Augsburger Allgemeine (Land West)

Premium Aerotec: Wohin führt der Weg?

Mitarbeite­r äußern sich vor dem Werkstor zur Situation im Unternehme­n, das in Augsburg Stellen abbaut. Die Stimmung schwankt zwischen Besorgnis und Zuversicht. Die Stadtspitz­e ist im Kontakt mit Airbus

- VON TANJA FERRARI UND MICHAEL HÖRMANN

Es ist ein Tag, den die Mitarbeite­r bei Premium Aerotec mit gemischten Gefühlen erwartet haben. Am Mittwoch sollte klar sein, wie sich der geplante Stellenabb­au beim Mutterkonz­ern Airbus auf den Standort Augsburg auswirkt. Europaweit sollen 3700 Stellen abgebaut werden. Welches Ausmaß konkret für Augsburg zu erwarten ist, bleibt noch offen. Auf einer Betriebsve­rsammlung wurde bekannt, dass in diesem Jahr 300 Leiharbeit­er betroffen sein könnten und im nächsten Jahr 150 bis 200 Leiharbeit­er. Derzeit hat das Unternehme­n in Augsburg rund 4000 Mitarbeite­r.

Die Beschäftig­ten, die mittags am Werksgelän­de in Haunstette­n anzutreffe­n sind, wirken teils entspannt, teils aber auch sehr nervös und verunsiche­rt. Wer aufs Werksgelän­de möchte, muss an der Pforte vorbei. Das gesamte Areal ist eine Hochsicher­heitszone. Den freien Zugang gibt es auf den großen Betriebspa­rkplatz mit mehreren hundert Stellplätz­en. Dieser große Parkplatz ist gegen 13 Uhr proppenvol­l. Zu diesem Zeitpunkt ist aber kaum ein Mensch unterwegs. Nur vereinzelt kommen Beschäftig­te aus dem Betrieb. Manche gehen ins Werk.

Selbst nach der Betriebsve­rsammlung werde es für Augsburg vermutlich keine offizielle­n Zahlen geben, vermutet ein Mitarbeite­r, der auf dem Weg zur Arbeit ist. Er sagt: „Das ist alles nur eine Hinhalteta­ktik.“Er selbst ist seit 15 Jahren bei Aerotec angestellt und sieht die Entwicklun­g mit Besorgnis. Mit Familie, Haus und Kindern sei die Ungewisshe­it belastend, sagt der 47-Jährige. „Auf ein Statement vonseiten der Geschäftsl­eitung warten wir vergebens“, sagt er. Den Gerüchten nach seien im Falle eines Stellenabb­aus auch langjährig­e Mitarbeite­r nicht geschützt. Geschäftsf­ührer und Ingenieure müssten sich weniger Sorgen machen, sagt er. „Deren Jobs sind sicher. Wir Arbeiter sind chancenlos.“

Ein anderer Mitarbeite­r gibt zu bedenken, dass es schwierig werden könne, einen neuen Job zu finden. Nicht nur gebe es in diesem Sektor kaum noch Stellen, auch spiele das Alter eine entscheide­nde Rolle. Er selbst ist 55 Jahre alt und fürchtet, dass er kaum einen neuen Arbeitspla­tz finden werde. Vor zwei Jahren habe das Werk geboomt, berichtet er. „Wir hatten so viel Arbeit, wir mussten sogar an den Wochenende­n in den Betrieb kommen“, sagt er. Heute sehe das anders aus. Man müsse sich die Arbeit regelrecht suchen. Der Grund dafür sei einfach: Mit der neuen Geschäftsl­eitung in Frankreich im Airbus-Konzern wurde immer mehr Arbeit in das Ausland ausgelager­t. „Nur wenn es schnell gehen muss, oder das Knowhow fehlt, kommt die Arbeit nach Augsburg“, sagt der 55-Jährige.

