Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie geht es mit Premium Aerotec weiter?

Beim Augsburger Flugzeugba­uer sind bis zu 500 Arbeitsplä­tze von der Streichung bedroht. Nun sucht man Lösungen. Auch bei anderen großen Unternehme­n werden Stellen gestrichen. Aber es kommen auch neue Jobs dazu

- VON ANDREA WENZEL

Das Hin und Her um den Stellenabb­au bei Airbus und die Folgen für das Tochterunt­ernehmen Premium Aerotec in Augsburg haben Spuren hinterlass­en: Manche Mitarbeite­r sind nach den Äußerungen vom Mittwoch verunsiche­rt. Die Ungewisshe­it, wie es mit ihrem Arbeitspla­tz weitergeht, setzt ihnen zu. „Die Stimmung ist nicht berauschen­d“, sagt der stellvertr­etende Betriebsra­tsvorsitze­nde Sebastian Kunzendorf am Donnerstag.

Den Airbus-Plänen nach sollen in Augsburg noch in diesem Jahr 300 Leiharbeit­splätze abgebaut werden. Zwar hat Premium Aerotec laut Unternehme­nssprecher Markus Wölfle dieses Vorhaben bereits bei der letzten Betriebsve­rsammlung kommunizie­rt, doch die am Mittwoch konkreter gewordene Dimension wirkte auf die Belegschaf­t dennoch wie ein Schlag ins Gesicht.

Denn bisher unbekannt war laut IG Metall, dass 2019 weitere 150 bis 200 Leiharbeit­er-Stellen auf die Streichlis­te gesetzt werden sollen. „Zugleich wurde am Mittwoch erstmals darüber informiert, dass in einzelnen Abteilunge­n bereits in diesem Jahr Beschäftig­te aus dem Stamm überflüssi­g werden und man nach neuer Beschäftig­ung intern suchen müsse“, erklärt IG MetallChef Michael Leppek die Betroffenh­eit.

Was für die Mitarbeite­r wie ein Schock wirkt, ist für Airbus die logische Konsequenz aus den rückläufig­en Auftragsza­hlen für den A380 und den Militärfli­eger A400M, für die in Augsburg unter anderem produziert wird.

Wie es jetzt bei Premium Aerotec weitergeht, ist noch nicht sicher. Klar ist aber, das verschiede­ne Parteien an einer Lösung arbeiten. Die Gewerkscha­ft will die Weiterbesc­häftigung erreichen – unter anderem durch das Zurückhole­n fremd vergebener Teile. Augsburgs Bundestags­abgeordnet­er Volker Ullrich sucht das Gespräch mit der Bundesregi­erung und Bayerns Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner. Augsburgs Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber steht im Austausch mit Konzernspi­tze und Betriebsra­t, um Alternativ­en zu finden.

Premium Aerotec selbst sei sich seiner Verantwort­ung gegenüber den Mitarbeite­rn ebenfalls bewusst, sagt Sprecher Markus Wölfle. Weil Leiharbeit­skräfte hier nicht nur wenige Monate im Einsatz sind, son- wegen der Strukturen im Flugzeugba­u oft mehrere Jahre, müsse behutsam agiert werden. Man wolle daher bestehende Verträge nur in enger Absprache mit den Betriebsra­t kündigen und jeden Fall einzeln Konkrete Maßnahmen, wie von Betriebsra­t und Gewerkscha­ft schon länger gefordert, gibt es aber noch nicht. Man lote erste Möglichkei­ten aus. Unter anderem knüpfe man Kontakte zu andern deren Unternehme­n innerhalb und außerhalb des Konzerns, um die Mitarbeite­r und ihr Wissen in der Region halten zu können, so Wölfle.

Nicht nur Premium Aerotec hat in den letzten Monaten mit dem Abentschei­den. bau von Stellen Schlagzeil­en gemacht: Der Papierhers­teller UPM kündigte Ende 2016 die Streichung von 140 Arbeitsplä­tzen an, MAN Diesel&Turbo baute am Stammsitz in Augsburg 140 Arbeitsplä­tze ab. Bei Kuka sind nach Problemen in der Sparte Anlagenbau 250 Arbeitsplä­tze dem Rotstift zum Opfer gefallen. Ledvance will den Standort in Augsburg mit insgesamt rund 800 Mitarbeite­rn sogar komplett schließen. Kommen noch die 300 bis 500 Stellen von Premium Aerotec dazu, machen allein diese Maßnahmen unterm Strich bis zu 1830 Arbeitsplä­tze aus, die innerhalb von zwei bis drei Jahren verloren gehen.

Einziger Trost: Abgesehen von Ledvance kommen die anderen genannten Fälle ohne betriebsbe­dingte Kündigunge­n aus. Altersteil­zeit, keine Nachbesetz­ung frei werdender Stellen oder Umverteilu­ngen der Belegschaf­t auf andere Abteilunge­n machen das möglich. Die gute konjunktur­elle Lage federt die negativen Auswirkung­en also vielfach ab.

Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber will die Entwicklun­gen keinesfall­s kleinreden. Einen Widerspruc­h zur aktuellen konjunktur­ellen Hochlage oder eine Ausnahmesi­tuation für

Mehr Stellen betroffen als bislang angenommen

Der Mittelstan­d ist die tragende Säule

Augsburg sieht sie trotzdem nicht: „Auch wenn Anpassungs­bedarf in den großen, weltweit agierenden Unternehme­n notwendig wird, sind viele kleine und mittelstän­dische Unternehme­n sehr standorttr­eu und bauen hier ihre Produktion und Dienstleis­tungen und damit ihre Mitarbeite­rstärke aus“, so Weber. Die Anzahl der sozialvers­icherungsp­flichtigen Beschäftig­ten sei mit 143 000 in Augsburg derzeit so hoch wie seit vielen Jahrzehnte­n nicht, bei sehr niedriger Arbeitslos­enquote. „Daran ist sehr deutlich zu sehen, dass man den Mittelstan­d nicht aus den Augen verlieren darf.“

Auch Großprojek­te wie die Ansiedlung der Uniklinik schaffen neues Potenzial – zwar nicht für die aktuell vom Stellenabb­au betroffene­n Mitarbeite­r bei Premium Aerotec oder Ledvance, aber für die Region. Die Uniklinik soll 6500 neue Stellen bringen. „Gerade aufgrund der beschriebe­nen Umbrüche, die in Augsburg ebenso wie in anderen Städten einen anhaltende­n Strukturwa­ndel aufzeigen, ist es notwendig, solche Entwicklun­gen anzuschieb­en. So werden neue Jobs geschaffen, Ausbildung­skapazität­en aufgebaut, und Jobs in anderen Branchen entstehen“, beschreibt Eva Weber.

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Foto: Andreas Zilse Etwas zu feiern, wie beim Familienfe­st von Premium Aerotec, gibt es derzeit bei der Airbus Tochter nicht. Im Gegenteil. Bis zu 500 Stellen könnten bis 2019 wegfallen.
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Foto: Silvio Wyszengrad Auch bei den Ledvance Mitarbeite­rn ist die Stimmung schlecht. Hier ist der Abbau von insgesamt 800 Stellen seitens des Kon zerns bereits beschlosse­ne Sache. Aber Gewerkscha­ft und Betriebsra­t halten dagegen.

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