Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Integrationsbeirat schafft sich selbst ab
Obwohl Augsburg einen sehr hohen Anteil an Migranten hat, ist dieses Gremium nicht nötig. Die Akteure reiben sich in Grabenkämpfen auf. Es ist ein schleichender Prozess des Untergangs
Als es im Jahr 1974 losging, hieß das Gremium Ausländerbeirat. Das war vor 44 Jahren. Augsburg war ein Vorreiter damals. Ein erster Schritt der Integration fand später schon mal dadurch statt, dass man sich beim Namen vom Begriff „Ausländer“trennte. Heute ist es der Integrationsbeirat. Er will laut Satzung Ansprechpartner für den Stadtrat und die Verwaltung sein, aber auch für Deutsche und Zugewanderte, die an der Schnittstelle Migration und Stadtgesellschaft interessiert sind oder arbeiten. Er erfüllt eine Mittlerfunktion zwischen Stadt Augsburg und vielfältigen Organisationen, Verbänden und Vereinen. Damit unterstützt der Beirat die Integrationspolitik Augsburgs. Einer Stadt, die einen sehr hohen Migrantenanteil hat. 135 000 Augsburger gibt es mit ausländischen Wurzeln. Es sind mehr als 40 Prozent der Stadtgesellschaft. Sie sollen durch den Integrationsbeirat ein Stück vertreten sein. So schreibt es sich der Beirat selbst auf die Fahnen. Papier ist geduldig, die Praxis sieht anders aus.
Interne Querelen bestimmen derzeit die Schlagzeilen. Es gibt Streit im Vorstand. Die Auseinandersetzung dreht sich um die Islam-Kritik des ausgeschiedenen Vorsitzenden. Man muss sich dabei allerdings auch fragen, was diese inhaltliche Auseinandersetzung, die im sozialen Netzwerk Facebook ausgetragen wurde, nun tatsächlich mit der praktischen Arbeit eines Integrationsbeirats zu tun hat. Es sind vielmehr persönliche Spielwiesen einzelner Beteiligter, um die es hier geht. Wenn es aber um die tatsächlichen Probleme und Herausforderungen geht, die mit Integration zu tun haben, schweigt der Integrationsbeirat und bezieht keine Stellung, die man eigentlich von einem solchen Gremium zu erwarten hätte. Jüngstes Beispiel: Als sich vor einigen Wochen in der Augsburger Innenstadt Kurden und Türken bei einer Protestkundgebung aufgebracht gegenüberstanden, was viele Augsburger irritierte, fehlte danach ein klärendes Wort des Integrationsbeirats.
Stattdessen beschäftigten sich die Beiräte mit der Frage, ob die Teilnahme des Integrationsbeirats an eimacht nem offiziellen Festakt und einem großen Fest in Augsburg nötig sei. Was für Außenstehende immer mit einem klaren Ja zu beantworten wäre, führte im Beirat selbst zu einer mehrheitlichen Ablehnung. Ein Gremium, das für Integration steht, lehnt ein Fest zur Integration ab. Das verstehe, wer will. Damit macht sich der Integrationsbeirat politisch auf alle Fälle angreifbar.
Der neue Integrationsbeirat da weiter, woran bereits der frühere Beirat gescheitert ist. Es gibt kein Agieren nach außen, die Beiräte sind allenfalls mit sich selbst beschäftigt. Dabei hatte die Politik noch das Jahr 2017 zum Jahr des Neuanfangs erklärte. Denn den Integrationsbeirat in der früheren Form gibt es jetzt nicht mehr. Erstmals wurden Mitglieder des Beirats nicht mehr gewählt. Die Stadt hatte zur aktiven Bewerbung von Interessierten aufgerufen. Insgesamt 93 Bewerbungen gingen beim Büro für Migration, Interkultur und Vielfalt ein. In einem anonymisierten Verfahren wurden die Bewerbungen bewertet. Vertreter von 26 Augsburger Einrichtungen waren beteiligt. Der Stadtrat bestätigte dann die Liste von 30 Mitgliedern für den neuen Integrationsbeirat. Thematisch gliedert sich der Beirat in drei Ausschüsse: Bildung, Kultur, Sport sind ein Bereich. Soziales, Asyl, Gesundheit, Recht deckt die zweite Sparte ab. Wirtschaft, Arbeit, Stadtplanung und Ökologie ist der dritte Bereich. Jeweils zehn Mitglieder gehören diesen Fachausschüssen an.
Es sind überwiegend Personen, die im städtischen Leben zuvor keine große Bekanntheit hatten – und jetzt auch noch nicht haben. Dies ist vor allem dadurch zu erklären, dass Migranten, die sich im
Der Beirat macht sich politisch angreifbar
kommunalen Leben engagieren, doch wohl eher in eine Partei eintreten oder sich direkt in Vereinen und Organisationen engagieren. Die Tätigkeit in einem Beirat, dessen Bedeutung ohnehin als gering zu erachten ist, wirkt da sicherlich nicht besonders anziehend.
Es ist ein schleichender Prozess des Untergangs. Dabei war zu den Anfängen des Ausländerbeirats die Akzeptanz des Gremiums deutlich höher als jetzt. Der Beirat wurde in früheren Jahren gewählt, im Lauf der Jahre nahm das Interesse der Migranten deutlich ab. Diese sinkende Wahlbeteiligung ist sicher damit zu erklären, dass sich die Migranten vom Beirat nicht vertreten sahen. Bei der letzten Wahl 2010 lag die Wahlbeteiligung nur bei 9,3 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 1997 waren es immerhin noch 21 Prozent, 1991 gar 35 Prozent.