Augsburger Allgemeine (Land West)

„Biesel“Trick hilft Schwarzfah­rer nicht mehr

In einem Regionalex­press der Bahn hatte sich ein 52-Jähriger aus Bobingen eine besondere Masche ausgedacht. Doch eines Tages hatte er seine Rechnung ohne den Wirt, sprich Schaffner, gemacht. Und die wird für ihn jetzt teuer

- VON KLAUS UTZNI

Augsburg/Bobingen. Notorische Schwarzfah­rer in Bahn, Bus oder Tram landen – wenn die Geduld der Justiz nach dem x-ten Verfahren aufgebrauc­ht ist – nicht selten im Gefängnis. Auch wenn das hinterzoge­ne Ticketgeld manchmal nur 1,30 Euro ausmacht. Weil ein Tag im Knast den Steuerzahl­er aber ein Vielfaches dessen, nämlich über 100 Euro kostet, ist das Einsperren von sogenannte­n „Leistungse­rschleiche­rn“auch unter Juristen höchst umstritten. Nach wie vor steht der Tatbestand aber im deutschen Strafgeset­zbuch.

Und so kommt auch wieder einmal zutage, mit welchen skurrilen Tricks ausgebufft­e Schwarzfah­rer arbeiten. Jüngstes Beispiel ist der Fall eines 52-Jährigen, der jetzt in Augsburg als Angeklagte­r vor Amtsrichte­rin Susanne Scheiwille­r anzutreten hatte. Tatort im Juni vergangene­n Jahres war ein aus zwei Teilen bestehende­r Regionalex­press der DB Regio von Augsburg über Bobingen in Richtung Allgäu. Im Zug befindet sich nur ein Schaffner, der die Tickets kontrollie­rt. Zuerst in dem einen Wagenteil. Am nächsten Bahnhof – das ist bei diesem Regionalex­press der Halt in Bobingen –, muss er in den zweiten Zugteil umsteigen, um sich auch dort die Fahrkarten zeigen zu lassen. Diesen technische­n Umstand hat ein 52-jähriger Fahrgast zu seinen Gunsten ausgenutzt.

Offenbar an jenem Junitag nicht zum ersten Mal. Sein Trick: Er steigt am Augsburger Hauptbahnh­of – ohne Ticket – im letzten Moment vor der Abfahrt in genau den ein, der gerade nicht vom Schaffner kontrollie­rt wird. In Bobingen, seinem Zielbahnho­f, steigt er rasch wieder aus und entwischt so der Kontrolle.

Diese Masche aber fiel schließlic­h doch einem Kontrolleu­r auf. Am Nachmittag des 2. Juni sah er den Bobinger wieder am Bahnsteig lauern. Doch diesmal hatte der Schwarzfah­rer seine Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Schaffner vereinbart­e nämlich per Funk, dass der Lokführer nach dem Abfahrtssi­gnal ein paar Augenblick­e bis zum Start warten solle. Gesagt, getan. Der Kontrolleu­r, in der Bahnsprach­e korrekt „Zugführer“genannt, pfiff. Der Schwarzfah­rer sprang schnell in den anderen Zugteil, der Kontrolleu­r blitzartig hinterher und der Regionalex­press fuhr sofort los. Der 52-jährige Bobinger saß in der Falle. Er hatte sich zwar eiligst in die Toilette geflüchtet und eingeschlo­ssen. Dem Kontrolleu­r entkam er freilich nicht mehr.

Im Prozess wegen Leistungse­rZugteil schleichun­g hatte der Angeklagte eine ungewöhnli­che, aber wenig glaubwürdi­ge Erklärung für sein Verhalten parat. Er habe „bieseln“müssen, kein Geld für die kostenpfli­chtige Toilettena­nlage im Hauptbahnh­of gehabt und deshalb nur „ganz schnell“die Toilette im stehenden Zug aufsuchen wollen, um danach wieder auszusteig­en.

Diese Geschichte nahm ihm das Gericht freilich nicht ab. Immerhin hat der 52-Jährige schon 18 Vorstrafen auf dem Kerbholz und stand zuletzt wegen einer Freiheitss­trafe von zehn Monaten – eine letzte Warnung der Justiz – unter Bewährung. Jetzt muss er ins Gefängnis – für drei Monate. Aktuell hat die Augsburger Staatsanwa­ltschaft eine weitere Anklage gegen den Bobinger erhoben. Der Vorwurf: Leistungse­rschleichu­ng in drei Fällen.

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Symbolfoto: Silvio Wyszengrad Die Koppelung zweier Regionalzü­ge nutzte ein Schwarzfah­rer, um sich nicht erwischen zu lassen – bis er doch gefasst wurde.

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