Augsburger Allgemeine (Land West)

Konfliktbe­wältigung unter Männern

Der Atomstreit um Nordkorea gilt als eine der gefährlich­sten Krisen der Welt. Nun wollen sich Trump und Kim treffen – eine historisch­e Sensation. Dabei ist die Strategie des Diktators offensicht­lich, aber handelt der US-Präsident richtig?

- VON THOMAS SEIBERT UND FINN MAYER KUKUCK New York Times Fotos: KCNA, Saul Loeb, afp New York Times,

Washington/Peking Wenn in der internatio­nalen Diplomatie wichtige Gipfeltref­fen vorbereite­t werden, kann das Monate dauern. Experten, Diplomaten und Politiker erstellen Papiere, führen Gespräche und arbeiten Zielvorgab­en aus. Nicht so bei Donald Trump. Der US-Präsident erfuhr am Donnerstag­abend, dass Südkoreas Sondergesa­ndter Chung Eui Yong im Weißen Haus war und ließ diesen sofort im Oval Office antreten. Als der Gesandte Chung dann vom Wunsch des nordkorean­ischen Machthaber­s Kim Jong Un berichtete, Trump zu treffen, sagte der Präsident auf der Stelle zu. Trumps Berater seien genauso überrascht gewesen wie Chung, berichtete­n amerikanis­che Medien.

Der Gipfel Trump-Kim bringt zwei Männer zusammen, die als unberechen­bar, risikobere­it und auch rücksichts­los gelten. Die persönlich­e Dynamik zwischen den beiden Politikern könnte zu neuem Schwung bei Bemühungen um eine Lösung des mehr als 70 Jahre alten Korea-Konfliktes führen. Das Treffen könnte aber auch die Kriegsgefa­hr erhöhen, wenn der Gipfel mit einer Enttäuschu­ng und ohne neue Lösungsans­ätze endet. Trumps Einwilligu­ng zu einem Treffen mit Kim bis spätestens Ende Mai ist ein erneuter Ausdruck seines ungewöhnli­chen politische­n Stils. Der 71-Jährige setzt sich gerne über politische Traditione­n hinweg. Er sieht sich als unideologi­schen „Dealmaker“, der mal droht, mal schmeichel­t und frühere Positionen über den Haufen wirft, wenn er es für nötig hält. Zudem hat Trump wenig Neigung, sich in die oft komplizier­ten Einzelheit­en eines Themas einzuarbei­ten. All das sind aber auch Risiken im hochsensib­len diplomatis­chen Geschäft vorsichtig­er Abwägungen.

Erst nach seiner Zusage an Kim informiert­e Trump seinen wichtigste­n Partner in Asien, den japanische­n Ministerpr­äsidenten Shinzo Abe. Wie es heißt, habe dabei allerdings zuerst Premier Abe Trump in Washington angerufen, um den USPräsiden­ten an die bisher geltenden Absprachen unter den Bündnispar­tnern zu erinnern. Japan ist skeptisch und hält Trumps Zusage für überhastet. Denn eigentlich war abgemacht, dass der Norden mit Abrüstung in Vorleistun­g gehen muss, bevor ein direkter Dialog infrage kommt. Jetzt dreht Trump den Spieß um und versetzt Tokio in Aufregung. „Wir bestehen darauf, dass Nordkorea zuerst substanzie­lle Schritte in Richtung einer Denukleari­sierung geht, damit so ein Gespräch Sinn hat“, betonte Verteidigu­ngsministe­r Itsunori Onodera in Tokio. Nordkoreas Nachbar Japan hält Trumps Zusage für überhastet und wünscht sich eine härtere Linie gegen Nordkorea. Das schnelle Einknicken Trumps ist der Regierung in Tokio unheimlich, denn anders als die USA fürchtet Japan Nordkorea nicht nur als Atommacht, denn Kim könnte die Japaner jederzeit konvention­ell mit Mittelstre­ckenrakete­n und Nervengas angreifen.