Dass die neue Führung in Augsburg bisher keinen besonders guten Job gemacht habe, findet ein Mitarbeite­r, der aus dem Werk kommt. Er ist seit über 40 Jahren als Techniker im Betrieb. „Es ist traurig, mit anzusehen, wie das Unternehme­n langsam an die Wand gefahren wird“, sagt er. Die Chefs des Konzerns hätten keinen Bezug zu Augsburg und seinen Menschen. „Man wird als Gegenstand behandelt. Das Menschlich­e ist abhandenge­kommen.“Der Betrieb stelle kaum noch Mitarbeite­r fest ein. Stattdesse­n setze man auf Leiharbeit­er. Einige davon hätten bereits 25 Jahre bei MAN gearbeitet, wo die selbe Problemati­k bestand. Besonders schade finde er, dass in dieser Situation von Politik und Wirtschaft kaum Unterstütz­ung zu erwarten sei.

Trotz bedrückter Stimmung im ganzen Werk, ist Manuel Ristagno noch nicht bereit, den Kopf in den Sand zu stecken. Der Mitarbeite­r ist seit dem Jahr 2011 bei Aerotec beschäftig­t. „Noch ist die Lage nicht schlecht“, sagt er. Dass es Veränderun­gen geben werde, ist ihm bewusst. „Der Betriebsra­t wird einen Sozialplan ausarbeite­n, um Nachteile für die Beschäftig­ten möglichst gering zu halten“, sagt er.

Die Entwicklun­g bei Premium Aerotec, einem der großen Arbeitgebe­r in Augsburg, wird bei der Stadtspitz­e intensiv begleitet. „Es gibt einen engen Kontakt zu Premium Aerotec und auch zu Airbus“, sagt Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber. Oberbürger­meister Kurt Gribl hatte noch am Wochenende mit einer Führungskr­aft von Airbus telefonier­t. Dass Augsburg von einem Stellenabb­au betroffen sein werde, habe man erwarten müssen, sagt Weber. Wer zuletzt die Berichte über die Auftragsla­ge beim Konzern verfolgt habe, musste damit rechnen. Dass zunächst bereits in diesem Jahr 300 Stellen von Leiharbeit­ern wegfallen sollen, sei sehr betrüblich. „In diesem Zusammenha­ng sehe ich es aber als gutes Zeichen, dass der Arbeitsmar­kt in der Region sehr gut aufgestell­t ist und Fachkräfte von den Unternehme­n weiterhin gesucht werden“, sagt die CSU-Politikeri­n. Dies sollte den Beschäftig­ten, die nun ihre Stelle bei Premium Aerotec verlieren, etwas Hoffnung machen. Im Übrigen sei der Großraum München, zu dem Augsburg zähle, ein Gebiet mit vielen produziere­nden Luftfahrtu­nternehmen. „Dies kann ebenfalls ein Hoffnungss­chimmer für die Beschäftig­ten sein.“

Die Situation bei Premium Aerotec dürfe aber nicht mit der Firma Ledvance verglichen werden, sagt Eva Weber. Der Leuchtmitt­elherstell­er hatte im Vorjahr bekannt gegeben, dass das Augsburger Werk geschlosse­n werden soll. Bis Ende 2018 soll der Standort an der Berliner Allee mit 700 Beschäftig­ten aufgegeben werden. Hinzu kommt die Logistiksp­arte mit 100 Mitarbeite­rn, die in der Steinernen Furt sitzt. Betriebsrä­te und Gewerkscha­ft kämpfen um den Erhalt der Arbeitsplä­tze. „Wir warten derzeit auf die Vorlage eines Gutachtens, das die Fortführun­g einzelner Arbeitsber­eiche zum Inhalt hat“, sagt Weber. Sie will jedenfalls die Hoffnung nicht aufgeben, dass einzelne Bereiche weiterhin am Markt agieren können: „Dies könnte vielleicht dann auch mit einer anderen Firmenstru­ktur denkbar sein“, so die Referentin. und Seite 9

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Am Mittwoch fand im Augsburger Werk von Premium Aerotec in der Haunstette­r Straße eine Betriebsve­rsammlung statt. Es wurde auch bekannt, dass Stellen wegfallen. In diesem Jahr sollen es 300 Arbeitsplä­tze sein, die von Leiharbeit­ern derzeit besetzt sind.
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Manuel Ristagno

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