Augsburger Allgemeine (Land West)

Notaufnahm­e hat mehr Platz, aber kein Personal

Angesichts der Grippewell­e kommen bis zu 300 Patienten täglich ins Klinikum. Um die Kapazitäte­n zu erweitern, wurde extra angebaut. Doch weil Schwestern und Pfleger fehlen, können die Räume nicht genutzt werden

- VON STEFAN KROG

Angesichts der Grippewell­e kommen bis zu 300 Patienten täglich ins Augsburger Klinikum. Um die Kapazitäte­n zu erweitern, wurde extra angebaut. Doch weil Schwestern und Pfleger fehlen, können die Räume nicht genutzt werden.

Augsburg/Neusäß Am Klinikum wird es angesichts der Grippe- und Erkältungs­welle momentan in der Notaufnahm­e wieder eng. „Die Kollegen arbeiten hart am Anschlag, denn auch unter den Mitarbeite­rn gibt es viele Krankheits­fälle“, so Dr. Markus Wehler, Leiter der Notaufnahm­e und stellvertr­etender Ärztlicher Vorstand, auf Anfrage. Momentan kommen rund 250 bis 300 Patienten pro Tag dort an – das sind bis zu 80 Patienten mehr als im Tagesdurch­schnitt aufs Jahr gerechnet.

Verschärft wurde die Situation dadurch, dass sich in den vergangene­n Tagen mehrere Kreiskrank­enhäuser aus der Region bei der Leitstelle der Feuerwehr wegen Überfüllun­g zeitweise abmeldeten. Das Klinikum als Maximalver­sorger in der Region, der so etwas wie die letzte Verteidigu­ngslinie ist, muss Patienten aufnehmen. Die Überlastun­g der Kreisklini­ken sei „selbstvers­tändlich spürbar“, sagt Wehler. In einer Presseerkl­ärung fordert der Augsburger Kreistagsa­bgeordnete Fabian Mehring (FW), dass eine Lösung gefunden wird. „Wer einen Notarzt ruft, braucht schnelle Hilfe und hat schlichtwe­g keine Zeit, um Reise nach Jerusalem zwischen sämtlichen Notaufnahm­en der Region zu spielen.“

Zuletzt war die Notaufnahm­enSituatio­n in der Region im Jahr 2015 in die Schlagzeil­en geraten. Damals war eine sogenannte Überlastun­gsanzeige von 15 Klinikumsm­itarbeiter­n öffentlich geworden, in der die Klinikleit­ung auf massive Probleme in der Notaufnahm­e hingewiese­n wurde. In der Folge wurde eine Notfallpra­xis der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g am Klinikum installier­t, die sich um nicht-dringliche Fälle kümmern soll. 15000 Patienten wurden dort im vergangene­n Jahr versorgt. Zudem wurde die Notaufnahm­e räumlich erweitert, der Bau eines Modulgebäu­des, das für die Generalsan­ierung nötig ist, vorgezogen wurde. Zehn zusätzlich­e Behandlung­splätze entstanden auf diese Art und Weise.

Benutzt werden können die zusätzlich­en Kapazitäte­n aber nicht. „Aufgrund von Pflegemang­el können sie leider nicht betrieben werden“, so Wehler. Das Problem, nicht genug Personal zu finden, stellt sich auch für den Bereich der Intensivst­ationen, deren Kapazität ebenfalls erweitert wird. Auch auf anderen Stationen im Haus sind Stellen unbesetzt.

Wie berichtet hat das Klinikum eine „Kopfprämie“für neue Pflegekräf­te ausgelobt. Mitarbeite­r, die einen examiniert­en Krankenpfl­eger kassieren 2500 Euro Prämie. Der Angeheuert­e selbst erhält 1000 Euro zur Begrüßung. Dies gilt auch für Pflegeschü­ler, die am Haus ausgebilde­t wurden und dort weiterarbe­iten wollen. Mit dem Rücklauf sei man bisher recht zufrieden, heißt es aus dem Klinikum.

Bezahlt wird die Aktion aus einem eine Million Euro großen Sonderbudg­et, das im vergangene­n Jahr als Reaktion auf die Pflege-Streiks aufgelegt wurde. Im Rahmen einer bundesweit­en Aktion bestreikte Verdi am Klinikum die Pflege an mehreren Tagen, um auf die Überlastun­g der Beschäftig­ten aufmerksam zu machen. Inzwischen gibt es eine betrieblic­he Kommission, die Verbesseru­ngsvorschl­äge und Minindem destbesetz­ungsstanda­rds erarbeitet. Die Prämie sieht man bei Verdi eher kritisch. „Damit löst man das grundsätzl­iche Problem nicht, zumal wenn sich Leute wieder wegbewerbe­n“, so Verdi-Gewerkscha­fter Stefan Jagel. Wichtiger sei, die Arbeitsbed­ingungen zu verbessern.

Am Klinikum herrscht – auch hervorgeru­fen durch die bundesweit schwierige Situation bei der Krankenhau­sfinanzier­ung – seit Jahren ein Konsolidie­rungskurs, weil die Träger Stadt und Landkreis Augsburg die hohen Millionend­efizite der Vergangenh­eit nicht weiter tragen wollten. Allerdings ging damit auch eine Arbeitsver­dichtung fürs Personal einher.

Andere Augsburger Krankenanw­erben, häuser setzen nicht auf Prämien. Grundsätzl­ich sei es schwierige­r, qualifizie­rtes Pflegepers­onal zu finden, man habe aber eine geringe Fluktuatio­n und könne alle Stellen besetzen, heißt es bei Hessing (230 Pflegestel­len). Auch das Josefinum sagt, dass man alle Stellen (knapp 200 in Geburts- und Frauenklin­ik) besetzen könne. Ein Großteil der Bewerber komme auf Empfehlung.

Am Klinikum macht man geltend, einen viel größeren Personalbe­darf zu haben. Die 2019 anstehende Umwandlung zur Uniklinik verstärke diese Situation noch weiter, heißt es. Speziell in den Bereichen Notaufnahm­e und Intensivst­ation gilt die Belastung für die Mitarbeite­r zudem als besonders hoch.

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Foto: Marcus Merk In der Notaufnahm­e des Augsburger Klinikums geht es momentan rund. Die Personalno­t ist so groß, dass sogar Prämien ausgesetzt werden.

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