Augsburger Allgemeine (Land West)
„Frauen ab 45 halten eine Quote oft für nötig“
In Führungspositionen finden sich immer noch vor allem Männer. Warum stockt die Gleichberechtigung in der Wirtschaft? Und was muss die Politik jetzt tun? Die renommierte Soziologin Jutta Allmendinger hat Vorschläge
Allmendinger: Oh, wir hegen diese Hoffnung doch schon seit 20 Jahren. Nein, solange sich die Rahmenbedingungen in den Organisationen nicht ändern, wird sich nichts tun. Solange eine Verringerung der Erwerbstätigkeit von zwei, drei Jahren wie jetzt zu massiven langfristigen Nachteilen für den Berufsverlauf und einer enormen Verminderung der Rente führt, tut sich nichts. Sie müssen sehen, dass viele Frauen momentan oft nur die Hälfte der Altersrente von Männern erhalten. Nein, wenn die Wirtschaft an den gut gebildeten, hochmotivierten Frauen interessiert ist, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich entsprechend aufzustellen und nicht immer nur zu reden.
Was müsste sich gleich ändern? Familienfreundlich nennen sich ja viele.
Allmendinger: Frauen müsste der entsprechende Respekt entgegengebracht werden: Es müsste die Einstellung herrschen, dass Frauen das auch wollen – dies wird ja oft bezweifelt. Es müsste die Einstellung herrschen, dass Frauen das schaffen. Es müsste die Einstellung herrschen, dass es auch Frauen mit Kindern schaffen. Und es müsste klar sein, dass man sich auch mit einer 32- oder 30-Stunden-Woche für Positionen im mittleren und höheren Management qualifizieren und empfehlen kann.
Was können Frauen tun?
Allmendinger: Dass sie etwas mehr auf sich achten. Sie sollten, wenn Kinder da sind, nicht 70, 80 oder gar 90 Prozent der häuslichen Arbeit übernehmen, sondern diese partnerschaftlich aufteilen. Dies sollten sie auch tun, wenn das Einkommen des Mannes etwas höher ist als das eigene.
Und was erwarten Sie von der Politik?
Allmendinger: Hier müsste das, was jetzt in den IG-Metall-Verhandlungen im Vordergrund stand, nämlich eine vorübergehende 28-StundenWoche für die Zeit von bis zu zwei Jahren mit partiellem Lohnausgleich, allen Arbeitnehmern zur Verfügung stehen. Denn ich glaube, dass dies das Potenzial birgt, Stereotypisierungen zu mindern. Und es ist leichter zu verstehen als das Elterngeld plus, das sehr kompliziert ist.
● Jutta Allmendinger, 61, ist Pro fessorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung und Präsiden tin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB).