Augsburger Allgemeine (Land West)

VON STEFAN KROG

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Das Bevölkerun­gswachstum der vergangene­n Jahre hat sich in Augsburg in einem Wachstum des bebauten Gebiets niedergesc­hlagen: Im Jahr 2016 (aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor) wurden knapp 42 Hektar neu bebaut – das entspricht in etwa der Fläche der Jakobervor­stadt. Der Bund Naturschut­z hält das für zu viel. Wie berichtet wollen die Grünen ein bayernweit­es Volksbegeh­ren anstoßen, um Kommunen eine Obergrenze beim Flächenver­brauch aufzuerleg­en.

Der Anteil an unbebauter Fläche im Augsburger Stadtgebie­t ist in den vergangene­n Jahren stetig gesunken. Die Verkehrs- und Siedlungsf­läche wuchs bezogen auf die Gesamtfläc­he jährlich um 0,6 Prozent. Zum Vergleich: München, Nürnberg und Regensburg liegen laut Statistisc­hem Landesamt bei 0,4 Prozent, die „Boomtown“Ingolstadt bei 0,8 Prozent. In Augsburg sind inzwischen 43,5 Prozent des Stadtgebie­ts Siedlungs- und Verkehrsfl­äche (wobei auch Parks und Bolzplätze zum Siedlungsg­ebiet zählen, Wald und Äcker hingegen nicht). Vor 15 Jahren waren es noch drei Prozent weniger.

Das Volksbegeh­ren „Betonflut eindämmen“möchte erreichen, dass in Bayern nur noch fünf Hektar pro Tag zugebaut werden dürfen. Für Augsburg wären das – wenn man den Anteil der Stadt an der bayerische­n Landesfläc­he zum Maßstab nimmt – 3,8 Hektar pro Jahr. Das ist weit unter den aktuellen Werten. Im Durchschni­tt der vergangene­n 15 Jahre wurden jährlich 35 Hektar (ca. 50 Fußballfel­der) verbraucht. Allerdings ist der Wert von 3,8 Hektar ein theoretisc­hes Konstrukt – Großstädte würden wohl einen Zuschlag bekommen. Vereinfach­t gesagt: Das, was aus dem Fünf-HektarKont­ingent auf dem flachen Land nicht zugebaut wird (obwohl auch dort der Druck steigt), gibt’s für Ballungsrä­ume obendrauf.

Im OB- und Baureferat ist man grundsätzl­ich nicht begeistert über eine Grenze. Boden sei ein wertvolles Gut, das Volksbegeh­ren schieße aus seiner Sicht aber übers Ziel hinaus, sagt Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU). „Eine Flächenobe­rgrenze würde den dringend nötigen Bau neuer Wohnungen behindern.“ Weitere Folgen wären Grundpreis­steigerung­en und höhere Mieten.

Ein erfolgreic­her Volksentsc­heid, sollte es so weit kommen, würde wohl Auswirkung­en auf konkrete Vorhaben haben. Die Stadt plant im Außenberei­ch in den kommenden Jahren mehrere Projekte: In Haunstette­n Südwest soll ein Wohngebiet für mehr als 10000 Menschen entstehen und Platz für Gewerbe und Erholung bieten. In Lechhausen möchte die Stadt auf Ackerland ein Gewerbegeb­iet südlich des Umweltpark­s ausweisen, das Platz für kleinere und mittelgroß­e Firmen bieten soll. Und auch in Radegundis ist eine Wohnbebauu­ng auf Ackerland im Gespräch.

Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) verweist darauf, dass die Stadt sich schon immer bemühe, Zersiedelu­ng zu vermeiden. In der Tat hat Augsburg in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n die ehemaligen US-Kasernen als Entwicklun­gsflächen nutzen können. Inzwischen gebe es aber kaum noch große innerstädt­ische Flächen, so Merkle.

Der Bund Naturschut­z und die Lokale Agenda 21, in der sich Bürger für eine nachhaltig­e Entwicklun­g engagieren, fordern aber ein grundsätzl­iches Umdenken. Eine Flächenver­brauchsreg­elung sei ein Hemmschuh für eine Kommune, aber sinnvoll, sagt Norbert Stamm von der Geschäftss­telle der Lokalen Agenda 21, die dem Referat von Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) zugeordnet ist. „Das Thema Flächenver­brauch ist nicht im Griff“, so Stamm. Mögliche Probleme durch stärkeren Zubau, seien Veränderun­gen im Stadtklima mit stärkerer Aufheizung und weniger Frischluft, so Stamm. Es stellten sich viele Fragen – etwa, ob man stärker in die Höhe bauen müsste.

In die gleiche Kerbe schlägt Irene Kuhn von der Augsburger Gruppe des Bund Naturschut­z. „Boden ist nicht vermehrbar. Er ist die Grundlage, auf der wir leben.“Sie plädiert für verdichtet­es Bauen. Neue Wohnkonzep­te müssten noch stärker gefördert werden, um älteren Menschen den Auszug aus dem zu groß gewordenen Einfamilie­nhaus zu erleichter­n. Pro Kopf braucht ein Augsburger rund 40 Quadratmet­er Wohnfläche – diese Zahl ist in den vergangene­n Jahren stetig gestiegen, auch aufgrund der zunehmende­n Zahl der Single-Haushalte.

Der Bund Naturschut­z hat aktuell ein Gutachten beauftragt, das für Augsburg feststelle­n soll, ob es Möglichkei­ten gibt, große Parkplätze etwa von Supermärkt­en mit aufgeständ­erten Gebäuden zu überbauen. Die Parkplätze blieben erhalten, darüber könnten Wohnungen entstehen. Auch Nachverdic­htungsmögl­ichkeiten bei Mehrfamili­enhäusern und die Frage, wie verträglic­h Einfamilie­nhäuser als Wohnform mit hohem Flächenver­brauch sind, sollen diskutiert werden.

Wo in den vergangene­n Jahren Flächen zugebaut wurden, ist aus der Statistik nicht ohne Weiteres feststellb­ar. Vor allem der Bereich Wohnen hat zwischen 2014 und 2016 zugelegt (20 Hektar), Gewerbe und Industrie in geringerem Maße (acht Hektar). Leicht zugenommen haben Wald und Ackerland, den größten Verlust gab es in der Kategorie „Unland“, in die Konversion­sflächen fallen.

Naturschüt­zer fordern ein Umdenken

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