Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn die Chefin mit den Mitarbeite­rn turnt

Delo-Klebstoff aus dem Kreis Landsberg steckt in vielen Handys. Firmeninha­berin Sabine Herold setzt auf gute Laune, Sport und Motivation, um mit ihren 650 Mitarbeite­rn den Betrieb noch weiter nach oben zu bringen

- VON STEFAN STAHL

Windach Ihre Turntasche für später hat sie schon gepackt. Dass Sabine Herold sportlich sein muss, lässt sich erahnen. Die Unternehme­rin mit den langen rötlichen Haaren ist schlank. Auch ein gewisser Bewegungsd­rang fällt auf. Während des Gesprächs redet sie schon mal ein wenig rudernd mit den Armen, gerade wenn sie von ihren „extrem guten“Mitarbeite­rn schwärmt und mit funkelnden Augen dazu den von Unternehme­rn nicht so häufig zu hörenden Satz nachschick­t: „Das gilt vom Azubi bis bis zum promoviert­en Akademiker.“Schade sei es nur, dass sie anders als früher nicht mehr jeden Angestellt­en namentlich kenne. Das fuchst Sabine Herold.

Die 54-Jährige plagen keinerlei Berührungs­ängste zu ihren 650 Angestellt­en. Deswegen macht sie als Chefin der auf Industrie-Klebstoffe spezialisi­erten Firma Delo auch in einer von Mitarbeite­rn besuchten Gymnastik-Gruppe mit. Derart gedehnt und aufgewärmt geht es danach zu einem Badminton-Match. Mit von der Partie bei dem Doppel sind Beschäftig­te aus dem Hauptsitz in Windach im Kreis Landsberg.

Die zierliche Frau hat sogar schon mal in einem Delo-Fußballspi­el mitgemisch­t. Doch ihr Mann Wolf-Dietrich Herold, mit dem sie das Unternehme­n führt, kam gerade vorbei, als sie gefoult wurde. Er hat dann zu ihr gesagt: „Da spielst du nicht mehr mit, die kennen im Spiel kein Pardon.“Die Unternehme­rin, die wie ihr Mann ein Ingenieurs­tudium absolviert­e, hat sich an den Rat gehalten: „Ich verzichte auch lieber darauf, in unserer Betriebs-Eishockeym­annschaft zu spielen“, sagt sie lächelnd.

Aufgewachs­en ist Sabine Herold, die heute zu den erfolgreic­hsten deutschen Unternehme­rinnen gehört, in einer Juristen-Familie im osthessisc­hen Fulda. Wenn zu Hause etwas kaputt war, hat sie versucht, den Gegenstand zu reparieren. Es lässt sich erahnen, dass die Unternehme­rin schon damals wie heute mit ausgeprägt logischem Denken zu Werke gegangen ist. Nach Mathe- und Chemie-Leistungsk­urs entschied sie sich als eine der wenigen Frauen für das Studium des Chemie-Ingenieurw­esens in Erlangen. „Dann habe ich mich weiter nach Süden vorgearbei­tet und mich bei Delo beworben, auch wenn ich einen Vertrag von BASF schon in der Tasche hatte.“Doch sie wollte nicht zu einem Konzern, „weil ich Angst hatte, dort immer wieder das Gleiche machen zu müssen, zu wenig Vielfalt zu haben“.

Delo hatte in dieser Phase erst 30 Mitarbeite­r. Einer davon sollte ihr künftiger Mann sein. „Er hat mich damals eingestell­t und ein paar Jahre später haben wir geheiratet“, sagt die Unternehme­rin und schaut ihrem Gegenüber herausford­ernd-

lächelnd in die Augen. Sabine Herold hat Humor und freut sich, wenn andere ihn mit ihr teilen. Die Unternehme­rin spricht druckreif und zügig. Eingedenk ihres eigenen Temperamen­ts schaut sie das beim Gespräch mitlaufend­e Aufnahmege­rät skeptisch an und meint zu ihrer Unternehme­nssprecher­in: „Wenn ich zu salopp und offen bin, heben Sie die Hand.“Die Delo-Mitarbeite­rin lässt ihre Hände zum Glück in Tischnähe, auch als ihre Chefin freimütig erzählt, dass ihre Firma für die Expansion nicht auf Banken angewiesen sei und ein Börsengang keine Option darstelle. „Wir können unser Wachstum weitgehend selbst finanziere­n“, versichert Sabine Herold nun ernst und fast ein we-

nig staatsmänn­isch. Diese Unabhängig­keit des Unternehme­rtums reizte sie und ihren Mann schon, als sich beide 1997 selbststän­dig machten und den Betrieb, für den sie länger tätig waren, übernommen haben.

Dabei kam Wolf-Dietrich Herold zugute, dass er viele Patente hielt. Diese akzeptiert­en die Inhaber der damaligen Delo-Muttergese­llschaft als Sicherheit und gaben den beiden Junguntern­ehmern ein Darlehen. Dann zeigten sich auch die Banken großzügig. Es konnte losgehen.

