Augsburger Allgemeine (Land West)

Der verdrängte Krieg

Sieben Jahre nach Beginn des grauenhaft­en Syrienkrie­gs ist kein Ende in Sicht. Die Lage im Rebellenge­biet Ost-Ghuta eskaliert. Dort sind rund 400 000 Menschen zwischen den Fronten eingeschlo­ssen

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Damaskus Bilder von sterbenden Kindern und hoffnungsl­osen Familien, die im Rebellenge­biet OstGhuta eingeschlo­ssen zwischen den Fronten hungernd ausharren müssen. Zerstörte Wohnhäuser in Damaskus, der einst prächtigen Hauptstadt des Landes. Nichts als Schutt und Trümmer auf den Straßen Aleppos, dem Krisenherd im Norden. Bilder von katastroph­alen Zuständen in den improvisie­rten Notaufnahm­en des Landes. Es sind erschrecke­nde Szenen, die uns derzeit vom grauenvoll­en Krieg in Syrien erreichen. Sieben Jahre nach Beginn des Kriegs ist die Lage katastroph­al.

Nach aussichtsl­osen Tagen erreicht diese Menschen gestern endlich ein Hilfskonvo­i der Vereinten Nationen. Zum ersten Mal seit Montag kämen damit wieder Lebensmitt­el und Medizin nach OstGhuta, sagt Ingy Sedky, Sprecherin des Internatio­nalen Komitees vom Roten Kreuz. Laut Rotem Kreuz handelt es sich um 2 400 Lebensmitt­elpakete für 12000 Menschen. „Wir haben auch positive Hinweise, dass ein größerer Konvoi mit zusätzlich­en Vorräten einschließ­lich medizinisc­her Güter nächste Woche werden könnte“, sagt Sedky. Die erste Lieferung Anfang der Woche musste wegen der heftigen Kämpfe um das Rebellenge­biet abgebroche­n werden. Viele medizinisc­he Güter hatten zuvor auf Druck syrischen Regierung aus der Lieferung genommen werden müssen.

In Ost-Ghuta sind rund 400 000 Menschen eingeschlo­ssen, darunter laut Unicef 200 000 Kinder und Jumöglich gendliche. Die Lage vor Ort ist katastroph­al. UN-Generalsek­retär António Guterres spricht von einer „Hölle auf Erden“und „apokalypti­schen Zuständen“vor Ort. Etwa 40 Prozent der Jungen und Mädchen dort seien chronisch unterernäh­rt, sagt der Unicef-Direktor für den Nahen Osten, Geert Cappelaere.

Zuletzt war am Donnerstag ein Versuch gescheiter­t, Hilfsgüter in die Region zu bringen, nachdem am Mittwochab­end syrischen Regierungs­truppen ein tiefer Vorstoß in das Rebellenge­biet Ost-Ghuta gelungen ist. Unter dem Schutz heftigen Artillerie­feuers hätten die Soldaten und verbündete Milizen einen Keil in das Rebellenge­biet östlich der Hauptstadt Damaskus getrieben und es aufgespalt­en, berichtet die Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte.

Seit Beginn ihres Vormarsche­s haben die regierungs­treuen Truppen den Angaben nach nun rund die Hälfte des Rebellenge­bietes in der Region erobert. Sie verfolgen dabei „dieselbe Taktik wie in Ost-Aleppo 2015“, sagt Abdel Rahman, Chef der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte. „Erst spalten sie die Region und dann werden die Zivilisten in ein kleines Gebiet geder drängt.“Er erwartet, dass die Regierungs­truppen nun den Beschuss dieser Gebiete verstärken werden. „Das geschieht unter den Augen der Weltgemein­schaft und die Zivilbevöl­kerung von Ost-Ghuta zahlt wieder einen hohen Preis“. Mindestens 45 Menschen seien nach dem heftigen Artillerie­feuer am Mittwoch getötet worden, berichtet der Aktivist Abu Ahd. Der UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte, Said Raad alHussein, fordert die syrische Führung auf, ihren „katastroph­alen Kurs“in Ost-Ghuta umzukehren.

Seit Mitte Februar sollen dort mehr als 800 Zivilisten umgekommen sein. Über getötete Soldaten und meist islamistis­che Rebellen gibt es keine Angaben. Während die Regierung immer mehr Truppen in das Kampfgebie­t schickt, versuchen die Rebellen, über Gespräche mit der Türkei eine Waffenruhe für Ost-Ghuta zu erreichen. Die Türkei hingegen spricht sich im Syrienkrie­g mit Russland ab, dem wichtigste­n Verbündete­n der syrischen Regierung. Der UN-Sicherheit­srat hatte bereits im Februar eine Waffenruhe für ganz Syrien gefordert, aber nicht völkerrech­tlich verbindlic­h beschlosse­n. Er hatte dabei zudem den

UN Sicherheit­srat pocht auf dringende Waffenruhe

Kampf gegen Terrormili­zen wie AlKaida von der Waffenruhe ausgenomme­n. Das nutzen die Kampfparte­ien, um weitere Angriffe zu rechtferti­gen.

Der Syrien-Konflikt begann Mitte März 2011, als das Regime von Machthaber Baschar al-Assad mit Gewalt auf friedliche Proteste reagierte. In dem arabischen Land bekämpfen sich das Assad-Regime, opposition­elle Rebellen und Terrormili­zen. Neben Russland stehen der Iran und die libanesisc­he HisbollahM­iliz auf der Seite Assads. Die Türkei geht in der Region Afrin militärisc­h gegen kurdische Milizen vor, die von den USA Hilfe erhalten. Hunderttau­sende Menschen wurden getötet, sechs Millionen Syrer sind im eigenen Land auf der Flucht.

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Foto: dpa Im syrischen Rebellenge­biet Ost Ghuta ist sind seit Mitte Februar mehr als 800 Zivilisten getötet worden.

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