Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Lech macht Mode
Wanderschäfer, historische Rohstoffe und spannende Geschichten über Natur und Leben am Wildfluss: Modedesignerin Sophia Stuhlmiller hat sich für ihre Kollektion vom Lech inspirieren lassen
Mal aussehen wie ein moderner Flussgott. Oder wie eine modische Wanderschäferin auf den Augsburger Lechheiden. Sophia Stuhlmiller macht es möglich. Die junge Modedesignerin hat eine ungewöhnliche Kollektion für Männer und Frauen entworfen und in München auf den Laufsteg gebracht. Der Lech, seine Natur und Landschaften waren ihre Inspirationsquelle. Und das Ergebnis ist so gelungen, dass sie nicht nur eine Fachjury überzeugte. Die Modemacherin hat auch einen überraschenden Fan gewonnen.
Sophia Stuhlmiller kennt den Lech noch aus ihrer Kindheit. Die 23-Jährige ist in Augsburg geboren und im Landkreis bei Zusmarshausen aufgewachsen. Sie studierte an der bekannten Münchner AMDAkademie für Mode und Design. Dort hat sie gerade ihren Bachelor gemacht. Mit ihrer Abschlusskollektion macht sie nun auch Furore.
Andere Designstudenten an der Akademie haben ihren Blick auf modische Trends aus aller Welt gerichtet. Sophia Stuhlmil- ler ging den Weg zurück in die Heimat und zu ihren Wurzeln. Am Lech war sie schon als Kind gerne unterwegs. „Die Natur ist mir wichtig“, sagt sie. Da lag der Gedanke nahe, die Schönheit der Augsburger Flusslandschaft modisch zum Thema zu machen, aber auch Projekte, die helfen, den gefährdeten Naturraum zu retten und zu bewahren.
Bei den umfangreichen Recherchen für ihre Abschlusskollektion informierte sich Stuhlmiller über viele Hintergründe – etwa über die schonende Beweidung der Lechheiden mithilfe eines Wanderschäfers und seiner Herde. Darum kümmert sich die städtische Landschaftspflege, die alles daran setzt, die Reste der alten Kulturlandschaft vor wuchernden Sträuchern zu schützen. Sophia Stuhlmiller wollte aber auch mehr über Nutztiere wissen, die früher einmal in großen Mengen Rohstoffe für die Kleiderproduktion in der Region lieferten. Fündig wurde die Modedesignerin auf Gut Morhard in Königsbrunn. Dort hält der Augsburger Tierschutzverein Krainer Steinschafe, eine traditionelle Rasse, die inzwischen vom Aussterben bedroht ist.
Aber auch der einstige Wildfluss Lech, der kanalisiert und in ein enges Bett gezwängt wurde, hat noch immer eine besondere Faszination. Wie viele interessante Geschichten mit dem Fluss, seinen Tieren und Pflanzen zusammenhängen, ließ sich die 23-Jährige von Naturforscher Eberhard Pfeuffer erzählen. Die Begegnung mit ihm war für sie ein Aha-Erlebnis. „Ich war total begeistert von seinem Wissen und seiner Leidenschaft“, sagt Sophia Stuhlmiller. Erst durch diese Gespräche hätten sich alle Informationen zusammengefügt, sagt sie. „Welche Vielfalt die Natur noch hat, war mir nicht bewusst, obwohl ich hier aufgewachsen bin.“
Nun brannte auch die Modestudentin für das Thema Natur in ihrer Abschlussarbeit. Aufgabe war nicht nur, eine Kollektion mit mindestens sechs Outfits für Männer und Frauen zu entwerfen und zu realisieren. Auch die Konzeption, die dahinter steckt, war gefragt. Sophia Stuhlmiller hat sie in einem dicken Dokumentationsband beschrieben.
Eines ihrer Ziele war, die Kollektion komplett aus nachhaltigen und regionalen Materialien zu fertigen – bis hin zu Knöpfen und Ösen. Deshalb begab sie sich auf die Suche nach Wolle von Krainer Steinschafen, die verstrickt wurde. Bei einigen Kleidungsstücken kam Lederimitat zum Einsatz, das aus recycleten Plastikflaschen gefertigt ist. Andere Stoffe wurden aus Jersey-Fäden gewebt, die aus aufgearbeiteten Kleiderabfällen internationaler Modekonzerne stammen.
Aus diesen Grundstoffen schuf die junge Designerin moderne Modeträume rund um den Lech: Ihre weiblichen Models schickt sie beispielsweise in einem lässigen LagenLook mit Wollüberwurf auf den Laufsteg – als modische Wanderschäferin. Andere Kleider sind an überraschenden Stellen geschnürt, mit Bändern in der Farbe blauen Wassers. Ein Jeans-Overall endet an den Ärmeln in „fließenden“Wollfäden (siehe Foto). Männer kleidet Sophia Stuhlmiller als moderne Flussgötter. In gestrickten Röcken sehen sie aus, als seien sie in einem Gewand aus Flusskieseln und Tannenzapfen unterwegs. Auf Pullis schimmert ein geheimnisvolles Muster, das Wasserspiegelungen des Lechs aufnimmt. Vorlage waren Naturfotos von Eberhard Pfeuffer. Stuhlmiller fertigte daraus einen Siebdruck mit Wellen.
In München, auf dem Laufsteg in der „Reithalle“, gab es viel Applaus für ihre junge, kreative Naturmode. Beim Wettbewerb der Absolventen belohnte die Jury die Kollektion mit dem dritten Preis. Mit der Mode vom Lech hat die 23-Jährige noch Pläne. Sie soll auch bei anderen Wettbewerben zu sehen sein. Beruflich denkt Sophia Stuhlmiller daran, an ihren Bachelor noch ein Masterstudium anzuhängen. Textildesignerin zu werden, ja, das kann sie sich gut vorstellen.