Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie geht es mit Premium Aerotec weiter?
Beim Augsburger Flugzeugbauer sind bis zu 500 Arbeitsplätze von der Streichung bedroht. Nun sucht man Lösungen. Auch bei anderen großen Unternehmen werden Stellen gestrichen. Aber es kommen auch neue Jobs dazu
Das Hin und Her um den Stellenabbau bei Airbus und die Folgen für das Tochterunternehmen Premium Aerotec in Augsburg haben Spuren hinterlassen: Manche Mitarbeiter sind nach den Äußerungen vom Mittwoch verunsichert. Die Ungewissheit, wie es mit ihrem Arbeitsplatz weitergeht, setzt ihnen zu. „Die Stimmung ist nicht berauschend“, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Sebastian Kunzendorf am Donnerstag.
Den Airbus-Plänen nach sollen in Augsburg noch in diesem Jahr 300 Leiharbeitsplätze abgebaut werden. Zwar hat Premium Aerotec laut Unternehmenssprecher Markus Wölfle dieses Vorhaben bereits bei der letzten Betriebsversammlung kommuniziert, doch die am Mittwoch konkreter gewordene Dimension wirkte auf die Belegschaft dennoch wie ein Schlag ins Gesicht.
Denn bisher unbekannt war laut IG Metall, dass 2019 weitere 150 bis 200 Leiharbeiter-Stellen auf die Streichliste gesetzt werden sollen. „Zugleich wurde am Mittwoch erstmals darüber informiert, dass in einzelnen Abteilungen bereits in diesem Jahr Beschäftigte aus dem Stamm überflüssig werden und man nach neuer Beschäftigung intern suchen müsse“, erklärt IG MetallChef Michael Leppek die Betroffenheit.
Was für die Mitarbeiter wie ein Schock wirkt, ist für Airbus die logische Konsequenz aus den rückläufigen Auftragszahlen für den A380 und den Militärflieger A400M, für die in Augsburg unter anderem produziert wird.
Wie es jetzt bei Premium Aerotec weitergeht, ist noch nicht sicher. Klar ist aber, das verschiedene Parteien an einer Lösung arbeiten. Die Gewerkschaft will die Weiterbeschäftigung erreichen – unter anderem durch das Zurückholen fremd vergebener Teile. Augsburgs Bundestagsabgeordneter Volker Ullrich sucht das Gespräch mit der Bundesregierung und Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Augsburgs Wirtschaftsreferentin Eva Weber steht im Austausch mit Konzernspitze und Betriebsrat, um Alternativen zu finden.
Premium Aerotec selbst sei sich seiner Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern ebenfalls bewusst, sagt Sprecher Markus Wölfle. Weil Leiharbeitskräfte hier nicht nur wenige Monate im Einsatz sind, son- wegen der Strukturen im Flugzeugbau oft mehrere Jahre, müsse behutsam agiert werden. Man wolle daher bestehende Verträge nur in enger Absprache mit den Betriebsrat kündigen und jeden Fall einzeln Konkrete Maßnahmen, wie von Betriebsrat und Gewerkschaft schon länger gefordert, gibt es aber noch nicht. Man lote erste Möglichkeiten aus. Unter anderem knüpfe man Kontakte zu andern deren Unternehmen innerhalb und außerhalb des Konzerns, um die Mitarbeiter und ihr Wissen in der Region halten zu können, so Wölfle.
Nicht nur Premium Aerotec hat in den letzten Monaten mit dem Abentscheiden. bau von Stellen Schlagzeilen gemacht: Der Papierhersteller UPM kündigte Ende 2016 die Streichung von 140 Arbeitsplätzen an, MAN Diesel&Turbo baute am Stammsitz in Augsburg 140 Arbeitsplätze ab. Bei Kuka sind nach Problemen in der Sparte Anlagenbau 250 Arbeitsplätze dem Rotstift zum Opfer gefallen. Ledvance will den Standort in Augsburg mit insgesamt rund 800 Mitarbeitern sogar komplett schließen. Kommen noch die 300 bis 500 Stellen von Premium Aerotec dazu, machen allein diese Maßnahmen unterm Strich bis zu 1830 Arbeitsplätze aus, die innerhalb von zwei bis drei Jahren verloren gehen.
Einziger Trost: Abgesehen von Ledvance kommen die anderen genannten Fälle ohne betriebsbedingte Kündigungen aus. Altersteilzeit, keine Nachbesetzung frei werdender Stellen oder Umverteilungen der Belegschaft auf andere Abteilungen machen das möglich. Die gute konjunkturelle Lage federt die negativen Auswirkungen also vielfach ab.
Wirtschaftsreferentin Eva Weber will die Entwicklungen keinesfalls kleinreden. Einen Widerspruch zur aktuellen konjunkturellen Hochlage oder eine Ausnahmesituation für
Mehr Stellen betroffen als bislang angenommen
Der Mittelstand ist die tragende Säule
Augsburg sieht sie trotzdem nicht: „Auch wenn Anpassungsbedarf in den großen, weltweit agierenden Unternehmen notwendig wird, sind viele kleine und mittelständische Unternehmen sehr standorttreu und bauen hier ihre Produktion und Dienstleistungen und damit ihre Mitarbeiterstärke aus“, so Weber. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sei mit 143 000 in Augsburg derzeit so hoch wie seit vielen Jahrzehnten nicht, bei sehr niedriger Arbeitslosenquote. „Daran ist sehr deutlich zu sehen, dass man den Mittelstand nicht aus den Augen verlieren darf.“
Auch Großprojekte wie die Ansiedlung der Uniklinik schaffen neues Potenzial – zwar nicht für die aktuell vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeiter bei Premium Aerotec oder Ledvance, aber für die Region. Die Uniklinik soll 6500 neue Stellen bringen. „Gerade aufgrund der beschriebenen Umbrüche, die in Augsburg ebenso wie in anderen Städten einen anhaltenden Strukturwandel aufzeigen, ist es notwendig, solche Entwicklungen anzuschieben. So werden neue Jobs geschaffen, Ausbildungskapazitäten aufgebaut, und Jobs in anderen Branchen entstehen“, beschreibt Eva Weber.