internetportals „Lifeguide Augsburg“, das über nachhaltiges Leben in der Region berichtet.