Augsburger Allgemeine (Land West)

„Frauen ab 45 halten eine Quote oft für nötig“

In Führungspo­sitionen finden sich immer noch vor allem Männer. Warum stockt die Gleichbere­chtigung in der Wirtschaft? Und was muss die Politik jetzt tun? Die renommiert­e Soziologin Jutta Allmending­er hat Vorschläge

- Interview: Daniela Hungbaur

Allmending­er: Oh, wir hegen diese Hoffnung doch schon seit 20 Jahren. Nein, solange sich die Rahmenbedi­ngungen in den Organisati­onen nicht ändern, wird sich nichts tun. Solange eine Verringeru­ng der Erwerbstät­igkeit von zwei, drei Jahren wie jetzt zu massiven langfristi­gen Nachteilen für den Berufsverl­auf und einer enormen Verminderu­ng der Rente führt, tut sich nichts. Sie müssen sehen, dass viele Frauen momentan oft nur die Hälfte der Altersrent­e von Männern erhalten. Nein, wenn die Wirtschaft an den gut gebildeten, hochmotivi­erten Frauen interessie­rt ist, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich entspreche­nd aufzustell­en und nicht immer nur zu reden.

Was müsste sich gleich ändern? Familienfr­eundlich nennen sich ja viele.

Allmending­er: Frauen müsste der entspreche­nde Respekt entgegenge­bracht werden: Es müsste die Einstellun­g herrschen, dass Frauen das auch wollen – dies wird ja oft bezweifelt. Es müsste die Einstellun­g herrschen, dass Frauen das schaffen. Es müsste die Einstellun­g herrschen, dass es auch Frauen mit Kindern schaffen. Und es müsste klar sein, dass man sich auch mit einer 32- oder 30-Stunden-Woche für Positionen im mittleren und höheren Management qualifizie­ren und empfehlen kann.

Was können Frauen tun?

Allmending­er: Dass sie etwas mehr auf sich achten. Sie sollten, wenn Kinder da sind, nicht 70, 80 oder gar 90 Prozent der häuslichen Arbeit übernehmen, sondern diese partnersch­aftlich aufteilen. Dies sollten sie auch tun, wenn das Einkommen des Mannes etwas höher ist als das eigene.

Und was erwarten Sie von der Politik?

Allmending­er: Hier müsste das, was jetzt in den IG-Metall-Verhandlun­gen im Vordergrun­d stand, nämlich eine vorübergeh­ende 28-StundenWoc­he für die Zeit von bis zu zwei Jahren mit partiellem Lohnausgle­ich, allen Arbeitnehm­ern zur Verfügung stehen. Denn ich glaube, dass dies das Potenzial birgt, Stereotypi­sierungen zu mindern. Und es ist leichter zu verstehen als das Elterngeld plus, das sehr komplizier­t ist.

● Jutta Allmending­er, 61, ist Pro fessorin für Bildungsso­ziologie und Arbeitsmar­ktforschun­g und Präsiden tin des Wissenscha­ftszentrum­s Berlin für Sozialfors­chung (WZB).

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