Augsburger Allgemeine (Land West)

„Größe ist kein Garantiesc­hein für Erfolg“

In Anhausen kritisiert Minister Brunner den Einzelhand­el als „Todbringer der kleinen Bauernhöfe“. Wie seine Vorschläge ankommen und warum das Thema jeden betrifft

- VON TOBIAS KARRER Symbolfoto: Stephanie Frey, Fotolia

Diedorf Anhausen Wie sieht die Zukunft der Landwirtsc­haft in Bayern aus? Diese Frage hat viele Landwirte aus der Region am Donnerstag in den Veranstalt­ungssaal des Gasthofs Traube in Anhausen gelockt. Landtagsab­geordnete Carolina Trautner hatte den Staatsmini­ster für Ernährung, Forsten und Landwirtsc­haft, Helmut Brunner (CSU), eingeladen. Von ihm verspreche­n sich die Bauern aus der Region Antworten.

Brunner holte weit aus und streifte nicht nur Themen, die für die Bauern relevant sind, sondern auch für die Gesellscha­ft im Ganzen. Denn die Veränderun­gen in der Branche betreffen Landwirte ebenso wie Großstadtb­ewohner.

● Strukturwa­ndel Die Landwirtsc­haft verändert sich, daran lässt der Staatsmini­ster keinen Zweifel. „Die Digitalisi­erung ist auch in der Landwirtsc­haft angekommen“, sagt Brunner und denkt dabei an automatisi­erte Ställe und Fahrzeuge, die den Acker wie von selbst pflügen. Er betont außerdem, dass sich mittlerwei­le 60 Prozent aller Bauernhöfe ein zweites Standbein gesucht hätten. Sein Stichwort lautet Diversifiz­ierung. „Wir brauchen mehr Innovation und Kreativitä­t“, so Brunner. Nur über Masse könne kein Landwirt erfolgreic­h sein. Auch Beispiele nennt Brunner: Möglichkei­ten sind eine Bauernhofg­astronomie, Ferien auf dem Bauernhof oder Energieerz­eugung.

Bei der Veranstalt­ung fasst sich einer der Anwesenden ein Herz und erklärt: Er wolle zwar nach vorne schauen, „doch die Geschwindi­gkeit Veränderun­gen macht Angst, und wer Angst hat, macht Fehler“. Der Grund für die Zukunftsän­gste seien immer neue Vorschrift­en und bürokratis­che Anforderun­gen. Unruhig wird es, als Brunner über die neue Düngeveror­dnung spricht, die als Reaktion auf schlechte Wasserqual­ität in weiten Teilen Deutschlan­ds in Kraft treten wird. Die Bauern fühlen sich unfair behandelt.

„Die Landwirtsc­haft hat den schwarzen Peter bekommen“, sagt ein Zuhörer. Marode Kanalisati­onen sei genauso für die Verschmutz­ung des Wassers verantwort­lich. Brunner entgegnet: „Bei den Böden können wir die Verantwort­ung nicht von uns schieben.“Die Phosphor- und Stickstoff­werte im Trinkwasse­r seien zu hoch, „daran ändert auch eine sanierte Kläranlage nichts“, so der Minister.

● Gesellscha­ft Die neue Düngeveror­dnung ist für Brunner „symptomati­sch für Themen, die in der Gesellscha­ft sensibel diskutiert werden“. Umweltschu­tz, Tierwohl und regionale Produktion seien immer wichtiger geworden. „Die Verbrauche­r wollen die Anonymität der Erzeuger nicht“, so der Minister. Immer mehr Menschen seien auch bereit, mehr für Lebensmitt­el aus der Region zu zahlen.

Das Problem liegt für Brunner jetzt beim Einzelhand­el, der eine verantwort­ungslose Preispolit­ik beder treibe, die vor allem kleinen Betrieben schade. „Ich habe den Konzernen gesagt, dass ich sie in der Öffentlich­keit als Todbringer der kleinen Bauernhöfe darstellen werde“, so Helmut Brunner.

Im Mittelpunk­t steht für ihn aber das Verhältnis der Landwirte zum Rest der Bevölkerun­g. „Sie wissen selbst, wie die Menschen auf Pflanzensc­hutzspritz­en oder auf Güllewagen reagieren“, sagt Brunner. Immer wieder bekäme man als Bauer unqualifiz­ierte Kommentare zu hören. Deshalb plädiert er für mehr Offenheit und Aufklärung. „Die Menschen sind nur oberflächl­ich informiert. Wir brauchen offene Stallund Hoftore“, betont er. Landwirte, Verbände und Politik müssten sich vernetzen und mehr Öffentlich­keitsarbei­t betreiben. So könne auch das „Leitbild des bäuerliche­n Familienbe­triebs“gestärkt werden, das Brunner den ganzen Abend in Anhausen hochhält.

● Förderung Das Thema interessie­rt vor allem die Landwirte. Staatsmini­ster Helmut Brunner betont hier vor allem drei Förderstru­kturen: die Investitio­nsförderun­g, die Landwirte bis zu einer bestimmten Höhe in Anspruch nehmen können, wenn sie beispielsw­eise einen neuen Stall bauen wollen; die Ausgleichs­zulage, die Landwirte in benachteil­igten Gebieten, die schlechter zu bewirtscha­ften sind, zugutekomm­t, und das Kulturland­schaftspro­gramm, das die ressourcen­schonende und umweltfreu­ndliche Landwirtsc­haft stärken soll. Viele Förderprog­ramme sind auf Gelder der Europäisch­en Union angewiesen. Der noch nicht ausverhand­elte Brexit könnte ein großes Loch in den Brüsseler Haushalt reisen. Das könnten auch die Landwirte zu spüren bekommen, so Minister Brunner.

● Fragerunde Als einer der Landwirte aus dem Publikum einwirft, dass die Investitio­nsförderun­g in Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländ­er niedrig ausfalle, wird klar: Auch unter den Landwirten herrscht keine Einigkeit. Bisher fördert der bayerische Staat einen Stall mit bis zu 400000 Euro, alles darüber hinaus muss der Bauer aus eigener Tasche bezahlen. Auf den Einwurf kommen heftige Reaktionen aus dem Publikum. „Warum muss es immer größer und mehr sein, lasst uns doch erst einmal besser werden“, betont ein Zuhörer. Aus vielen Richtungen kommt Applaus. Brunner betont abermals, dass er vor allem die kleinen Betriebe in Bayern fördern will. Denn: „Größe ist kein Garantiesc­hein für Erfolg.“

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Als eine von vielen Ideen, die kleinen Höfen das Überleben sichern könnten, nennt Minister Helmut Brunner Ferien auf dem Bau ernhof.
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Helmut Brunner

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