Augsburger Allgemeine (Land West)
„Größe ist kein Garantieschein für Erfolg“
In Anhausen kritisiert Minister Brunner den Einzelhandel als „Todbringer der kleinen Bauernhöfe“. Wie seine Vorschläge ankommen und warum das Thema jeden betrifft
Diedorf Anhausen Wie sieht die Zukunft der Landwirtschaft in Bayern aus? Diese Frage hat viele Landwirte aus der Region am Donnerstag in den Veranstaltungssaal des Gasthofs Traube in Anhausen gelockt. Landtagsabgeordnete Carolina Trautner hatte den Staatsminister für Ernährung, Forsten und Landwirtschaft, Helmut Brunner (CSU), eingeladen. Von ihm versprechen sich die Bauern aus der Region Antworten.
Brunner holte weit aus und streifte nicht nur Themen, die für die Bauern relevant sind, sondern auch für die Gesellschaft im Ganzen. Denn die Veränderungen in der Branche betreffen Landwirte ebenso wie Großstadtbewohner.
● Strukturwandel Die Landwirtschaft verändert sich, daran lässt der Staatsminister keinen Zweifel. „Die Digitalisierung ist auch in der Landwirtschaft angekommen“, sagt Brunner und denkt dabei an automatisierte Ställe und Fahrzeuge, die den Acker wie von selbst pflügen. Er betont außerdem, dass sich mittlerweile 60 Prozent aller Bauernhöfe ein zweites Standbein gesucht hätten. Sein Stichwort lautet Diversifizierung. „Wir brauchen mehr Innovation und Kreativität“, so Brunner. Nur über Masse könne kein Landwirt erfolgreich sein. Auch Beispiele nennt Brunner: Möglichkeiten sind eine Bauernhofgastronomie, Ferien auf dem Bauernhof oder Energieerzeugung.
Bei der Veranstaltung fasst sich einer der Anwesenden ein Herz und erklärt: Er wolle zwar nach vorne schauen, „doch die Geschwindigkeit Veränderungen macht Angst, und wer Angst hat, macht Fehler“. Der Grund für die Zukunftsängste seien immer neue Vorschriften und bürokratische Anforderungen. Unruhig wird es, als Brunner über die neue Düngeverordnung spricht, die als Reaktion auf schlechte Wasserqualität in weiten Teilen Deutschlands in Kraft treten wird. Die Bauern fühlen sich unfair behandelt.
„Die Landwirtschaft hat den schwarzen Peter bekommen“, sagt ein Zuhörer. Marode Kanalisationen sei genauso für die Verschmutzung des Wassers verantwortlich. Brunner entgegnet: „Bei den Böden können wir die Verantwortung nicht von uns schieben.“Die Phosphor- und Stickstoffwerte im Trinkwasser seien zu hoch, „daran ändert auch eine sanierte Kläranlage nichts“, so der Minister.
● Gesellschaft Die neue Düngeverordnung ist für Brunner „symptomatisch für Themen, die in der Gesellschaft sensibel diskutiert werden“. Umweltschutz, Tierwohl und regionale Produktion seien immer wichtiger geworden. „Die Verbraucher wollen die Anonymität der Erzeuger nicht“, so der Minister. Immer mehr Menschen seien auch bereit, mehr für Lebensmittel aus der Region zu zahlen.
Das Problem liegt für Brunner jetzt beim Einzelhandel, der eine verantwortungslose Preispolitik beder treibe, die vor allem kleinen Betrieben schade. „Ich habe den Konzernen gesagt, dass ich sie in der Öffentlichkeit als Todbringer der kleinen Bauernhöfe darstellen werde“, so Helmut Brunner.
Im Mittelpunkt steht für ihn aber das Verhältnis der Landwirte zum Rest der Bevölkerung. „Sie wissen selbst, wie die Menschen auf Pflanzenschutzspritzen oder auf Güllewagen reagieren“, sagt Brunner. Immer wieder bekäme man als Bauer unqualifizierte Kommentare zu hören. Deshalb plädiert er für mehr Offenheit und Aufklärung. „Die Menschen sind nur oberflächlich informiert. Wir brauchen offene Stallund Hoftore“, betont er. Landwirte, Verbände und Politik müssten sich vernetzen und mehr Öffentlichkeitsarbeit betreiben. So könne auch das „Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebs“gestärkt werden, das Brunner den ganzen Abend in Anhausen hochhält.
● Förderung Das Thema interessiert vor allem die Landwirte. Staatsminister Helmut Brunner betont hier vor allem drei Förderstrukturen: die Investitionsförderung, die Landwirte bis zu einer bestimmten Höhe in Anspruch nehmen können, wenn sie beispielsweise einen neuen Stall bauen wollen; die Ausgleichszulage, die Landwirte in benachteiligten Gebieten, die schlechter zu bewirtschaften sind, zugutekommt, und das Kulturlandschaftsprogramm, das die ressourcenschonende und umweltfreundliche Landwirtschaft stärken soll. Viele Förderprogramme sind auf Gelder der Europäischen Union angewiesen. Der noch nicht ausverhandelte Brexit könnte ein großes Loch in den Brüsseler Haushalt reisen. Das könnten auch die Landwirte zu spüren bekommen, so Minister Brunner.
● Fragerunde Als einer der Landwirte aus dem Publikum einwirft, dass die Investitionsförderung in Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländer niedrig ausfalle, wird klar: Auch unter den Landwirten herrscht keine Einigkeit. Bisher fördert der bayerische Staat einen Stall mit bis zu 400000 Euro, alles darüber hinaus muss der Bauer aus eigener Tasche bezahlen. Auf den Einwurf kommen heftige Reaktionen aus dem Publikum. „Warum muss es immer größer und mehr sein, lasst uns doch erst einmal besser werden“, betont ein Zuhörer. Aus vielen Richtungen kommt Applaus. Brunner betont abermals, dass er vor allem die kleinen Betriebe in Bayern fördern will. Denn: „Größe ist kein Garantieschein für Erfolg.“