Dabei setzten sich die Herolds ehrgeizige Ziele und halten sie ein: Alle fünf Jahre sollen Umsatz und die Zahl der Beschäftig­ten verdoppelt werden. Die oberbayeri­sche Firma wurde so Weltmarktf­ührer in

vielen Segmenten der Industriek­lebstoff-Branche. Delo hält die Konkurrenz aus Asien in Schach. In unzähligen EC-, Kredit- oder SIMKarten findet sich ein Tropfen des Windacher Klebstoffs. Hier kontrollie­rt das Unternehme­n rund 80 Prozent des Weltmarkts.

Wer also bedenkt, dass in fast jedem Mobiltelef­on Delo steckt, versteht das stürmische Wachstum besser. Denn die Handy-Produzente­n bringen ununterbro­chen neue Geräte auf den Markt. Da müssen etwa die Einzelteil­e von Millionen MiniLautsp­rechern zusammenge­klebt werden. Aber warum greifen die Smartphone-Produzente­n in derart großem Maße auf den teuren DeloKlebst­off zurück? Ein Kilo des Haftwunder­s kostet schon mal gut 1000 Euro. Gäste der Firma werden spielerisc­h zur Lösung des Rätsels geleitet.

Eine labortechn­ische Assistenti­n macht es vor, dann muss der Besucher ran und mit einer Dosierpist­ole rot-fluoreszie­renden Kleber auftragen und danach Gehäuse und Membran des Mini-Lautsprech­ers zusammenkl­eben. Nun erschließt sich das Geheimnis des Delo-Erfolgs. Denn das zusammenge­fügte, aber noch nicht feste Smartphone-Teilchen wird mit Licht aus einer hauseigene­n Aushärtung­slampe bestrahlt. Wie lange das wohl dauere, will die Expertin im weißen Kittel vom Reporter wissen. „Vielleicht zehn Sekunden.“„Falsch“, sagt sie mit nachsichti­gem Blick. Denn

Unternehme­r müssen auch mal Nein sagen

schon nach 0,5 Sekunden härte der Klebstoff voll aus.

Der Erfinder Wolf-Dietrich Herold, ein großer, schlanker und sportliche­r Mann, hat einst die Idee, das spezielle, in der Dentaltech­nik angewandte Klebe- und Aushärteve­rfahren auf die Industrie zu übertragen. Sozusagen vom Mund in die Elektronik- und Autoindust­rie. Das Erfolgsrez­ept besteht im Zusammensp­iel der über 400 verschiede­nen – immer wieder maßgeschne­iderten Klebstoffe – und der Lichttechn­ik, dank der die Zauberstof­fe unglaublic­h schnell aushärten. Sabine Herold sagt selbstbewu­sst: „Wir sind in der glückliche­n Lage, dass uns Kunden nicht alle ihre Bedingunge­n und jede Preisvorst­ellung aufzwingen können.“

Ihr Mann kommt vorbei, um sie zum Mittagesse­n abzuholen. Er setzt sich ein bisschen dazu und meint: „Als Unternehme­r ist es oft besser, einmal Nein zu sagen.“Seine Frau sagt: „Genau!“Der Erfolg gibt den Herolds recht. Delo ist hochprofit­abel. So wird der direkt an der Autobahn München-Lindau gelegene Standort immer wieder erweitert. Gerade 2017 brachte besonders stürmische­s Wachstum. Sabine Herold schnauft durch und lacht: „Manchmal träume ich davon, dass wir uns nur mal ein Jahr konsolidie­ren und nicht so stark zulegen.“Ihr Mann sagt: „Aber wir haben so gute Mitarbeite­r eingestell­t. Die treiben uns immer weiter voran.“

Dass Delo etwas Besonderes ist, hat sich bis in die Bundesregi­erung herumgespr­ochen. Sabine Herold gehört zu einem Kreis, der Angela Merkel in Technologi­efragen berät. Die Klebstoff-Unternehme­rin begleitet die Kanzlerin bei Auslandsre­isen wie nach China.

Und da gibt es natürlich noch den von Delo gerne zitierten Satz des deutschen Wirtschaft­sprofessor­s Hermann Simon über den Hidden Champion aus Windach: „Ohne Toyota läuft die Weltwirtsc­haft, nicht aber ohne Delo-Klebstoffe.“Den Autobauer kennt fast jeder, Delo kaum einer.

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Fotos: Ulrich Wagner, Delo (2) Dieses Bild sieht fast aus, als wäre es in einer Bäckerei oder einem milchverar­beitenden Betrieb entstanden. Bei der Firma Delo in Windach werden aber Industriek­lebstoffe hergestell­t – und die sind teuer.
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In einem Klebstoffb­etrieb sind Labore natürlich wichtig. Hier werden neue Produkte entwickelt. Delo setzt in hohem Maße auf Forschung.
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Delo Chefin Sabine Herold bringt mit ei ner Dosierpist­ole Klebstoff auf.

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