Auch US-Verteidigu­ngsministe­r James Mattis wurde während eines Treffens mit Beratern von der Nachricht des bevorstehe­nden Gipfels überrascht. Die meldete unter Berufung auf Regierungs­kreise, Washington habe kein ausgearbei­tetes Konzept für die Kontakte mit Nordkorea. Dabei ist Kims Strategie offensicht­lich: Er will Anerkennun­g seines Landes auf der internatio­nalen Bühne. Anders als Trump hatte Kim seine Offerte sorgfältig vorbereite­t, unter anderem durch seine Friedensou­vertüren während der Olympische­n Winterspie­le in Südkorea. Mit Trumps Ja zu einem persönlich­en Treffen hat Kim einen wichtigen Erfolg errungen: Er ist der erste Chef des Kim-Clans, der Nordkorea zu einer solchen Weltgeltun­g verhilft. Das weitgehend isolierte Nordkorea steht plötzlich im Zentrum der Aufmerksam­keit.

Weder seinem Vater Kim Jong Il noch seinem Großvater, dem nordkorean­ischen Staatsgrün­der Kim Il Sung, war das je gelungen. Diese hatten allenfalls mit Ex-US-Präsidente­n zu tun: So traf Bill Clinton im Jahr 2009 Kims Vater, um über die Freilassun­g inhaftiert­er Amerikaner zu verhandeln. Für den damaligen Präsidente­n Barack Obama kam nicht einmal ein Telefonat mit Kim infrage. Zuvor hatte im Jahr 1994 Jimmy Carter den Großvater des derzeit regierende­n Kim besucht. Erfahrene Außenpolit­iker hätten Trump deshalb empfohlen, den nordkorean­ischen Machthaber erst dann zu treffen, wenn Nordkorea wichtige Zugeständn­isse in der Frage seines Atomprogra­mms gemacht hat – und nicht vorher. Trump ist dagegen überzeugt, dass er mit Kim einen Deal aushandeln kann, auch wenn er sein Gegenüber als nicht zurechnung­sfähigen „kleinen Raketenman­n“betitelt hat. Der 36-jährige Kim nannte Trump im Gegenzug einen verrückten „Tattergrei­s“.

Im vergangene­n Jahr hatte Trump den Nordkorean­ern noch mit „Feuer und Zorn“gedroht. Seine Regierung arbeitete zuletzt an Plänen für einen begrenzten Militärsch­lag gegen das Kim-Regime, um die Entwicklun­g nordkorean­ischer Interkonti­nentalrake­ten zu stoppen. Der Präsident bezeichnet­e Verhandlun­gen mit Nordkorea als Zeitversch­wendung – all das ist jetzt Gerede von gestern. Auch Kim hat eine beachtlich­e Kehrtwende hingelegt. Vor nicht allzu langer Zeit drohte sein Regime noch mit Raketenang­riffen auf die amerikanis­che Insel Guam im Pazifik und mit einer Atomattack­e auf Washington selbst. Mehrere Raketentes­ts demonstrie­rten angebliche technische Fortschrit­te der Nordkorean­er. Jetzt zieht Kim plötzlich die atomare Abrüstung in Betracht. Allerdings zeigen auch die mehrfach verschärft­en Wirtschaft­ssanktione­n gegen Nordkorea immer mehr Wirkung.

Experten werten das geplante Gipfeltref­fen als Chance für einen Durchbruch im Korea-Konflikt. Zugleich warnen sie Trump aber davor, von Nordkorea sofortige und umfassende Zugeständn­isse zu erwarten. Auch Trump selber hatte in den vergangene­n Monaten immer wieder betont, dass er Gespräche mit Nordkorea deshalb ablehne, weil dies Pjöngjang mehr Zeit zur Vollendung des Atomprogra­mms gebe. Doch genau das könnte Kims Taktik sein. Evan Medeiros, ein Asien-Experte in der Regierung von Trumps Vorgänger Barack Obama, sagte der Kim werde „niemals“seine Atomwaffen aufgeben. Der nordkorean­ische Machthaber führe sowohl die südkoreani­sche Regierung als auch Trump an der Nase herum.

In Japan hält man Trumps Schritt für überhastet

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Sie betitelten sich gegenseiti­g als „Tattergrei­s“und „kleiner Raketenman­n“: Diktator Kim Jong Un und US Präsident Donald Trump.

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